Deutschland, ein Kindermärchen
geschrieben auf einer Deutschlandreise im Heine-Jahr 1956
I
Nach siebzehn Jahren in “USA”
Ergriff mich das Reisefieber.
Am letzten Abend des Jahres wars,
Da fuhr ich nach Deutschland hinüber.
Es winkten die Freunde noch lange am Pier.
Die einen, besorgt und beklommen.
Doch andere wären, so schien es mir,
Am liebsten gleich mitgekommen.
Dezemberlich kühl sank- ein Dollar aus Gold-
Die Sonne am Strand von Manhattan.
Und was greifbar im Lichte des Tages mir schien,
Entschwebte in Silhouetten…
-O, Deutschland, du meiner Jugend Land,
Wie werd ich dich wiederfinden?
Mir bangts ein wenig. Schon sah man New York
Und die Freiheits-Statue schwinden…
*
Es schwankten die bunten Laternen an Bord,
Vom B-Deck erscholl ein Orchester.
-Ich schwänzte das “Festliche Gala-Souper”
Und hatte mein eignes “Sylvester”…
Ich grüßte dies recht bedeutsame Jahr
Mit bestem französischen Weine.
Vor einem Jahrzehnt starb das “tausendste Jahr”,
Und vor einem Jahrhundert– starb Heine!
II
Es hat wohl seither kein deutscher Poet
So frei von der Freiheit geschrieben.
Wo das Blümlein “Freiheit” im Treibhaus gedeiht,
Wird das Treiben ihm ausgetrieben…
Er liebte die Heimat, die Liebe, das Leid,
Den Geist und die feine Nüance,
Und war nur ein Deutscher. EIn Deutscher, kein “Boche”.
-Es lebe “la petite différence”!
Satiriker, Lyriker und Patriot
Sans Eichenlaub und Schwerter,
Ein Rebell sans peur et sans reproche,
Ein Horaz, Aristophanes, Werther,
Aus Simons Stamme, von Davids Geschlecht,
Worob die Philister ihn höhnten;
Denn er spießte den spießigen Goliath
Auf haarfein geschliffene Pointen.
III
Wie Heinrich Heine zu seiner Zeit
War auch ich in der Fremde oft einsam.
(Auch, daß mein Verleger in Hamburg sitzt,
Hab ich mit dem Autor gemeinsam.)
Der Lump sei bescheiden: Ich sag es mit Stolz,
Daß von Urvater Heine ich stamme,
Wie Tucholsky und Mann, Giraudoux und Verlaine-
Wir lieben das Licht und die Flamme!
…Auch ich bin “ein deutscher Dichter,
Bekannt im deutschen Land”,
Und nennt man die zweitbesten Namrn,
So wird auch der meine genannt.
Auch meine Lieder, sie waren einst
Im Munde des Volkes lebendig.
Doch wurden das Lied und der Sänger verbannt.
-Warn beide nicht “bodenständig”.
Ich sang einst im preußischen Dichterwald,
Abteilung für Großstadtlerchen.
Es war einmal.- Ja, so beginnt
Wohl manches Kindermärchen.
IV
“… Da kam der böse Wolf und fraß
Rotkäppchen.” - Weil sie nicht arisch.
Es heißt: die Wölfe im deutschen Wald
Sind neuerdings streng vegetarisch.
Jeder Sturmbandführer ein Pazifist,
So lautet das liebliche Märchen,
Und wieder leben Jud und Christ
Wie Turteltaubenpärchen.
Man feiert den Dichter der “Loreley”.
Sein Name wird langsam vertrauter.
Im Lesebuch steht “Heinrich Heine” sogar,
-Nicht: “unbekannter Autor”.
Zwar gibts die Gesamtausgabe nicht mehr,
Auch zum Denkmal scheints nirgends zu reichen.
Man vermittelt den Dichter in Miniatur
- Vermittelt Postwertzeichen.
(Was die Marke dem Spottvogel Heine wohl
Für ein leckeres Thema böte…!
Ja, der Deutsche, er kennt seine Klassiker nicht,
Das Zitat aus dem Götz stammt von Goethe.)
Wie gesagt, es soll ein erfrischender Wind
In neudeutschen Landen wehen.
Und wenn sie nicht gestorben sind…
-Das mußte ich unbedingt sehen!
-Mascha Kaléko
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Edgar Liegl zu danken: #München hatte mehr von ihm ...
Er war nicht nur Gründer des Scharfrichterhauses, das es zu bundesweiten Aufmerksamkeiten gebracht hat, und das auch die braun-schwarzen Passauer Traditionen mit all den Freunden wie Sigi Zimmerschied, Jonas und Rudi Klaffenböck, etc. auflockern konnte, zum neuen Leben brachte, das unter der Kapfinger-Einheitspresse und dem meist reaktionären bischöflichen Ordinariat (mit einer wichtigen Ausnahme: Franz Eder) bis heute in katholischer Geistlosigkeit dümpelt …
Gegen die bayrischen Einheits-Berichterstattungen und Pressekonzentrationen hatte sich in München um die gewerkschaftlichen Kreise mit etlichen Künstlern und Publizisten ein Verein gegründet, nach einer stolzen Buchpublikation 1976 in der Nymphenburger Verlagsbuchhandlung: Das andere Bayern: Lesebuch zu einem Freistaat. Die heutige Situation wieder …
Die bayrische Mainstream-Presse hat sich bis heute kaum an die Berichte zu den zahlreichen Aktionen gewagt, und so wird die eigene kabarettistische und politische Arbeit von Edgar Liegl im Schatten bleiben, nachdem die königlichen Ludwixereien des aktuellen Ministerpräsidenten so viel schönere Schlösser-Bilder bringen …
https://taz.de/Edgar-Liegl-und-das-bayerische-Kabarett/!5959372/
"Als Edgar Liegl geboren wurde, ist Hitler in Polen einmarschiert.
Bis ins Alter von 77 Jahren hat der Politologe an der Fachhochschule in München-Pasing unterrichtet. Seine Studenten schenkten ihm bei der Verabschiedungsfeier ein T-Shirt mit dem Nietzsche-Zitat: „Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“ … https://taz.de/Edgar-Liegl-und-das-bayerische-Kabarett/!5959372/
Aber er will nicht von oben hinunterschauen auf Passau. „Ich tue mich da leicht als einer, der die Provinz seit Jahren von der Großstadt aus betrachtet. Für mich geht es immer noch um die Radikalität der Kunst, im Sinne Arthur Rimbauds nämlich. Um die Entfesselung aller Sinne, nicht nur die des Feiertagssinns aus einer gewissen finanziellen Abgesichertheit heraus. Ein Künstler ist einer, der sich auf der Nase Warzen pflanzt und sie groß züchtet.“
„Die eigentlich politischen Beiträge klagen Schulverhältnisse, Rundfunk-Sünden, Pressekonzentration, Handhabung des Radikalenerlasses, Versagen des Umweltschutzes an. Den eigenen Parteifreunden liest Peter Glotz die Leviten, in dem er ausführt, wie geschickt die CSU die Interessen der Bevölkerung wahrnimmt.
Das Treffendste zum Wohl- und Wahlverhalten der Bayern trägt Erich Kuby in seinem Essay „Von der Gaudi der Bayern“ bei. Hitler sei vor allem als Gaudimacher bewundert worden.
Als aus dem Brauhaus-Hitler der großdeutsche Führer wurde, war er den Bayern schon unbehaglich. An dieser Gaudi-Theorie scheint mir viel Wahres zu sein – auch im Hinblick auf den tödlichen Theorieernst der Münchner Genossen, von denen in diesem Buch nicht die Rede ist.
– Alles in allem: eine weißblau gebundene Apologie des richtigen Bayern. WERNER ROSS: FAZ Rezension (Verbundzentrale des GBV)
„Das andere Bayern“. Lesebuch zu einem Freistaat. Hrsg. von Martin Gregor-Dellin, Wolfgang R. Langenbucher, Völker Schlöndorff. Nymphenburger Verlagshandlung, München 1976. 288 S., br., 16,– DM
Die Gründungs-Unterlagen des Verein http://dasanderebayern.de stehen im Archiv der Münchner Arbeiterbewegung
Pressemitteilung des „Anderen Bayern“ von Juni 1986 „Das andere Bayern“: Jetzt noch Plätze frei für die „König-Ludwig-Lustfahrt“ Einstweilige Verfügung beantragt.
Sehr geehrte Damen und Herren;
wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war, wird das gesamte Haus Wittelsbach die Einladung des anderen BAyern zur „König-Ludwig-Lustfahrt“ auf Druck der Bayerischen Staatsregierung nicht annehmen. Die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung hatte zunächst noch versucht, mit fadenscheinigen Argumenten ohne viel Aufsehen aus dem rechtskräftig geschlossenen Vertrag zu kommen, um die offensichtliche politische Zensur herunterzuspielen.
Jetzt steht fest: Ein satirisches Spektakel, das den vormaligen Chef des Wittelsbacher Hauses in angemessener Weise würdigt, soll verhindert werden. Nach Auskunft des kaufmännischen Direktors der Bayrischen Schlösser- und Seenverwaltung, Kupfer, mit Sitz Königsee, würde lediglich „eine normale Schifferlfahrt mit Tanzkaffee und Kuchen “ genehmigt werden.
Der Block der bayerischen Satireverhinderer in Rundfunk (Scheibenwischer), Kultusministerium (Maßnahmen gegen das Bayerische Staatsschauspiel) und auch in der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung (König-Ludwig-Lustfahrt) ist zu keinerlei Kompromissen bereit.
Am 5. Juni 86 hat deshalb das andere Bayern einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung an das Landgericht München I gerichtet. Damit soll erreicht werden, daß die Lustfahrt nicht zur Frustfahrt wird, sondern stattfindet und Crailsheim (Bayer. Schlösser-und Seenverwaltung), Maier und Co. baden gehen.
Es ist ein hervorstechendes Kennzeichen dieser absolutistischen Kulturauffassung, daß bei jeder Gelegenheit in schamloser Weise die „Liberalitas Bavariae“ zitiert und als berühmt herausgestellt wird, obwohl sie wie die Beispiele in letzter Zeit zeigen, eher berüchtigt ist.
Mit freundlichen Grüßen - für den Vorstand - gez. Edgar Liegl
https://www.dasanderebayern.de/1986-unsichtbares-eisner-denkmal/
https://www.dasanderebayern.de/2013-aktionen/
Flaneur zwischen Großstadt und Provinz
https://www.muenchen.tv/cmms-embed/494931 kannst du ihn noch kennenlernen oder dich erinnern, wie er sein Leben erzählte
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♫ Inhalt/Handlung: L’Enfant et les Sortilèges - Oper von Maurice Ravel
L’Enfant et les Sortilèges - Das Kind und die Zauberdinge - "lyrische Phantasie" in zwei Teilen.
Maurice
Ravel lässt ein Kind mit antiautoritären Verhaltensweisen in seiner Oper L’Enfant et les Sortilèges / Das Kind und die Zauberdinge von aufgebrachten Spielzeugen und gequälten Tieren in die Ecke treiben. Eine lebende Spielwelt erweist sich als wirkungsvolle Erziehungsmaßnahme - und beschert uns fantasievolle Inszenierungen.
L’Enfant et les Sortilèges - Teil 1 - Das Kind und die Hausaufgaben
Am Schreibtisch sitzt ein Schuljunge und druckst an seinen Hausaufgaben herum, obwohl er lieber spielen möchte.
Als die Mutter nach ihm schaut, steckt er ihr die Zunge heraus – ein zu Colettes Zeiten unerhörtes Benehmen, das sofort mit Stubenarrest geahndet wird. Das bringt den Hausaufgaben-Verweigerer erst recht in Rage. Er zerdeppert Tasse und Teekanne, quält das im Bauer sitzende Eichhörnchen, zieht die Katze am Schwanz. Und wo er schon einmal so richtig dabei ist, reißt er die Tapete von der Wand und kippt die Standuhr um. Sein Credo, lange bevor es für „antiautoritär“ überhaupt ein passendes Wort gibt, fasst der kleine Satansbraten in folgende Worte: „Ich bin böse und frei!“.
L’Enfant et les Sortilèges - Teil 2 - Uhr, Prinzessin, Teekanne werden lebendig
Kaum möchte er sich - erleichtert über das getane Werk - im Lehnstuhl ausruhen, beginnen die Gegenstände um ihn herum lebendig zu werden.
Eine ständig schlagende Standuhr kommt mit den übrigen zerstörten Gegenständen auf ihn zu, und zwar im Foxtrott-Rhythmus der wilden Zwanziger Jahre. Eine Prinzessin tritt mit Flötenbegleitung aus dem zerfetzten Lesebuch; das Rechenmännchen formuliert im Stakkato die ungeübten Mathematikaufgaben.
L’Enfant et les Sortilèges - Die Rache der gequälten Tiere.
Bei einem leidenschaftlichen Katzenduett (miau, miauhmi-au...) verschwinden die Zimmerwände, und der Junge findet sich in der freien Natur wieder. Er lauscht den zauberhaften Gesängen der Insekten, Frösche, Kröten, Eulen...
Als die Tiere ihn bemerken, weint die Libelle über den Verlust des Weibchens, das jetzt tot mit einer Nadel zerstochen im Zimmer hängt. Selbst die Frösche verlassen den Teich und umzingeln mit den anderen Tieren den Quälgeist – der ängstlich nach seiner Mutter schreit - und zählen auf, wie sie von ihm malträtiert wurden. Im allgemeinen Getümmel verletzt sich ein Eichhörnchen und kriecht blutend in die Nähe des Kindes. Spontan verbindet der Junge das Bein mit einem Band.
Damit ist der Bann gebrochen. Die Tiere nehmen den Jungen in ihre Mitte, begleiten ihn ins Haus und rufen mit ihm nach der Mutter.
Video-Ausschnitte einer fantasievolle Inszenierung - Theater Erfurt
https://youtu.be/MmDVoI_mTp8
Maurice Ravel: Das Kind und die Zauberdinge (Trailer) | Theater Erfurt
Sidonie-Gabrielle Colette schrieb die Texte zu dieser "lyrischen Fantasie" schon 1919.
Maurice Ravel (1875 - 1937) dachte oft daran, fing aber erst ein Dreiviertel Jahr vor der Uraufführung (21. März 1925) an, die Komposition aufzuschreiben. Anscheinend hat ihm das viel Spaß bereitet, denn er verarbeitete darin die aktuellen Modetänze dieser Zeit, sowie Operetten-Elemente, die er wahrscheinlich in „ernsten“ Werken nicht so ohne weiteres untergebracht hätte.
L'Enfant et les Sortilèges
L'Enfant et les Sortilèges (Das Kind und der Zauberspuk) „lyrische Phantasie“ in zwei Teilen mit Musik von Maurice Ravel dauert 65 Minuten. Das Libretto schrieb Colette nach ihrer Literarische Vorlage “Divertissement pour ma fille“. Uraufgeführt wurde die Oper in Monte Carlo (Opéra). Es spielt in einem Zimmer und Garten eines Landhauses in der Normandie
Personen:
Kind (Mezzosopran), Mutter (Alt), Sessel (Bariton), Standuhr (Bariton), Teekanne (Tenor), Chinesische Tasse (Alt), Feuer / Prinzessin / Nachtigall (Sopran), Hirtin (Sopran), Hirte (Sopran), Prinzessin (Sopran), Kleiner alter Mann / Baumfrosch (Tenor), Tiere, Pflanzen, Möbel (Kinder- / Chor)
Video-Ausschnitte: L'Enfant et les sortilèges - Kammeroper von Maurice Ravel
https://youtu.be/pFYBW4eUZ0w
Deutsche Oper am Rhein: L'Enfant et les sortilèges von Maurice Ravel
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L’Enfant et les Sortilèges:
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