Tumgik
#Der bleiche König
kallemax · 2 years
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Bürokratie
„Der Schlüssel, der der Bürokratie vorausgeht, ist die Fähigkeit, Langeweile auszuhalten. Effizient in einem Milieu zu funktionieren, das alles Vitale und Menschliche ausschließt. Gewissermaßen ohne Luft zu atmen.
Der Schlüssel ist die Fähigkeit, ob angeboren oder erworben, die andere Seite der Routine zu finden, des Nichtigen, des Bedeutungslosen, des Repitiven, des sinnlos Komplexen. In einem Wort, unlangweilbar zu sein. (…) Das ist der Schlüssel zum modernen Leben. Wenn man gegen Langeweile immun ist, gibt es buchstäblich nichts, was man nicht erreichen kann.“
David Foster Wallace - Der bleiche König
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Die Bürgschaft
Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich Damon, den Dolch im Gewande: Ihn schlugen die Häscher in Bande, "Was wolltest du mit dem Dolche? sprich!" Entgegnet ihm finster der Wüterich. "Die Stadt vom Tyrannen befreien!" "Das sollst du am Kreuze bereuen."
"Ich bin", spricht jener, "zu sterben bereit Und bitte nicht um mein Leben: Doch willst du Gnade mir geben, Ich flehe dich um drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit; Ich lasse den Freund dir als Bürgen, Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen."
Da lächelt der König mit arger List Und spricht nach kurzem Bedenken: "Drei Tage will ich dir schenken; Doch wisse, wenn sie verstrichen, die Frist, Eh' du zurück mir gegeben bist, So muß er statt deiner erblassen, Doch dir ist die Strafe erlassen."
Und er kommt zum Freunde: "Der König gebeut, Daß ich am Kreuz mit dem Leben Bezahle das frevelnde Streben. Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit; So bleib du dem König zum Pfande, Bis ich komme zu lösen die Bande."
Und schweigend umarmt ihn der treue Freund Und liefert sich aus dem Tyrannen; Der andere ziehet von dannen. Und ehe das dritte Morgenrot scheint, Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint, Eilt heim mit sorgender Seele, Damit er die Frist nicht verfehle.
Da gießt unendlicher Regen herab, Von den Bergen stürzen die Quellen, Und die Bäche, die Ströme schwellen. Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab, Da reißet die Brücke der Strudel herab, Und donnernd sprengen die Wogen Des Gewölbes krachenden Bogen.
Und trostlos irrt er an Ufers Rand: Wie weit er auch spähet und blicket Und die Stimme, die rufende, schicket. Da stößet kein Nachen vom sichern Strand, Der ihn setze an das gewünschte Land, Kein Schiffer lenket die Fähre, Und der wilde Strom wird zum Meere.
Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht, Die Hände zum Zeus erhoben: "O hemme des Stromes Toben! Es eilen die Stunden, im Mittag steht Die Sonne, und wenn sie niedergeht Und ich kann die Stadt nicht erreichen, So muß der Freund mir erbleichen."
Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut, Und Welle auf Welle zerrinnet, Und Stunde an Stunde ertrinnet. Da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Mut Und wirft sich hinein in die brausende Flut Und teilt mit gewaltigen Armen Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen.
Und gewinnt das Ufer und eilet fort Und danket dem rettenden Gotte; Da stürzet die raubende Rotte Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort, Den Pfad ihm sperrend, und schnaubend Mord Und hemmet des Wanderers Eile Mit drohend geschwungener Keule.
"Was wollt ihr?" ruft er vor Schrecken bleich, "Ich habe nichts als mein Leben, Das muß ich dem Könige geben!" Und entreißt die Keule dem nächsten gleich: "Um des Freundes willen erbarmet euch!" Und drei mit gewaltigen Streichen Erlegt er, die andern entweichen.
Und die Sonne versendet glühenden Brand, Und von der unendlichen Mühe Ermattet sinken die Knie. "O hast du mich gnädig aus Räubershand, Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land, Und soll hier verschmachtend verderben, Und der Freund mir, der liebende, sterben!"
Und horch! da sprudelt es silberhell, Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen, Und stille hält er, zu lauschen; Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell, Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell, Und freudig bückt er sich nieder Und erfrischet die brennenden Glieder.
Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün Und malt auf den glänzenden Matten Der Bäume gigantische Schatten; Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn, Will eilenden Laufes vorüber fliehn, Da hört er die Worte sie sagen: "Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen."
Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß, Ihn jagen der Sorge Qualen; Da schimmern in Abendrots Strahlen Von ferne die Zinnen von Syrakus, Und entgegen kommt ihm Philostratus, Des Hauses redlicher Hüter, Der erkennet entsetzt den Gebieter:
"Zurück! du rettest den Freund nicht mehr, So rette das eigene Leben! Den Tod erleidet er eben. Von Stunde zu Stunde gewartet' er Mit hoffender Seele der Wiederkehr, Ihm konnte den mutigen Glauben Der Hohn des Tyrannen nicht rauben."
"Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht, Ein Retter, willkommen erscheinen, So soll mich der Tod ihm vereinen. Des rühme der blut'ge Tyrann sich nicht, Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht, Er schlachte der Opfer zweie Und glaube an Liebe und Treue!"
Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor, Und sieht das Kreuz schon erhöhet, Das die Menge gaffend umstehet; An dem Seile schon zieht man den Freund empor, Da zertrennt er gewaltig den dichter Chor: "Mich, Henker", ruft er, "erwürget! Da bin ich, für den er gebürget!"
Und Erstaunen ergreifet das Volk umher, In den Armen liegen sich beide Und weinen vor Schmerzen und Freude. Da sieht man kein Augen tränenleer, Und zum Könige bringt man die Wundermär'; Der fühlt ein menschliches Rühren, Läßt schnell vor den Thron sie führen,
Und blicket sie lange verwundert an. Drauf spricht er: "Es ist euch gelungen, Ihr habt das Herz mir bezwungen; Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn - So nehmet auch mich zum Genossen an: Ich sei, gewährt mir die Bitte, In eurem Bunde der Dritte!"
--Friedrich Schiller
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glauconaryue · 1 year
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Glauconar Yue: List of works
Novels
2007    El Empalador. Novel. Bizarro, Lima.
2017    Crónicas del templo negro. Novel. Luis Arbaiza, Lima.
2020    Das Herz des Zahnradmädchens. Novel. Epubli, Berlin.
Other Literature
2003    Poems in Elisión. Año 1, Nº 1 y 2. PUCP, Lima.
2008    Poems in Fósforo. College of the Holy Cross, Worcester MA.
2008    Poems in Poetas y Narradores del 2008. 3rd place in a contest. Ricardo Calderón, Miami.
2010    "Amor Puro“, poem in Golgota. Año 10, Nr. 22. Lima.
2011    "Kürbis, Kürbis, hüpf herum!“. Hörspiel. NSW-Anime Radio, Weddendorf.
2013    Poems in Richtungsding. Ausgabe VI. Dichtungsring, Düsseldorf.
2013    "Eterno despertar", Short story in 201. Altazor, Lima.
2013    "Evocaciones Literarias", Short story in Altazor. Año 1, Nº 5. Altazor, Lima.
2013-2014    "El magnífico mago Mystére", Series in Heroclash.
2015    "The Taming of the Snake", Short story in Relatos increíbles. Año 1, N.º 3. Acuedi, Lima.
2016    "La iglesia del padre Samael", Short story in El Bosque. Año 3, Nº8. Lima.
2017    "La chica más blanca del primer ciclo". With Carlos Carrillo. Short story in Nictofilia. Año 1, N.º 2. Cthulhu, Lima.
2017    "Bichos". Short story in Tenebra. Torre de Papel, Lima.
2018    "Coloquio demonológico entre Lilith e Ishtar". Poetic dialogue in Nictofilia. Año 3, Nº 4. Cthulhu, Lima.
2019    "Midnight Radio". Short story in Richtungsding. Ausgabe XII. Dichtungsring, Düsseldorf.
2020    "Transmutación". Short story in Perro negro de la calle. Año 4, N° 40. Lagos de Moreno.
2020    "Tres sonetos en honor a Sor Juana Inés de la Cruz". Poems in Pluma Literaria. Año 1, N° 10. Buenos Aires.
2021    "Segunda caída del templo de Entheria en su quinta edad". Short story in Relatos Increíbles. Año 5, N° 20.
2021    „Das bleiche Mädchen von Übersee“. In Zusammenarbeit mit Carlos Carrillo. Kurzgeschichte im Sammelband Dämonenliebe. Twilight-line, Wasungen.
2021    "La leyenda del Llantapa". Short sotry in Titanes. Aeternum, Lima.
2021    "Rencuentro fatal". Short story in Eros en el Averno. Cthulhu, Lima.
2021    "Guerra con Chile: Campañas terrestres". Chapter in Hiztoria del Perú. Sakra, Lima. 
2022     „Der Letzte Chaufa des Grafen zu Lerchenfeld“. Kurzgeschichte in der Zeitschrift Stadtrevue. Köln. 
2022    Poems in Un hogar llamado cuerpo. Poetas trans de AbyaYala. Pez en el árbol, Oaxaca.
2023     „Der Flug der Titania“. Rollenspielabenteuer im Almanach für die Gratisrollenspieltage. Redaktion Phantastik, Essen, und Pegasus, Friedberg.
2023 Poems in Queer: Nun Reden Wir. Linn Schiffmann, Dortmund.
Performances
2013    „Die Verwandlung“. Dramatische Lesung. Regie und Performance mit Tänzerin Mihyun Ko. Treibsand, Bochum.
2013    „A day, a Session, a Performance“. Tanzstück. Performance unter Regie von Lihito Kamiya. The Roof, Duisburg.
2014    „The Grave Tragedy of the Kitty [...]“. Tanzstück. Dramaturgie und Performance mit Choreograph Yuta Hamaguchi. Kunstraum, Düsseldorf.
2015    „DanKe“. Tanzstück. Dramaturgie mit Choreograph Yuta Hamaguchi. Kunstraum, Düsseldorf.
2016    „Algodón“. Intervention und Tamzperformance. Dramaturgie mit Tänzerinnen Magda Agudelo und Kathye Molina.  Theater der Gezeiten, Bochum.
2018    "La llave del conocimiento". Obra teatral. Guión y actuación junto con Julián Brock, Omar Valencia y Emelyn Yábar.  Atelier Automatique, Bochum.
2019    "Artsy Fartsy Ficki Facki". Theaterstück. Schauspieler unter Regie von Caroline Königs. Ruhr-Universität Bochum, Zeitmaultheater Bochum und Kunstwerkstatt Dortmund.
2019    "La leyenda de la monja alférez". Obra teatral. Guión y producción. Atelier Rottstr Hof, Bochum.
2019    "Collective Clips of Body Motion". Intermediales happening. Dramaturgie mit Choreographin Mihyun Ko. K21 Ständehaus der Kunstsammlung Düsseldorf.
2019    "The Fragment Show". Soundperformance. Konzeption und Lesung mit Musiker Nicolo Sommer. Bücher Ober, Düsseldorf.
2023 "24 Hours". Tanztheater. Dramaturgie mit Choreographen Mihyun Ko und Junghwi Park. Tanzfaktur, Köln.
Film / Video
2014    „Here to There“. Dramaturgie. Kurzfilm unter Regie von Lihito Kamiya. Bochum, Duisburg, Düsseldorf.
2015    „Heidelberg Variations“. Darsteller*in. Kurzfilm unter Regie von Lihito Kamiya. Heidelberg.
2016    „Lesen aus der Trinkhalle.“ Intervention und Video am „Tag der Trinkhallen“. Organisiert von der Literaturzeitschrift Richtungsding. Bochum.
2022     „Three Broken Dolls“. Videoperformance als Teil der Installation Queering Documentation: 1. Materiality. Seoul.
2022     "Discurso de transmutación alquímica". Videolesung als Teil der Kölner Literaturclips. Literaturhaus Köln.
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beauty-forever · 4 hours
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Der verhinderte Dichter
Es war einmal ein Dichter, dem die Worte nicht so recht aus der Feder fließen wollten, und der in einem Elfenbein-Turm wohnte, wo er ergebnislos und nächtelang um seine verlorenen Verse rang. Zuerst versuchte er es mit Tabak, als dies nichts fruchtete, mit starkem schwarzen Kaffee, dann mit Tees zweifelhaften Ursprungs, und schon türmten sich die Kippen in ihrer kalten Asche zu einem riesigen stinkenden Haufen, nur vereinzelt glühten zerdrückte Stummel in schmalen, zur Decke strebenden rauchenden Fähnlein. In höchster Verzweiflung raufte er sich die Haare, bis er aussah wie der selige König Ludwig höchstpersönlich, und wandte sein bleiches Antlitz dem Mondlicht zu, in der Hoffnung auf Erleuchtung. Die Uhr schlug längst Mitternacht, und noch immer gähnte ihn das weiße Blatt Papier an. Als alles nichts fruchtete, griff er in letzter Not nach seinem dicken Buch mit den Zauberformeln und schlug eine abgegriffene Seite auf, nichts ahnend, dass er die falsche gewählt hatte, denn nach Lösungen für seine anhaltende Schreibblockade suchend, hatte er eigentlich dort ein großes Eselsohr gemacht, wo er jene für dichterische Probleme zu finden gedachte; doch das Eselsohr war verschwunden, und im herrschenden Halbdunkel konnte er nur mühsam die Buchstaben entziffern. Zu spät fuhr es im heiß und kalt in die Glieder, was sein übermüdetes Gehirn ihm vorgegaukelt und seine Lippen nachgebetet hatten. Es waren die falschen Verse.. Es tat einen gewaltigen Donnerschlag, und der Gehörnte leibhaftig stand in Rauch und Schwefelgestank vor ihm, die Arme in die Hüften gestemmt und mit einem noch missmutigerem Gesicht als er es ohnehin schon hatte. Wer wage es, ihn zu stören, hallte es in der Schreibstube, aber auf den Schreiberling vor seiner Nase habe er schon lange gewartet, kam es etwas kecker hinterher, als er sah, wie der bleiche Dichter schlotternd in seinen Sessel schrumpfte. Endlich sei er zur Vernunft gekommen, und er freue sich auf dessen Angebot, fügte er mit dämonischem Grinsen hinzu. Nun, ich warte, sagte der Höllenfürst nach einer Weile und klopfte ungeduldig mit seinem Huf auf den Boden, den Dichter arglistig beobachtend. Doch dann waren sich die beiden schließlich einig, und der grausige Handel selbst ging schnell über die Bühne. In seiner höchsten Not hatte der Dichter jedoch vergessen, den Zeitraum und das Ausmaß seiner wiedererlangten Produktivität genauer zu definieren. Und so flog die Feder des Dichters bald übers Papier, seitenweise, in meterhoch sich türmenden Stapeln, und immer weiter kritzelte er, und die schwarze Tinte wurde nicht weniger, bald blies der Nachtwind die Blätter zum Fenster hinaus, sie quollen aus allen Tür-Öffnungen und füllten den Raum bis zur Decke. Wie in Trance vergingen die Stunden, bis der Dichter im Morgengrauen und in seinen eigenen Papieren erstickt war, den Federkiel, von dem pechschwarze Tinte tropfte, als letzten Gruß erhoben aus dem Meer von Skripten.
von G. B. Bowman aka Lady Aislinn "Die Maiglöckchensuppe & andere Kürzestgeschichten"
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pfalztexter · 6 months
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Tyrannenmord
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Der Tod des Caesar von Vincenzo Camuccini (1798) (Quelle)
Die Bürgschaft, Friedrich Schiller:
Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich Möros, den Dolch im Gewande; Ihn schlugen die Häscher in Bande. »Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!« Entgegnet ihm finster der Wütherich. - »Die Stadt vom Tyrannen befreien!« - »Das sollst du am Kreuze bereuen.« -
»Ich bin,« spricht Jener, »zu sterben bereit Und bitte nicht um mein Leben; Doch, willst du Gnade mir geben - Ich flehe dich um drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit - Ich lasse den Freund dir als Bürgen, Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen.«
Da lächelt der König mit arger List Und spricht nach kurzem Bedenken: »Drei Tage will ich dir schenken; Doch, wisse! wenn sie verstrichen, die Frist, Eh' du zurück mir gegeben bist, So muß er statt deiner erblassen, Doch dir ist die Strafe erlassen.«
Und er kommt zum Freunde: »Der König gebeut, Daß ich am Kreuz mit dem Leben Bezahle das frevelnde Streben; Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit: So bleib' du dem König zum Pfande, Bis ich komme, zu lösen die Bande.«
Und schweigend umarmt ihn der treue Freund Und, liefert sich aus dem Tyrannen; Der andere ziehet von dannen. Und, ehe das dritte Morgenroth scheint, Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint, Eilt heim mit sorgender Seele, Damit er die Frist nicht verfehle.
Da gießt unendlicher Regen herab, Von den Bergen stürzen die Quellen, Und die Bäche, die Ströme schwellen. Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab - Da reißet die Brücke der Strudel hinab, Und donnernd sprengen die Wogen Des Gewölbes krachenden Bogen.
Und trostlos irrt er an Ufers Rand: Wie weit er auch spähet und blicket Und die Stimme, die rufende, schicket, Da stößet kein Nachen vom sichern Strand, Der ihn setze an das gewünschte Land, Kein Schiffer lenket die Fähre, Und der wilde Strom wird zum Meere.
Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht, Die Hände zum Zeus erhoben: »O, hemme des Stromes Toben! Es eilen die Stunden, im Mittag steht Die Sonne, und wenn sie niedergeht, Und ich kann die Stadt nicht erreichen, So muß der Freund mir erbleichen.«
Doch wachsend erneut sich des Stromes Wuth, Und Welle auf Welle zerrinet, Und Stunde an Stunde entrinnet, Da [treibt ihn die Angst], da faßt er sich Muth Und wirft sich hinein in die brausende Flut Und theilt mit gewaltigen Armen Den Strom - und ein Gott hat Erbarmen -
Und gewinnt das Ufer und eilet fort Und danket dem rettenden Gotte; Da stürzet die raubende Rotte Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort, Den Pfad ihm sperrend, und schnaubet Mord Und hemmet des Wanderers Eile Mit drohend geschwungener Keule.
»Was wollt ihr?« ruft er, [vor] Schrecken bleich, »Ich habe nichts, als mein Leben, Das muß ich dem Könige geben!« Und entreißt die Keule dem Nächsten gleich: »Um des Freundes willen, erbarmet euch!« Und Drei, mit gewaltigen Streichen, Erlegt er, die Andern entweichen.
Und die Sonne versendet glühenden Brand, Und, von der unendlichen Mühe Ermattet, sinken die [Knie] - »O, hast du mich gnädig aus Räubershand, Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land, Und soll hier verschmachtend verderben, Und der Freund mir, der liebende, sterben!«
Und, horch'! da sprudelt es silberhell, Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen, Und stille hält er, zu lauschen, Und, sieh', aus dem Felsen, geschwätzig, schnell, Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell, Und freudig bückt er sich nieder Und erfrischet die brennenden Glieder.
Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün Und malt auf den glänzenden Matten Der Bäume gigantische Schatten; Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn, Will eilenden Laufes vorüber fliehn, Da hört er die Worte sie sagen: »Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.«
Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß, Ihn jagen der Sorge Qualen, Da schimmern in Abendroths Strahlen Von ferne die Zinnen von Syrakus, Und entgegen kommt ihm Philostratus, Des Hauses redlicher Hüter, Der erkennet entsetzt den Gebieter:
»Zurück! du rettest den Freund nicht mehr, So rette das eigene Leben! Den Tod erleidet er eben. Von Stunde zu Stunde gewartet' er Mit hoffender Seele der Wiederkehr, Ihm konnte den muthigen Glauben Der Hohn des Tyrannen nicht rauben.« -
»Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht Ein Retter willkommen erscheinen, So soll mich der Tod ihm vereinen. Deß rühme der blut'ge Tyrann sich nicht, Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht, Er schlachte der Opfer zweie Und glaube an Liebe und Treue!«
Und die Sonne geht unter - da steht er am Thor Und sieht das Kreuz schon erhöhet, Das die Menge gaffend umstehet; An dem Seile schon zieht man den Freund empor, Da zertrennt er gewaltig den dichten Chor: »Mich, Henker«, ruft er, »erwürget! Da bin ich, für den er gebürget!«
Und Erstaunen [ergreift]5 das Volk umher, In den Armen liegen sich Beide Und weinen [vor]3 Schmerzen und Freude. Da sieht man kein Augen thränenleer, Und zum Könige bringt man die Wundermähr'; Der fühlt ein menschliches Rühren, Läßt schnell vor den Thron sie führen -
Und blicket sie lange verwundert an. Drauf spricht er: »Es ist euch gelungen, Ihr habt das Herz mir bezwungen, Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn, So nehmet auch mich zum Genossen an: Ich sey, gewährt mir die Bitte, In eurem Bunde der Dritte!« (Quelle)
Schubert: Die Bürgschaft, D. 246
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ladyaislinn · 9 months
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Aislinn! ich seh' dich fröhlich so wie nie, diese schönste der Idee sie heißt Fantasie; oh! ich kenn' die Quelle zu stiften ein Reich aus Träumen, die helle, dem Musenkuss gleich: du schaust auf die Welt aus den Lüften vor: dein strahlender Held brachte Glanz und Humor. Und N in seinem schwarzen Reich, der wird vor Eifersucht ganz bleich, Der E, schon lange ganz verschwunden, der leckt sich schweigend seine Wunden. Auch R vermisst man eigentlich sehr wenig, er ist auf seinem Esel König. Ein Requiem auf die da geh'n, es war (nicht immer) wunderschön..
und....auf ein Wiederseh'n (?) by Ambrose the Poet (and Lady Aislinn)
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breakevenclocks · 3 years
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Es war einmal ein armer Mann, der konnte seinen einzigen Sohn nicht mehr ernähren. Da sprach der Sohn 'lieber Vater, es geht Euch so kümmerlich, ich falle Euch zur Last, lieber will ich selbst fortgehen und sehen, wie ich mein Brot verdiene.' Da gab ihm der Vater seinen Segen und nahm mit großer Trauer von ihm Abschied. Zu dieser Zeit führte der König eines mächtigen Reichs Krieg, der Jüngling nahm Dienste bei ihm und zog mit ins Feld. Und als er vor den Feind kam, so ward eine Schlacht geliefert, und es war große Gefahr und regnete blaue Bohnen, daß seine Kameraden von allen Seiten niederfielen. Und als auch der Anführer blieb, so wollten die übrigen die Flucht ergreifen, aber der Jüngling trat heraus, sprach ihnen Mut zu und rief 'wir wollen unser Vaterland nicht zugrunde gehen lassen.' Da folgten ihm die andern, und er drang ein und schlug den Feind. Der König, als er hörte, daß er ihm allein den Sieg zu danken habe, erhob ihn über alle andern, gab ihm große Schätze und machte ihn zum Ersten in seinem Reich. Der König hatte eine Tochter, die war sehr schön, aber sie war auch sehr wunderlich. Sie hatte das Gelübde getan, keinen zum Herrn und Gemahl zu nehmen, der nicht verspräche, wenn sie zuerst stürbe, sich lebendig mit ihr begraben zu lassen. 'Hat er mich von Herzen lieb,' sagte sie, 'wozu dient ihm dann noch das Leben?' Dagegen wollte sie ein Gleiches tun, und wenn er zuerst stürbe, mit ihm in das Grab steigen. Dieses seltsame Gelübde hatte bis jetzt alle Freier abgeschreckt, aber der Jüngling wurde von ihrer Schönheit so eingenommen, daß er auf nichts achtete, sondern bei ihrem Vater um sie anhielt. 'Weißt du auch,' sprach der König, 'was du versprechen mußt?' 'Ich muß mit ihr in das Grab gehen,' antwortete er, 'wenn ich sie überlebe, aber meine Liebe ist so groß, daß ich der Gefahr nicht achte.' Da willigte der König ein, und die Hochzeit ward mit großer Pracht gefeiert. Nun lebten sie eine Zeitlang glücklich und vergnügt miteinander, da geschah es, daß die junge Königin in eine schwere Krankheit fiel, und kein Arzt konnte ihr helfen. Und als sie tot dalag, da erinnerte sich der junge König, was er hatte versprechen müssen, und es grauste ihm davor, sich lebendig in das Grab zu legen, aber es war kein Ausweg: der König hatte alle Tore mit Wachen besetzen lassen, und es war nicht möglich, dem Schicksal zu entgehen. Als der Tag kam, wo die Leiche in das königliche Gewölbe beigesetzt wurde, da ward er mit hinabgeführt, und dann das Tor verriegelt und verschlossen. Neben dem Sarg stand ein Tisch, darauf vier Lichter, vier Laibe Brot und vier Flaschen Wein. Sobald dieser Vorrat zu Ende ging, mußte er verschmachten. Nun saß er da voll Schmerz und Trauer, aß jeden Tag nur ein Bißlein Brot, trank nur einen Schluck Wein, und sah doch, wie der Tod immer näher rückte. Indem er so vor sich hinstarrte, sah er aus der Ecke des Gewölbes eine Schlange hervorkriechen, die sich der Leiche näherte. Und weil er dachte, sie käme, um daran zu nagen, zog er sein Schwert und sprach 'solange ich lebe, sollst du sie nicht anrühren,' und hieb sie in drei Stücke. Über ein Weilchen kroch eine zweite Schlange aus der Ecke hervor, als sie aber die andere tot und zerstückt liegen sah, ging sie zurück, kam bald wieder und hatte drei grüne Blätter im Munde. Dann nahm sie die drei Stücke von der Schlange, legte sie, wie sie zusammengehörten, und tat auf jede Wunde eins von den Blättern. Alsbald fügte sich das Getrennte aneinander, die Schlange regte sich und ward wieder lebendig, und beide eilten miteinander fort. Die Blätter blieben auf der Erde liegen, und dem Unglücklichen, der alles mit angesehen hatte, kam es in die Gedanken, ob nicht die wunderbare Kraft der Blätter, welche die Schlange wieder lebendig gemacht hatte, auch einem Menschen helfen könnte. Er hob also die Blätter auf und legte eins davon auf den Mund der Toten, die beiden andern auf ihre Augen. Und kaum war es geschehen, so bewegte sich das Blut in den Adern, stieg in das bleiche Angesicht und rötete es wieder. Da zog sie Atem, schlug die Augen auf und sprach 'ach, Gott, wo bin ich?' 'Du bist bei mir, liebe Frau,' antwortete er, und erzählte ihr, wie alles gekommen war und er sie wieder ins Leben erweckt hatte. Dann reichte er ihr etwas Wein und Brot, und als sie wieder zu Kräften gekommen war, erhob sie sich, und sie gingen zu der Türe, und klopften und riefen so laut, daß es die Wa chen hörten und dem König meldeten. Der König kam selbst herab und öffnete die Türe, da fand er beide frisch und gesund und freute sich mit ihnen, daß nun alle Not überstanden war. Die drei Schlangenblätter aber nahm der junge König mit, gab sie einem Diener und sprach 'verwahr sie mir sorgfältig, und trag sie zu jeder Zeit bei dir, wer weiß, in welcher Not sie uns noch helfen können.' Es war aber in der Frau, nachdem sie wieder ins Leben war erweckt worden, eine Veränderung vorgegangen: es war, als ob alle Liebe zu ihrem Manne aus ihrem Herzen gewichen wäre. Als er nach einiger Zeit eine Fahrt zu seinem alten Vater über das Meer machen wollte, und sie auf ein Schiff gestiegen waren, so vergaß sie die große Liebe und Treue, die er ihr bewiesen, und womit er sie vom Tode gerettet hatte, und faßte eine böse Neigung zu dem Schiffer. Und als der junge König einmal dalag und schlief, rief sie den Schiffer herbei, und faßte den Schlafenden am Kopfe, und der Schiffer mußte ihn an den Füßen fassen, und so warfen sie ihn hinab ins Meer. Als die Schandtat vollbracht war, sprach sie zu ihm 'nun laß uns heimkehren und sagen, er sei unterwegs gestorben. Ich will dich schon bei meinem Vater so herausstreichen und rühmen, daß er mich mit dir vermählt und dich zum Erben seiner Krone einsetzt.' Aber der treue Diener, der alles mit angesehen hatte, machte unbemerkt ein kleines Schifflein von dem großen los, setzte sich hinein, schiffte seinem Herrn nach, und ließ die Verräter fortfahren. Er fischte den Toten wieder auf, und mit Hilfe der drei Schlangenblätter, die er bei sich trug und auf die Augen und den Mund legte, brachte er ihn glücklich wieder ins Leben. Sie ruderten beide aus allen Kräften Tag und Nacht, und ihr kleines Schiff flog so schnell dahin, daß sie früher als das andere bei dem alten König anlangten. Er verwunderte sich, als er sie allein kommen sah, und fragte, was ihnen begegnet wäre. Als er die Bosheit seiner Tochter vernahm, sprach er 'ich kanns nicht glauben, daß sie so schlecht gehandelt hat, aber die Wahrheit wird bald an den Tag kommen,' und hieß beide in eine verborgene Kammer gehen und sich vor jedermann heimlich halten. Bald hernach kam das große Schiff herangefahren, und die gottlose Frau erschien vor ihrem Vater mit einer betrübten Miene. Er sprach 'warum kehrst du allein zurück? wo ist dein Mann?' 'Ach, lieber Vater,' antwortete sie, 'ich komme in großer Trauer wieder heim, mein Mann ist während der Fahrt plötzlich erkrankt und gestorben, und wenn der gute Schiffer mir nicht Beistand geleistet hätte, so wäre es mir schlimm ergangen; er ist bei seinem Tode zugegen gewesen und kann Euch alles erzählen.' Der König sprach 'ich will den Toten wieder lebendig machen,' und öffnete die Kammer, und hieß die beiden herausgehen. Die Frau, als sie ihren Mann erblickte, war wie vom Donner gerührt, sank auf die Knie und bat um Gnade. Der König sprach 'da ist keine Gnade, er war bereit, mit dir zu sterben, und hat dir dein Leben wiedergegeben, du aber hast ihn im Schlaf umgebracht, und sollst deinen verdienten Lohn empfangen.' Da ward sie mit ihrem Helfershelfer in ein durchlöchertes Schiff gesetzt und hinaus ins Meer getrieben, wo sie bald in den Wellen versanken.
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tauchner · 5 years
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EDGAR ALLAN POE - TRAUMLAND
Dieser Weg war seltsam und verlassen, nur von bösen Engeln heimgesucht, wo ein Trugbild namens Nacht als König, stolz auf einem schwarzen Thron regiert.
Diesen Landstrich habe ich vor kurzem erst erreicht, vom düsteren Thule her. Eine wilde wundersame Gegend, außerhalb der Macht von Raum und Zeit
Tiefe Täler, grenzenlose Fluten, Klüfte, Höhlen, ewig weite Wälder, Formen, die sich nicht entdecken lassen, weil die Tränen das Gesicht bedecken. Berge stürzen immer wieder in die Meere ohne Küste. Meere, die beständig wogen und zu Feuerhimmeln streben. Grenzenlose Seen verbreiten leise unaufhaltsam stilles, totes Wasser. Wasser, das so einsam, still und kalt unterm Schnee der Wasserlilien liegt.
An den Seen, die ihre Wasserfluten ewig wachsen lassen, still und tot. Ihre Wellen liegen kalt und trostlos unterm Schnee der weißen Wasserlilien. Bei den Bergen, gar nicht weit vom Fluss, dessen Fluten wie geknebelt murmeln. Bei den grauen Wäldern und beim Sumpf, darin Molch und Kröte Obdach finden. Bei den trüben Seen und tiefen Löchern, wo die Leichengeister gerne hausen. Bei dem Ort der nur dem Unheil dient und in jedem angstgefüllten Winkel, da trifft nun der bleiche Reisende die verblassten Bilder der Vergangenheit.
Leichentuchverhüllte Formen seufzen, als sie ihn mit ihrem Hauch berühren. Weiße Formen, die vor langer Zeit und mit Schmerzen freigelassen wurden. Für das Herz, das ohne Ende leidet ist dies eine sanfte schöne Gegend. Für den Geist, der stehts im Schatten geht, ist es – oh – es ist ein goldenes Land. Aber wer dies dunkle Land bereist, fürchtet sich es offen zu betrachten. Und so werden seine vielen Rätseln niemals einem schwachen Menschenauge offenbart. So sagt es der König, der verbot, dass die Wimpern von den Augen weichen. Und so sieht die Seele, die vorübergeht alles nur wie hinter Eisengittern. Diesen Weg, so seltsam und verlassen, nur von bösen Engeln heimgesucht, wo ein Trugbild namens Nacht als König stolz auf einem schwarzen Thron regiert, bin ich aus dem dunklen Thule kommend kürzlich voller Freude heimgewandert.
Bild: Marc Chagall - Le Paysage Bleu
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Die Bürgschaft
Johann Christoph Friedrich von Schiller (* 10. November 1759 in Marbach am Neckar, Württemberg; † 9. Mai 1805 in Weimar, Sachsen-Weimar)
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Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich Damon, den Dolch im Gewande: Ihn schlugen die Häscher in Bande, »Was wolltest du mit dem Dolche? sprich!« Entgegnet ihm finster der Wüterich. »Die Stadt vom Tyrannen befreien!« »Das sollst du am Kreuze bereuen.«
»Ich bin«, spricht jener, »zu sterben bereit Und bitte nicht um mein Leben: Doch willst du Gnade mir geben, Ich flehe dich um drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit; Ich lasse den Freund dir als Bürgen, Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen.«
Da lächelt der König mit arger List Und spricht nach kurzem Bedenken: »Drei Tage will ich dir schenken; Doch wisse, wenn sie verstrichen, die Frist, Eh' du zurück mir gegeben bist, So muß er statt deiner erblassen, Doch dir ist die Strafe erlassen.«
Und er kommt zum Freunde: »Der König gebeut, Daß ich am Kreuz mit dem Leben Bezahle das frevelnde Streben. Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit; So bleib du dem König zum Pfande, Bis ich komme zu lösen die Bande.«
Und schweigend umarmt ihn der treue Freund Und liefert sich aus dem Tyrannen; Der andere ziehet von dannen. Und ehe das dritte Morgenrot scheint, Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint, Eilt heim mit sorgender Seele, Damit er die Frist nicht verfehle.
Da gießt unendlicher Regen herab, Von den Bergen stürzen die Quellen, Und die Bäche, die Ströme schwellen. Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab, Da reißet die Brücke der Strudel herab, Und donnernd sprengen die Wogen Dem Gewölbes krachenden Bogen.
Und trostlos irrt er an Ufers Rand: Wie weit er auch spähet und blicket Und die Stimme, die rufende, schicket. Da stößet kein Nachen vom sichern Strand, Der ihn setze an das gewünschte Land, Kein Schiffer lenket die Fähre, Und der wilde Strom wird zum Meere.
Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht, Die Hände zum Zeus erhoben: »O hemme des Stromes Toben! Es eilen die Stunden, im Mittag steht Die Sonne, und wenn sie niedergeht Und ich kann die Stadt nicht erreichen, So muß der Freund mir erbleichen.«
Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut, Und Welle auf Welle zerrinnet, Und Stunde an Stunde ertrinnet. Da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Mut Und wirft sich hinein in die brausende Flut Und teilt mit gewaltigen Armen Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen.
Und gewinnt das Ufer und eilet fort Und danket dem rettenden Gotte; Da stürzet die raubende Rotte Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort, Den Pfad ihm sperrend, und schnaubert Mord Und hemmet des Wanderers Eile Mit drohend geschwungener Keule.
»Was wollt ihr?« ruft er vor Schrecken bleich, »Ich habe nichts als mein Leben, Das muß ich dem Könige geben!« Und entreißt die Keule dem nächsten gleich: »Um des Freundes willen erbarmet euch!« Und drei mit gewaltigen Streichen Erlegt er, die andern entweichen.
Und die Sonne versendet glühenden Brand, Und von der unendlichen Mühe Ermattet sinken die Kniee. »O hast du mich gnädig aus Räubershand, Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land, Und soll hier verschmachtend verderben, Und der Freund mir, der liebende, sterben!«
Und horch! da sprudelt es silberhell, Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen, Und stille hält er, zu lauschen; Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell, Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell, Und freudig bückt er sich nieder Und erfrischet die brennenden Glieder.
Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün Und malt auf den glänzenden Matten Der Bäume gigantische Schatten; Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn, Will eilenden Laufes vorüber fliehn, Da hört er die Worte sie sagen: »Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.«
Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß; Ihn jagen der Sorge Qualen; Da schimmern in Abendrots Strahlen Von ferne die Zinnen von Syrakus, Und entgegen kommt ihm Philostratus, Des Hauses redlicher Hüter, Der erkennet entsetzt den Gebieter:
»Zurück! du rettest den Freund nicht mehr, So rette das eigene Leben! Den Tod erleidet er eben. Von Stunde zu Stunde gewartet' er Mit hoffender Seele der Wiederkehr, Ihm konnte den mutigen Glauben Der Hohn des Tyrannen nicht rauben.«
»Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht, Ein Retter, willkommen erscheinen, So soll mich der Tod ihm vereinen. Des rühme der blut'ge Tyrann sich nicht, Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht, Er schlachte der Opfer zweie Und glaube an Liebe und Treue!«
Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor, Und sieht das Kreuz schon erhöhet, Das die Menge gaffend umstehet; An dem Seile schon zieht man den Freund empor, Da zertrennt er gewaltig den dichter Chor: »Mich, Henker«, ruft er, »erwürget! Da bin ich, für den er gebürget!«
Und Erstaunen ergreifet das Volk umher, In den Armen liegen sich beide Und weinen vor Schmerzen und Freude. Da sieht man kein Augen tränenleer, Und zum Könige bringt man die Wundermär'; Der fühlt ein menschliches Rühren, Läßt schnell vor den Thron sie führen,
Und blicket sie lange verwundert an. Drauf spricht er: »Es ist euch gelungen, Ihr habt das Herz mir bezwungen; Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn – So nehmet auch mich zum Genossen an: Ich sei, gewährt mir die Bitte, In eurem Bunde der dritte!«
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caprano · 5 years
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Egon Erwin Kisch: Prager Pitaval - Kapitel 4
     Drei Prozesse eines trinkfesten Herzogs      
Die Regierung des Herzogs Heinrich XI. von Niederschlesien (1560 bis 1581) war solcherart: Er zechte auf Pump und pumpte auf die Zeche. »Leben und leben lassen« mag seine Devise gewesen sein, und er wurde ihr zumeist auf fremde Kosten gerecht. Alltäglich betrank er sich mit seinen Freunden und seinem Hofstaat, immerfort war er auf Reisen, ließ sich durch Geschenke erfreuen und erfreute durch Geschenke. Solch schlaraffisch Treiben behagte allen denen, die daran beteiligt; aber weidlich, auszuschroten wußten es die Feinde und Neider, deren er genug hatte.
Seine Gattin Sophia von Anspach, die vier Jahre älter war als er, ließ er nicht ins Schlafgemach, sondern hatte fremde Weiblein und Mägdlein viel lieber; und als sich die Frau Herzogin einmal über die Anwesenheit eines solchen Dämchens an der Hoftafel beklagte, gab Seine Fürstliche Gnaden Ihrer Fürstlichen Gnaden eine Maulschelle, welche männiglich von der anspachischen Sippschaft gegen ihn aufbrachte.
Aus dem Piastengeschlechte stammend, hoffte er, die Nachfolge des kinderlosen Königs von Polen antreten zu können. Als ihm Heinrich von Valois vorgezogen wurde, faßte er den noch abenteuerlicheren Plan, die jungfräuliche Königin Elisabeth von England zu heiraten. Dann wollte er im Dienste des Prinzen von Condé, des Hugenottenführers, in Frankreich Kriegsdienste leisten. Es kam aber nicht zur Aktion, und der Herr Herzog, halb Gargantua und halb Don Quichotte, zog      weiterhin zechend und zechprellerisch durch die deutschen Lande.
Niemand wollte ihn mehr aufnehmen, längst waren seine Kleinodien den Händen der Wucherer verfallen, zu Hause in Liegnitz ging alles drunter und drüber. Von seinem Bruder, dem Herzog Friedrich IV. in Hainau, geschürt, lehnten sich die niederschlesischen Landstände gegen ihren bummelnden Fürsten auf, und Kaiser Rudolf II. mußte einschreiten. Wie sehr der bleiche Habsburger, der sich auf dem Hradschin eingesponnen hat in Mystizismus, Katholizismus und Kunst, den freizügigen, der Völlerei ergebenen Schlesier lutheranischen Ketzerglaubens und slawischen Stammes hassen mag, der sich als Soldat immer auf antihabsburgischer Seite engagiert – man kann es sich denken.
Da Heinrich zum erstenmal in Sachen seines Streites mit den Landständen am Prager Hofe weilt, ist Rudolf allerdings noch nicht Kaiser; wir schreiben 1575, seines Vaters letztes Regierungsjahr. Über die Fahrt erzählt uns der drollige Hans von Schweinichen, des Herzogs Kämmerer und Pumpmarschall, Famulus und Sancho Pansa, Mundschenk und Saufkumpan, in seinen Memoiren: »Am 13. August dieses 1575ten Jahres sind wir von Liegnitz aufgebrochen mit zwei Kutschen, eine zu sechs und eine zu vier Rossen, und sind Herr Aßmann von Küttlitz, ich, Kaspar Heilung, Andre Mohaupt, ein Secretarius und zwei Jungen mitgewesen. Wir zogen über Hainau, Bunzlau, Görlitz, Zittau, Jung-Bunzlau, Brandeis auf Prag zu. Da denn Ihro Römisch-Kaiserliche Majestät, um der Liegnitzschen Landschaft in den schweren Schuldensachen wider Ihro Fürstliche Gnaden Herzog Heinrich zu helfen, nach Prag Gerichtstag angesetzt hatten, wollten Ihro Fürstliche Gnaden zuvor etliche Reichs- und Kurfürsten um ihren Beistand ersuchen. Zum Kaiser kam der Herzog gar nicht, sondern ließ durch mich bei dem Oberst-Hofmeister die Ursache vermelden, warum er die Post nehme, um ins Reich zu reiten, womit Ihro Kaiserliche Majestät auch zufrieden waren. Also      ritten Ihro Fürstliche Gnaden von Prag aus weg. Für je zwei Meilen Postweg mußte für einen Klepper eine Krone gegeben werden. Den ersten Tag postierten wir zwölf Meilen bis nach Pilsen. Allda waren Ihro Fürstliche Gnaden und die Diener so müde, daß ich vor meine Person mag zeitlebens nicht müder gewesen sein. Ich hätte zwar den Abend gerne gegessen, hatte aber die Kraft nicht mehr, um mir ein Ei aufzuschlagen, blieb ungegessen, nahm das Kissen, das ich auf dem Sattel führte, legte es mir zu Häupten auf eine Bank und schlief so sanft, als ich mein Tage im Bette nicht geschlafen habe. Wir waren im Posthause liegengeblieben, der Meinung, um Mitternacht wieder auf zu sein, doch tat der Schlaf so sanfte, daß wir des Tages nicht gewahr wurden.« Von Pilsen geht die Kavalkade über Waldmünchen, Regensburg und Augsburg nach Heidelberg zum Kurfürsten, der eben dem verjagten Prinzen von Condé Zuflucht gewährt und auch dem Liegnitzer Herzog zusagt, »daß er ihm Beistand wider seine Untertanen und Landschaft gen Prag zuordnen wolle«.
In Mainz bekommt Heinrich vom Kurfürsten ein Interzessionsschreiben, in Speyer hält der Herzog mit den hervorragendsten Juristen Rat ab und läßt sich von ihnen für hundert Gulden ungarisch ein Rechtsgutachten über den Streit mit den Landständen ausstellen, im Kloster Pfaffenhofen verspricht der bayrische Herzog dem schlesischen seine Einflußnahme am Kaiserhof, und in Neuburg der Pfalzgraf.
Dann geht es nach Prag zurück. Die Reise hat fünfzehnhundert Taler gekostet, »und sind in dieser kurzen Zeit, nämlich in zwei und einer halben Woche, über zweihundertneun Meilen gereist, dabei auch viele Tage stille gelegen und nichtsdestoweniger auch sehr getrunken ... Wie Ihro Fürstliche Gnaden nun nach Prag gekommen waren, ritten sie alsbald nach Hofe und meldeten sich bei den Herren Offizieren (Beamten) an und erlangten von Ihro Kaiserlichen Majestät, daß das Verhör auf acht Tage aufgeschoben ward, bis Ihro Fürstliche Gnaden den erbetenen Beistand erlangen konnte. Also mußte die Landschaft      mit großen Kosten daliegen. Die Verhandlung verzog sich von einem Tag zum anderen, bis zuletzt nach etwan sechs Wochen Ihro Fürstliche Gnaden vor den Offizieren eine Stunde verhört wurden. Trotzdem der Herzog achtzehn Kur- und fürstliche Reichs-Abgesandte zum Beistand hatten, ward aus der Sache nichts, sondern es kam der Bescheid, Ihro Kaiserliche Majestät wollten ehestens eine Commission in Schlesien legen, von der sollten die Sachen gehört und verglichen oder beschieden werden. Es zog also die Landschaft wieder anheim, und es blieb alles, wie es zuvor gewesen«.
Den Herzog ficht's wenig an. Er bleibt in Prag, was man verständlich finden muß; denn einerseits lockt ihn nichts nach Liegnitz, wo die Kommission auch ohne sein Beisein feststellen wird, daß er sich und dem Lande eine Schuldenlast von nicht weniger als 485 466 Talern und 25 Weißgroschen aufgebürdet hat, und andererseits ist ein Aufenthalt in Prag nicht das Schlimmste; wird ja gerade die Königskrönung Rudolfs vorbereitet mit Turnieren, Ringrennen und wohl auch mächtigen Zechgelagen, bei denen sich der lebenslustige Liegnitzer gerne finden läßt. »Ich hatte die Zeit eine schwere Aufwartung«, seufzt Schweinichen, sein treuer Wardein, »vornehmlich als dem frommen Herrn das Geld ausging und ich die Hebräer ersuchen mußte, auf Pfand zu leihen. Indessen nahmen Ihro Fürstliche Gnaden einige Teilungen vor und bekamen dadurch etliche hundert Taler, so daß sie fünf ganze Wochen nach der Audienz in Prag endlich abzahlen konnten.«
Die Kolonne bricht wieder auf, der Herzog und sein Hofmarschall Schweinichen, der Thüringer Kaspar Heilung, der Breslauer Martin Seidenberger, der Sekretär Andreas Mohaupt, zwei Jungen, drei reisige Knechte, ein Koch und die Kutsch- und Pferdeknechte. Mit vier Reitpferden, einem sechsspännigen Wagen und einer dreispännigen Breslauer Mietkutsche fahren sie aus dem Prager Stadttor. Der Herzog hat keinen Pfifferling mehr als dreihundertdreiundfünfzig Taler bei sich, der Reisemarschall trägt in seinem Beutel ein Privatvermögen      von – drei Talern. Wollen sie damit bis Liegnitz auskommen? Oh, Heinrich XI. von Niederschlesien will noch viel weiter, will nach Venedig, nach Welschland und auf die Armada – nach Hispanien.
Keineswegs kommen sie so weit. Sie unterhalten sich zwar ganz gut, dieser vorshakespearesche und ungebesserte Prinz Heinz, sein Falstaff mit dem Schweinenamen und die übrige Sippschaft, aber sie haben mehr Schande als Ehre zu bestehen; Gerichtsverhandlungen, Pfändungen, Prellereien, Bettelgänge und Abweisungen, schimpfliche Händel in Köln, Utrecht und Emmerich sind die Etappen dieses zwei Jahre währenden Bummels.
Im Januar 1579 reitet der Herzog mitsamt seinem Stabe nach Krummau – »Krommenau« steht in Schweinichens Memoiren – zur Hochzeit des reichen Herrn Wilhelm von Rosenberg. »Die goldenen Ketten aber und was sonst zu einem stattlichen Aufzug nötig war, mußten wiederum geliehen werden, und zur Zehrung hatten Ihro Fürstliche Gnaden nicht über zweihundert Taler bei sich. Folgenden Tages ritten Ihro Fürstliche Gnaden mit dem Herrn Bräutigam der Braut entgegen, welche eine Pfalzgräfin von Platten war, hatten zweiunddreißig Rosse und drei Trompeter bei sich und waren viel besser staffiert als die sechshundert böhmischen Herren.« Beim Einzug hatte man das Gespenst, die »Loretta« genannt, um den Turmknauf herumtanzen sehen, welches kein gutes Zeichen gewesen sein soll. Sieben Tage hat man mit Tanzen, Fechten, Ringelrennen, Mummerei, Feuerwerk und anderer Kurzweil zugebracht.
Mit schmatzendem Behagen schreibt Schweinichen das Verzeichnis des Aufwandes ab, das er sich aus der Küche verschafft hat: 113 ganze Hirsche, 98 Wildschweine, 162 Rehe, 2229 Hasen, 470 Fasanen, 3910 Rebhühner, 22 687 Krammetsvögel, 88 westfälische Schinken, 600 indianische Hühner, 3000 gemästete Kapaunen, 12 888 gemästete Hühner, 2500 junge Hühner, 2687 Schöpse, 1579 Kälber, 3550 Gänse, 40 837 Eier, 117 Zentner Schmalz, 39 Tonnen Fett, 15 800 Hechte; er spezialisiert die      6000 Eimer verschiedenen Weines und die 7000 Eimer verschiedenen Bieres und notiert die Gesamtpreise für Gewürz und Marzipan und Pferdefutter. »Die Kleidung, Mummerei, Feuerwerk und dergleichen«, so fährt er fort, »soll allein über 40 000 Taler gekostet haben, und außerdem hat man in allen Dörfern der Herrschaft arme Leute gespeist. Was dabei draufgegangen, kann man nicht wissen. Wie nun die Hochzeit ein Ende hatte, konnten Ihro Fürstliche Gnaden wegen Mangels an Geld nicht aus der Herberge kommen. Nachdem ich den Herrn Bräutigam vergebens angesprochen hatte, lieh mir endlich ein Zwerg hundert Gulden auf die Kette der Herzogin ...«
Im selbigen Jahre sind Heinrich, seine Gemahlin, ihre Töchter und ein großmächtiger Hofstaat wieder in Prag. Täglich speisen über zweiundfünfzig Personen an ihrer Tafel, und da kein Geld und keine Ordnung im Haushalt ist, wachsen die Schulden während dieses anderthalb Jahre dauernden Prager Aufenthalt ins Ungemeine.
Ein böhmischer Landedelmann, der Herr von Schwamberg, läßt beim Herrn Herzog anfragen, ob er dessen Tochter Emilie zur Gemahlin erhalten könne; bejahendenfalls würde er dem herzoglichen Schwiegervater zehntausend Taler leihen. Zur Anfrage bedient sich der Aristokrat eines »Schadchens«, wie jüdische Ehevermittler wohl schon damals geheißen haben. Den Herzog locken die zehntausend Taler, die ihm als Bezahlung seines fürstlichen Samens selbstverständlich vorkommen mögen, aber das Fräulein hat keine Lust, sich zu diesem Kuhhandel herzugeben. Nichtsdestoweniger bemüht sich der Ehevermittler um die Angelegenheit, so daß der Haushofmeister Schweinichen beauftragt wird, auf das Schloß des Freiers zu reisen und sich von der Ernsthaftigkeit seiner Absichten (betreffs der zehntausend Taler vor allem!) zu überzeugen: »Wie ich nun dahin komme, finde ich zwar alle Dinge vollauf wie bei einem reichen Manne, aber in jedem Winkel steckte eine Hure, und der Herr hatte die Franzosen       [Fußnote] dazu,      war auch ziemlich alt; Wie ich nun sonsten mit dem Herrn wohlbekannt wurde, rühmte er mir seinen Hurenstand höchlichst, führte mich auch zu den räudigen Frauenzimmern zum Trunk. Da sagte ich zu dem Herrn, wenn es aus der Heirat mit meines Herrn Tochter etwas werden sollte, so müsse er diese Mäuslein alle von sich tun. Darauf merkte ich wohl, daß es dem Herrn um seine Frauenzimmer mehr zu tun war als um das Fürstliche, und befand, daß es mir nicht gebühren würde, in dieser Sache ferner zu handeln. Es kam auch heraus, daß der Vermittler auf eigene Hand, um ein Geschenk zu erlangen, meinem Herrn blauen Dunst vorgemacht hatte. Mit der Darleihung der zehntausend Taler wurde es nun nichts, er bewilligte mir nur, nebst einem anderen Herrn, für fünfhundert Taler Bürge zu werden.«
Um die zweite Herzogstochter, Prinzessin Anna Marie, wirbt ein reicher und schöner Herr aus Österreich; der Herr von Kaischan will Prinzessin Anna Marie heiraten und erbietet sich, hunderttausend Taler als Widerlager in Schlesien anzulegen, die ihr nach seinem Tode gehören sollen. Der Herzogin gefällt der Brautwerber, und der Prinzessin wäre er recht, wenn sie auch vorgibt, sie wolle nicht außerhalb des Fürstenstandes freien.
Aber der Herzog, so scharf er auf die hunderttausend Taler ist, gibt nicht die Einwilligung zur nicht standesgemäßen Ehe seiner Tochter. Er möchte gerne den Nikolaus von Hassenstein zum Schwiegersohn, und zu dem ist wieder das Fräulein nicht zu bereden.
So zergehen diese Ehegeschäfte, und im herzoglichen Haushalt in Prag führt Schmalhans statt Schweinichen das Amt des Küchenmeisters. Der Herzog frißt und säuft sich zwar an der Tafel der Freunde an, jedoch die Herzogin und die Fräuleins müssen beinahe fasten, und die Rosse kriegen einmal zwölf Tage lang kein Futter, so daß sie an den Krippen zu nagen beginnen und umstehen. Trotz aller Interventionen wird der Rechtsstreit, der zwischen Heinrich XI. und seinem Bruder      Friedrich und den mit diesem verbündeten niederschlesischen Ständen bei Hofe anhängig ist, immer wieder verschleppt. Und wie drängen die Gläubiger!
In diesen Jammertagen wendet sich der protestantische Fürst eigenhändig an den päpstlichen Gesandten am Prager Schloß um ein Darlehen von zweihundert Gulden. Und es ist für die Zeit wie für beide Teile charakteristisch, wie sie sich verhalten. Der Nuntius antwortet: »Wenn der Herzog die alte katholische Religion wiederaufnehmen und in seinem Lande fortpflanzen will, so soll er nicht zweihundert, sondern tausend und aber tausend Gulden erhalten, auch alsbald wieder in sein Fürstentum eingesetzt werden; sonst kann ich es vor dem Heiligen Vater nicht verantworten, seinen Religionsfeinden in der Not beizuspringen; das hieße dem Teufel ein Licht anstecken.« Obwohl die Bedrängnis groß ist, hängt der sonst so leichtfertige, ja, beim Geldborgen vollkommen skrupellose Herzog aus slawischem Dynastenhause doch zu fest an der Lehre Martin Luthers, um nicht den versucherischen Brief von sich zu werfen: »Was liegt mir an dem losen Pfaffen; will er mir nicht Geld leihen, so mag er es lassen. Wenn der Teufel den Pfaffen geholt haben wird, will ich schon Geld haben!«
Erst am 28. September 1580 wird der Liegnitzer Streit vor dem Kaiser erledigt. Alle Fürsten und Adelsherren, die Herzog Heinrich XI. zum Beistand hatte bitten lassen, stellten sich am Morgen dieses Tages in seiner Wohnung ein und ritten, ihrer sechsundfünfzig, mit ihm nach Hofe, welches auf Kaiser Rudolf gewiß Eindruck machte. Heinrichs Bruder und Prozeßgegner, Herzog Friedrich IV., hatte nur zwei seiner Hofbeamten und einen Rechtsgelehrten aus Glogau mit sich. Die Verhandlung währte eine halbe Stunde, als der Kaiser erschien und der oberste Kanzler die kaiserliche Entscheidung verlas, derzufolge sich die beiden Herren aus Liegnitz nach Hause begeben sollten. Ihre Kaiserliche Majestät hätten bei dem Oberamt in. Schlesien Befehle deponiert, wie ein jeder sich verhalten sollte, und weil Herzog Heinrich so emsig und untertänig um Restituierung      in sein Fürstentum angehalten, so wolle der Kaiser diese Bitte genehmigen. Alles übrige werde der Bischof von Breslau anordnen. Mit diesem Bescheid war Heinrich sehr zufrieden, bedankte sich in einer zierlichen Rede für das gerechte Urteil und fuhr nach Schlesien zurück, wo wieder starke Räusche gefielen. Am 27. Oktober ward auf dem Liegnitzer Schloß durch den Bischof von Breslau die kaiserliche Resolution eröffnet, dahin lautend, Herzog Heinrich solle zu Liegnitz und Herzog Friedrich zu Hainau residieren, beide zugleich Regenten sein und die Einkommen friedlich und brüderlich miteinander teilen.
Kommt nun Ordnung und Einigung zustande? Keineswegs. Auf Heinrichs XI. Schloß fängt das Gesaufe und Gepumpe wieder an, der Herzog »administrieret keine justitia« und bekommt Händel mit der Landschaft, die von neuem gegen ihn harte Klage führt. Deshalb geht er auch nicht selbst zum Fürstentag, der für den 28. April 1581 nach Breslau ausgeschrieben ist, sondern schickt zwei Gesandte hin, womit er klug handelt, denn man hätte ihn ins Gefängnis gesteckt, wäre er selbst gekommen. In seiner Abwesenheit wird gegen ihn ein Beschluß gefaßt und in Klageform dem Kaiser überreicht, wie aus einem Gedicht zu ersehen ist, das in zeitgenössischer Handschrift in der Berliner Staatsbibliothek liegt, achtundvierzig Strophen auf acht Quartblättern und des Titels: »Daz lied vom liegnitzer Putter Kriege.«
Dieser Butterkrieg war dadurch entstanden, daß der Kaiser kurz nach dem Breslauer Fürstentag den Herzog Heinrich zur Ableistung seines Lehenseides nach Prag fordert. Seine Fürstliche Gnaden entschuldigt sein Fernbleiben – mit Krätze und bleibt auch, als die Aufforderung wiederholt wird, dabei, wegen Krätze nicht am Kaiserhof erscheinen zu können. Daraufhin befiehlt Rudolf II. den schlesischen Ständen, Liegnitz mit Krieg zu überziehen und den Herzog zum Gehorsam zu zwingen. Es kommt nun am 8. Juni zu einer ziemlich fidelen Umzingelung von Liegnitz, bei der die Belagerten der feindlichen      Belagerungsarmee erlauben, rottweise, das heißt zu zehn Mann auf einmal, in die Stadt zu kommen und sich Proviant zu kaufen, zumeist Brot und Butter, woher auch der Spottname »Butterkrieg« stammt. Das erwähnte Spottgedicht beschreibt diese recht unkriegerische Maßnahme so:
»Der feinde man sich erbarmen must       Zwo stund vor abendt man sie einließ       Mit einer Anzal Volck,       Speis und Tranck wardt in aus der stad gefolgt       Umbs gelt wer daz nur wolte.«
Der »Krieg« endet nach kurzer Dauer damit, daß der Herzog im Lager des Gegners den Lehenseid leistet und sich verpflichtet, der kaiserlichen Vorladung Folge zu leisten. Schweinichen beschließt seine Beschreibung des Feldzuges mit einem Stoßseufzer über die Greuel des Krieges: »Es waren doch dabei drei Personen umgekommen, ob sie aus Furcht oder anderen Ursachen gestorben, ist mir nicht wissend, aber erschossen ist keiner worden. Gott behüte uns vor dergleichen Unrat gnädig. Amen!«
Nach dergestalt heiterer Kampagne zieht Herzog Heinrich zum dritten Male gen Prag vor des Kaisers Gericht. Und hier wird nun seines Lebens Fastnachtsspiel zur Tragödie. Herzog Friedrich, der Bruder, ist auch da und zeugt wider ihn – ein Bruderzwist am Hof des Bruderzwists. Heinrich ist beschuldigt, gegen den Kaiser gerüstet, mit den Polen konspiriert, Schulden gehäuft, keine Gerichtsbarkeit eingerichtet zu haben, und er erfährt, daß er »bestrickt«, das heißt in Haft genommen werden soll.
Zur Flucht will er sich anfangs nicht entschließen, hernach ist sein Quartier – er ist im Hause der kaiserlichen Furiere untergebracht – allzu gut bewacht. »Am 12. August 1581«, so erzählt das Tagebuch Schweinichens, »kommt ein kaiserlicher Trabant und zeigt an, daß der Herzog sich morgen um neun Uhr in der Tafelstube einstellen sollte und ferneren Bescheids      erwarten. Da schoß ihm das Blatt und wäre diese Nacht gerne fortgewesen, doch war das Haus auf allen Seiten mit Wachen umstellt, auch eine ins Haus gelegt worden. Des Morgens früh, um sieben Uhr, ritten Ihro Fürstliche Gnaden gen Hof, um, wie bräuchlich, in dem großen (Wladislawschen) Saal allda zu spazieren, während ich für meine Person ins Wartezimmer ging, um mich nach neuer Zeitung umzutun. Wie ich nun dahin komme, höre ich, daß dem Kaiser sein Thron aufgeschlagen und allenthalben Schranken gezogen worden seien, gerade wie damals, als Ihro Majestät einem Böhmen Leib und Leben abgesprochen hatten. Dessen erschrak ich denn sehr und meldete es Ihro Fürstliche Gnaden. Wie es nun an neun Uhr kommt, zieht die Guardia (Wache) mit Trommeln und Pfeifen auf, welches Ihro Fürstliche Gnaden noch furchtsamer machte, da es sonst an Wochentagen nicht bräuchlich, die Wache aufzuführen. Ihro Fürstliche Gnaden schickten wohl mich und andere auf Kundschaft aus, aber es war alles still und nichts lautbar. Sie wären noch gerne fortgewesen, aber es war unmöglich, da die Wachen allbereit heimlich bestallt waren. Wie nun der Herzog um neun Uhr ins Wartezimmer kommt, stund allbereit die ganze Guardia in dem Zimmer, wo der Aktus vorgenommen werden sollte, im gleichen war auch alles Hofgesinde, Herzog Friedrich und die Gesandten der Landschaft präsent. Ihro Fürstliche Gnaden stellten sich etwas freudiger als sie waren, damit man ihr die Bangigkeit nicht anmerken sollte. Kurz darauf wird des Kaisers Zimmer eröffnet, und der Herr von Rosenberg, Herr von Bernstein und andere Offiziere der Krone Böhmens kommen heraus, und der Herr von Rosenberg setzt sich zu Füßen des kaiserlichen Thrones, bis das Volk ein wenig stille war. Darauf stund er auf und eröffnete mit einer zierlichen Rede Ihrer Kaiserlichen Majestät Gemüte, worin alle Punkte wiederholt waren, welche meinem Herrn auch im Liegnitzischen Kriege vorgehalten worden waren. Der Beschluß der Rede war der Befehl, Herzog Heinrich sollte sich in des Kaisers Gehorsam geben und sich einstellen, wohin er      gewiesen werde. Darauf führte der Herzog eine solche Rede, daß sich männiglich darüber verwunderte, und widerlegte mit gewissen starken Gründen alle die Bezichten, so ihm aufgelegt werden wollten. Letztlich bat er, der Kaiser wollte ihn mit dieser Bestricknis allergnädigst verschonen und ihn selbst zu Verantwortung kommen lassen, und zwar mit solchem Eifer, daß die kaiserliehen Offiziere (Beamten) aufstunden mit Vermeidung, sie wollten Ihrer Majestät solche Entschuldigung untertänigst vorbringen.
Bald kamen sie wieder, und der von Rosenberg zeigte an, daß der Kaiser es bei der vorigen Anordnung verbleiben ließ, sich aber erböte, der Sachen nachzudenken und alsdann den Herzog ferner zu bescheiden. Obwohl nun der Herzog seine Unschuld ferner ausführen wollte, so war doch kein Gehör mehr, sondern der von Rosenberg brach ab, nahm Ihro Fürstliche Gnaden bei der Hand und sagte: ›Es wäre also des Kaisers Befehl, Ihro Fürstliche Gnaden sollten mit ihm gehen.‹ Darauf schrie er überlaut: ›Hans Schramm, der Kanzler, soll dem Schloßhauptmann folgen.‹ Worauf Brandano von Zedlitz zu dem Schloßhauptmann sagt, indem er auf Schrammen weiset: ›Hier steht das ehrliche Männlein.‹ Darauf zog die Guardia fort und war ein groß Gedränge, denn jeder wollte sehen, wo es hinauswollte. Es ging der Rosenberg mit dem Herzog aus dem Wartezimmer über den Platz (dritten Burghof) in die Oberzimmer über dem großen Saal. Den Kanzler sah ich dem Schloßhauptmann folgen, den alten Lossen hatte ich verloren. Ich war nicht wenig in Ängsten, da ich meinen Herrn gefangen fortführen sah, und drang mit großer Begierde nach, wie Petrus unserm Herrgott folgte, konnte aber des Gedränges wegen auf der Stiege nicht nachkommen.«
Man gestattet dem Herzog, daß ihm während seiner Haft von Schweinichen aufgewartet werde, doch stellt sich heraus, daß ergebenes Lakaientum und täglich besiegelte Zechbruderschaft keine Bindungen sind: Schweinichen erweist sich als richtiger Höfling, er verläßt seinen Herrn in der Not, um      daheim auf Schlesisch-Mertschütz frohe Honigmonde mit seinem jungen Ehegespons zu feiern und in den Dienst von Friedrich IV. zu treten, dem Feind und Nachfolger seines bisherigen Herrn.
Der Herzog Heinrich XI. hat beim Abschied von Schweinichen wie ein Kind geweint, vielleicht um solchen Undanks willen, und hat ihn mehreremal schriftlich gebeten, doch wieder zu ihm nach Prag zu kommen; aber Schweinichen hat bloß zur Antwort, »daß mein Durst nunmehro ein Ende habe, und ich könnte mich nicht aufs neue einlassen«.
So sehr hat sich alles verkehrt, daß Falstaff den Prinzen Heinz verläßt. Aber ist denn das noch der Prinz Heinz? Der Vergleich paßt nicht mehr. Er ist ein König Lear geworden, der, von Undank verfolgt, gehetzt aus einer Haft in die andere, wanken, fliehen und arm durch die Lande irren muß, eines elenden Todes stirbt und schimpflich begraben wird. Krakau 1588.      
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maerchenletter · 3 years
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Die goldene Mütze
Es gibt so viele Märchen. Manchmal hat man keinen Mut, neue zu machen. Aber hört zu, heute ist mir etwas eingefallen, das ist sonderbar. Vielleicht lohnt es sich doch, das zu erzählen, Und wenn nicht? – O, es gibt viele Papierkörbe, oder, es gibt viele Mäuse, die kriechen in die Schublade hinein und fressen alle Märchen auf.
Nun, soweit ist es noch nicht. –
Es war einmal ein König dem war seine Krone zu schwer, ja so etwas gibt es. Besonders, wenn er in den Gerichtssaal ging, bekam er Kopfschmerzen. Vielleicht war er auch zu gut, er brachte es nicht fertig, jemanden zu erhängen.
Aber der König hatte eine Frau, und die war klug. Die Frau ging auf den Speicher und durchsuchte alle Kisten und Truhen. „Lieber Mann“, sagte sie am Abend, „ich habe in der himmelblauen Schachtel meiner Urgroßmutter eine goldene Mütze gefunden. Sie ist so leicht wie eine Feder und ganz aus Brokat, sie ist herrlich anzusehen, und das Futter ist aus roter Seide.“
Der König freute sich, er probiert die Mütze an, sie sah großartig aus, und der König gab seiner Frau einen Kuss. „Ich kann sie zwar nicht immer tragen, aber für den Gerichtssaal ist sie richtig!“ „Ach, Unsinn“, meinte die Frau, „ein König kann tragen, was er will.“ Und da hatte sie wieder recht. - Also legte der König die Krone in die himmelblaue Schachtel und trug die goldene Münze.
Am nächsten Tag fragte die Königin: „Was sollen wir kochen?“ „Ach, es ist gleich“, sagte der König, „meinetwegen Klöße.“ Als die Klöße auf den Tisch kamen, schrie der König: „Was ist das für ein Essen?“ „Klöße“, sagte die Königin. „Zum Teufel!“ rief der König, „das ist kein Essen für ein Schloss!“ und er stand auf und ging. Die Königin weinte und ging in ihre Kammer. Am nächsten Tag fragte die Königin: „Was sollen wir kochen?“ „Erbsensuppe“, sagte der König. Aber als die Erbsensuppe auf den Tisch kam, schrie der König: „Ist das eine Speise für uns?“ „Warum denn nicht?“ sagte die Königin. Da schlug der König mit der flachen Hand in den Teller hinein und die Königin lief hinaus.
Aber das war trotz allem nicht das Schlimmste. Im Gerichtssaal ging es plötzlich ganz anders zu. Jeder, der etwas gestohlen hatte, sollte erhängt werden. Jeder der ein bisschen eigenartig aussah und böse Träume hatte, der sollte verbrannt werden.
„Der König muss eine Krankheit haben“, sagte der Minister. „Wir können diese Befehle nicht ausführen.“ Man fertigte also Puppen aus Holz an, die man je nach Gebrauch erhängte oder verbrannte.
Das Volk durfte nicht zusehen, und der König betrachtete alles vom Fenster aus. Nein, niemand bemerkte, was in Wirklichkeit vorging. Niemand? O, das wäre zu viel gesagt. Die Köchin hatte einen kleinen Sohn, der hieß Peter. Dieser kam jeden Tag, um die Kessel auszukratzen. Der kleine Peter wurde satt davon, das war nicht zu verwundern. Welche Köchin lässt ihren Sohn verhungern? Der kleine Peter war sehr neugierig, er war einmal hier und einmal dort, ein richtiger Wirbelwind. So stand er dann eines Tages vor der Kammer der Königin. „Ach lieber Mann, was machst du nur?“ rief die Frau, „heute gab es Sauerbraten, und du warfst das ganze Fleisch dem Diener an den Kopf.“ „Das ist meine Sache“, rief der König, „wieso ist das ein Essen für uns, das ist ein Essen für arme Leute!“ „Es ist ein Jammer, wie du dich veränderst“, sagte die Königin, „ich weiß mir nicht mehr zu helfen“.
„Schweige“, schrie der König, „das ist meine Sache. Bisher war ich ein Trottel und kein König.“ „O nein, du warst kein Trottel!“ „Doch ich war ein Trottel.“ „Nein, du warst kein Trottel.“ „So widersprich mir doch nicht!“ „Doch,“ rief die Königin, „ich muss dir widersprechen!“ Da tat der König etwas Furchtbares, er gab seiner Frau eine Ohrfeige. Das war jedoch der Königin zuviel, und sie gab ebenfalls im König eine Ohrfeige.
Dabei fiel die Mütze von seinem Kopf. Da erschrak der König. „Mein Gott“, sagte er, „was machen wir?“ „Uns schlagen“, rief die Königin und fing an, jämmerlich zu weinen. „Nein das tut mir leid“, flüsterte der König, „das wollte ich nicht!“
Der kleine Peter sah alles, er sah durch das Schlüsselloch. „Mein Gott“, dachte er, „wenn diese Bosheit nicht mit der Mütze zusammenhängt?“
Als das Königspaar schlief, schlich der Peter sich in die Kammer und stahl die goldene Mütze. Er trug sie nach Hause, wickelte sie in ein Tuch und vergrub sie im Garten. Nun wäre alles gut gegangen, wenn der kleine Junge nicht einen schwarzen Hund gehabt hätte. Dieser Hund war jung, er scharrte überall Löcher in die Erde und fand so eines Tages die kostbare Mütze. Nun traf es sich, dass der König seinen Spaziergang machte, er sah, wie der Hund mit der Mütze zwischen den Zähnen hin und hersprang. „Das ist der Hund des kleinen Peter“, sagte der Diener. „Welcher Peter?“ fragte der König. „Ei, der Sohn der Köchin.“
„So“, sagte der König, er lachte und war eigentlich gar nicht böse. Als aber der König die goldene Mütze anzog schrie er: „In den Kerker mit dem kleinen Peter!“ So geschah es. Der Knabe saß nun Tag und Nacht bei Wasser und Brot, und das Schlimmste war, dass man ihn nicht reden ließ. Der kleine Peter grübelte, er weinte nicht. – „Solange ich atme, geht es noch“, dachte er, und das ist wahr. Der Kerker war nicht gerade hässlich, trockenes sauberes Stroh lag auf dem Boden, und wenn der Knabe sich auf die Holzbank stellte, sah er zum Fenster hinaus. Da erblickte er den wunderschönen Garten der Königin. Niemand in der Stadt wusste wie er aussah. Wie freute der kleine Peter sich. So ein königlicher Garten ist ja was etwas Besonderes. Es gibt der Blumen aus fremden Ländern und eben solche Vögel, die auf goldenen Stangen sitzen. Ihre Flügel, wenn sie ausgebreitet sind, haben den Glanz von Edelsteinen. Und die Gesänge solcher paradiesischer Geschöpfe klingen seltsam. Doch zuweilen sind sie traurig, sie steigen wie die Sprossen einer unendlichen Leiter hinauf in den Himmel. „Nein geht nicht fort, ihr schönen Lieder“, dachte der kleine Peter, und da er nicht sprechen durfte, fing er an zu singen, die Vögel erhoben ihre Köpfe und wandten sich ganz dem Menschenkinde zu, schlugen mit den farbigen Schwingen und lauschten.
„Gold’ne Mütze, gold’ne Mütze sag, was bist du für ein Ding?
Eines Zwerges gold’ne Hütte, eines Riesen Fingerling?
Dunkles Schicksal für den Menschen, und ein Rätsel für ein Kind. Deine blitzend bunten Fäden sind der Hexe Angebind!“
„Der kleine Peter muss sterben“, dachte der König. Aber es war ihm zu Ohren gekommen, dass man Puppen verbrannte und erhängte.
Der König ordnete an, dass der Knabe öffentlich auf dem Marktplatz erhängt werden sollte, und der König selbst wollte zusehen. Die Königin weinte. Sie nahm köstliche Früchte und Zuckergebäck, steckte die Dinge auf eine Stange und schob sie durch die Gitterstäbe des Kerkers. Ach, der kleine Peter freute sich, und er ahnte sein Unglück nicht. Er schaute in den Garten hinein, wo jetzt die Söhne des Königs mit silbernen Bällen spielten. Er sah die Wasserspiele, die weißen glänzenden Mädchen aus Marmor, die rund um den Teich standen und sich an den Händen hielten.
Über ihren Schultern hingen Kränze aus silbernen Blumen, und die kleinen Prinzen sprangen hinauf und hingen an den schimmernden Girlanden wie Schmetterlinge. In der Mitte eines Brunnens erhob sich ein Wassermann aus grauem Stein, er trug einen schwarzen Käfig auf seinen Kopf und darin saß ein weißer Vogel. „Auf wieviele Arten die Menschen leben“, dachte der kleine Peter, „und auf wieviele Arten sie glücklich sind. Meine Mutter kocht. Wenn ihr jemand den Holzlöffel aus der Hand nähme, würde sie weinen. Mein Großvater hatte einen Acker, der war voller Steine, es war eine Qual, dort zu arbeiten und zu pflanzen. Aber hätte man meinen Großvater dieses elende Stück Land abgenommen, er hätte wohl geweint.
Die Königskinder brauchen einen Garten mit so viel unnützen Dingen, und ich selbst bin zufrieden, diesen Garten nur zu sehen. Nun aber, in diesem Augenblick, wo der kleine Peter seine Gedanken zurechtlegte wie ein Mann sein Kartenspiel, in diesem Augenblick kam ein Diener in den Kerker und sagte: „Komm mit, Peter!“ „Wohin?“ fragte der kleine Junge. „Sie werden dich erhängen“, sagte der Diener. Das war kein Scherz, und wie sollte dieses allzudunkle Etwas in das bunte Kartenspiel hineinpassen?
Zuerst wurde der Knabe bleich, dann fasste er sich und ging mit dem Diener. Es waren wenige Menschen auf dem Marktplatz, ein paar alte Frauen, die strickten, einige Kinder, und sonst regte sich nichts hinter den verhangenen Fenstern. der König saß auf seinem Stuhl und hob die Hand, man legte also das Seil um den Hals des Jungen. Die alten Frauen hörten eine Weile auf zu stricken, und da nichts geschah, beugten sie ihre Köpfe und zählten die Maschen. „Das ist also auch ein Vergnügen“, dachte der kleine Peter.
„Ich frage dich“, rief nun der König, „hast du noch einen Wunsch?“ Peter nickte. „Oja“, sagte er, „gib mir eine lange Bohnenstange!“ Da lachten die Kinder, und die alten Frauen hörten auf zu stricken. „Es ist dein letzter Wunsch, und ich muss ihn dir gewähren“, sprach der König, „es ist allerdings ein dummer Wunsch.“ die Bohnenstange wurde gebracht, Peter nahm sie in seine Hände und schlug damit dem König die goldene Mütze vom Kopf. Der König wollte schimpfen, aber nun wurde er plötzlich ganz sanft.
„Was tue ich?“ fragte er leise und erschrocken sein Diener. „Ihr erhängt den kleinen Peter“, sagte der Diener. „Aber man kann doch kein Kind erhängen“, rief der König. „Das war euer Befehl“, schrien die alten Frauen, und verschiedene ließen ihre sorgsam gezählten Maschen fallen.
Da riss der kleine Peter das Seil von seinem Hals, lief auf den König zu und erzählte ihm alles.
„Ja du hast recht“, sagte der König, „verzeihe mir von ganzem Herzen.“ Ich bin froh dass ich mein Leben wiederhabe“, sagte der Knabe und lief davon. Aber die Mütze nahm er mit, die stahl er also zum zweiten Mal. Zu Hause trennte er die Naht des roten Futters auf, und was meint ihr, was darin steckte? Eine winzige kleine Fledermaus. Ehe Peter sie richtig betrachten konnte, flog sie in die Luft hinein.
Ja so ist es. Man sollte mit alten Sachen recht vorsichtig sein. Da findet man etwas wunderbares in einer hellblauen Schachtel und schließlich steckt der Teufel darin
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kallemax · 6 years
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Informationen
"Schminken Sie sich die Laienvorstellung ab, dass Information gut ist. Dass mehr Informationen besser sind. Das Telefonbuch enthält viele Informationen, aber wenn Sie eine bestimmte Nr. suchen, sind Ihnen 99,9 Prozent davon nur im Weg. … An und für sich ist Information nur ein Maß der Unordnung." David Foster Wallace - Der bleiche König
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wildwechselmagazin · 4 years
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Autokino in Lauterbach während der Prämienmarktwoche!
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Das Autokino in Lauterbach wird während der Prämienmarkt-Woche vom 10. bis zum 13. Juni laufen! Wegen Corona fällt auch der Prämienmarkt in Lauterbach dieses Jahr aus - es wäre der 250. Jubiläumsprämienmarkt gewesen. Doch stattdessen wird es in der Festwoche ein Autokino auf der »Bleiche« geben! Vom 10. - 13. Juni kann man das Autokino in Lauterbach besuchen. Zusammen mit der Agentur Zweikopf arbeitet die Stadt Lauterbach an dem Projekt. "Der Prämienmarkt findet in diesem Jahr nicht statt, aber das kulturelle Leben geht weiter", erklärt Bürgermeister Rainer-Hans Völlmöller bei einer Pressekonferenz, wie osthessen-news.de am 16.05.2020 berichtet. Die Veranstalter Jeremias Rockel, Bastian Fugmann, Kirstin Luft und André Möller wollten eigentlich auch in diesem Jahr eine Revival-Party veranstalten, die aber nun erst einmal verschoben werden muss. Stattdessen wird also das Autokino Lauterbach mit voraussichtlich 100 Stellplätzen ins Leben gerufen. Das Programm im Autokino Lauterbach Nachmittags sollen Familien-Filme gezeigt werden und abends Blockbuster. Zum Abschluss am 13. Juni soll ein Mitternachtsfilm gezeigt werden. Doch nicht nur Filme gibt es auf der Bleiche zu sehen, am Prämienmarkt-Mittwoch findet außerdem noch eine Auto-Disco statt! Doch welche Filme genau laufen sollen steht aktuell noch nicht fest. Das Programm, das laut fuldaerzeitung.de vom 15.05.2020 auf drei Leinwänden gezeigt werden soll, wird aber wohl hauptsächlich aus deutschen Filmen bestehen. Tickets gibt es online Ein Ticket pro Auto mit zwei Personen soll 20 Euro kosten, Kinder sollen sich die Nachmittagsveranstaltung kostenlos ansehen können, wie fuldaerzeitung.de weiter berichtet. Auch im Autokino Lauterbach werden die Karten online gekauft. Nach dem Kauf scannen die Mitarbeiter diese dann kontaktlos ein. Sogar Snacks und Getränke gibt es vor Ort! » Hier gibt es die Tickets Weitere Auto-Kino Termine:
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Sonntag 17. Mai 2020 Die Eiskönigin 2 11:00 Sundern (Sauerland) Autokino Sundern Parkplatz am Sorpedamm  Typ: Auto-Kino Jetzt: Ticket kaufen
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Sonntag 17. Mai 2020 Dora und die goldene Stadt 13:00 Büren, Westfalen Autokino Paderborn am Flughafen Paderborn  Typ: Auto-Kino » Abenteuer,  Familie
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Sonntag 17. Mai 2020 Feuerwehrmann Sam - Plötzlich Filmheld! 14:00 Eschwege Autokino Eschwege Festplatz Werdchen  Typ: Auto-Kino » Animation
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Sonntag 17. Mai 2020 Mina und die Traumzauberer 14:30 Homberg (Efze) Autokino Homberg  Typ: Auto-Kino » Animation
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Sonntag 17. Mai 2020 CARS 3 - Evolution 15:00 Marburg Autokino Marburg Messeplatz  Typ: Auto-Kino
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Sonntag 17. Mai 2020 Die Eiskönigin 2 15:15 Büren, Westfalen Autokino Paderborn am Flughafen Paderborn  Typ: Auto-Kino » Komödie,  Abenteuer,  Fantasy,  Musical
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Sonntag 17. Mai 2020 König der Löwen 16:00 Sundern (Sauerland) Autokino Sundern Parkplatz am Sorpedamm  Typ: Auto-Kino Jetzt: Ticket kaufen
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Sonntag 17. Mai 2020 Der Spion von nebenan 16:30 Eschwege Autokino Eschwege Festplatz Werdchen  Typ: Auto-Kino » Action / Komödie
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Sonntag 17. Mai 2020 Enkel für Anfänger 17:30 Homberg (Efze) Autokino Homberg  Typ: Auto-Kino » Komödie
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Sonntag 17. Mai 2020 Cars 3 - Evolution 17:30 Baunatal Autokino Baunatal auf dem alten Festplatz  Typ: Auto-Kino » Animation / Kinder-/Jugendfilm   Read the full article
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blog-aventin-de · 5 years
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König Drosselbart
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Märchen der Gebrüder Grimm
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König Drosselbart - Märchen der Gebrüder Grimm Ein König hatte eine Tochter, die war über alle Massen schön, aber dabei so stolz und übermütig, dass ihr kein Freier gut genug war. Sie wies einen nach dem anderen ab, und trieb noch dazu Spott mit ihnen. Einmal ließ der König ein großes Fest anstellen, und lud dazu aus der Nähe und Ferne die heiratslustigen Männer ein. Sie wurden alle in eine Reihe nach Rang und Stand geordnet; erst kamen die Könige, dann die Herzöge, die Fürsten, Grafen und Freiherrn, zuletzt die Edelleute. Nun ward die Königstochter durch die Reihen geführt, aber an jedem hatte sie etwas auszusetzen. Der eine war ihr zu dick, »Das Weinfass!« sprach sie. Der andere zu lang: »Lang und schwank hat keinen Gang.« Der dritte zu kurz: »Kurz und dick hat kein Geschick.« Der vierte zu blass: »Der bleiche Tod!« Der fünfte zu rot: »Der Zinshahn!« Der sechste war nicht gerade genug: »Grünes Holz, hinterm Ofen getrocknet!« Und so hatte sie an einem jeden etwas auszusetzen, besonders aber machte sie sich über einen guten König lustig, der ganz oben stand und dem das Kinn ein wenig krumm gewachsen war. »Ei«, rief sie und lachte, »der hat ein Kinn, wie die Drossel einen Schnabel«; und seit der Zeit bekam er den Namen Drosselbart. Der alte König aber, als er sah, dass seine Tochter nichts tat als über die Leute spotten, und alle Freier, die da versammelt waren, verschmähte, ward er zornig und schwur, sie sollte den ersten besten Bettler zum Manne nehmen, der vor seine Türe käme. Ein paar Tage darauf fing ein Spielmann an, unter dem Fenster zu singen, um damit ein geringes Almosen zu verdienen. Als es der König hörte, sprach er: »Lasst ihn heraufkommen.« Da trat der Spielmann in seinen schmutzigen, verlumpten Kleidern herein, sang vor dem König und seiner Tochter, und bat, als er fertig war, um eine milde Gabe. Der König sprach: »Dein Gesang hat mir so wohl gefallen, dass ich dir meine Tochter da zur Frau geben will.« Die Königstochter erschrak, aber der König sagte: »Ich habe den Eid getan, dich dem ersten besten Bettelmann zu geben, den will ich auch halten.« Es half keine Einrede, der Pfarrer wurde geholt, und sie musste sich gleich mit dem Spielmann trauen lassen. Als das geschehen war, sprach der König: »Nun schickt es sich nicht, dass du als Bettelweib noch länger im Schloss bleibst, du kannst jetzt mit deinem Mann fortziehen.« Der Bettelmann führte sie an der Hand hinaus, und sie musste mit ihm zu Fuß fortgehen. Als sie in einen großen Wald kamen, da fragte sie »Ach, wem gehört der schöne Wald?« »Der gehört dem König Drosselbart; Hättest du ihn genommen, so wäre er dein.« »Ich arme Jungfer zart, Ach, hätte ich genommen den König Drosselbart!« Darauf kamen sie über eine Wiese, da fragte sie wieder: »Wem gehört die schöne grüne Wiese?« »Sie gehört dem König Drosselbart;« »Hättest du ihn genommen, so wäre sie dein.« »Ich arme Jungfer zart, Ach, hätte ich genommen den König Drosselbart!« Dann kamen sie durch eine große Stadt, da fragte sie wieder: »Wem gehört diese schöne große Stadt?« »Sie gehört dem König Drosselbart; Hättest du ihn genommen, so wäre sie dein.« »Ich arme Jungfer zart, Ach, hätte ich genommen den König Drosselbart!« »Es gefällt mir gar nicht«, sprach der Spielmann, »dass du dir immer einen anderen zum Mann wünschest: bin ich dir nicht gut genug?« Endlich kamen sie an ein ganz kleines Häuschen, da sprach sie: »Ach, Gott, was ist das Haus so klein! Wem mag das elende winzige Häuschen sein?« Der Spielmann antwortete: »Das ist mein und dein Haus, wo wir zusammen wohnen.« Sie musste sich bücken, damit sie zu der niedrigen Tür hinein kam. »Wo sind die Diener?« sprach die Königstochter. »Was Diener!« antwortete der Bettelmann, »du musst selber tun, was du willst getan haben. Mach nur gleich Feuer an und stell Wasser auf, dass du mir mein Essen kochst; ich bin ganz müde.« Die Königstochter verstand aber nichts vom Feueranmachen und Kochen, und der Bettelmann musste selber mit Hand anlegen, dass es noch so leidlich ging. Als sie die schmale Kost verzehrt hatten, legten sie sich zu Bett; aber am Morgen trieb er sie schon ganz früh heraus, weil sie das Haus besorgen sollte. Ein paar Tage lebten sie auf diese Art schlecht und recht, und zehrten ihren Vorrat auf. Da sprach der Mann: »Frau, so geht es nicht länger, dass wir hier zehren und nichts verdienen. Du sollst Körbe flechten.« Er ging aus, schnitt Weiden und brachte sie heim; da fing sie an zu flechten, aber die harten Weiden stachen ihr die zarten Hände wund. »Ich sehe, das geht nicht«, sprach der Mann, »spinn lieber, vielleicht kannst du das besser.« Sie setzte sich hin und versuchte zu spinnen, aber der harte Faden schnitt ihr bald in die weichen Finger, dass das Blut daran herunterlief. »Siehst du«, sprach der Mann, »du taugst zu keiner Arbeit, mit dir bin ich schlimm angekommen. Nun will ich's versuchen, und einen Handel mit Töpfen und irdenem Geschirr anfangen: du sollst dich auf den Markt setzen und die Ware feil halten.« »Ach«, dachte sie, »wenn auf den Markt Leute aus meines Vaters Reich kommen, und sehen mich da sitzen und feil halten, wie werden sie mich verspotten!« Aber es half nichts, sie musste sich fügen, wenn sie nicht Hungers sterben wollten. Das erste Mal ging es ganz gut, denn die Leute kauften der Frau, weil sie schön war, gern ihre Ware ab, und bezahlten, was sie forderte: ja, viele gaben ihr das Geld, und ließen ihr die Töpfe noch dazu. Nun lebten sie von dem Erworbenen, solange es dauerte, da handelte der Mann wieder eine Menge neues Geschirr ein. Sie setzte sich damit an eine Ecke des Marktes, und stellte es um sich her und hielt feil. Da kam plötzlich ein trunkener Husar dahergejagt, und ritt geradezu in die Töpfe hinein, dass alles in tausend Scherben zersprang. Sie fing an zu weinen und wusste vor Angst nicht, was sie anfangen sollte. »Ach, wie wird es mir ergehen!« rief sie, »was wird mein Mann dazu sagen!« Sie lief heim und erzählte ihm das Unglück. »Wer setzt sich auch an die Ecke des Marktes mit irdenem Geschirr!« sprach der Mann. »Lass nur das Weinen, ich sehe wohl, du bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen. Da bin ich in unseres Königs Schloss gewesen und habe gefragt, ob sie nicht eine Küchenmagd brauchen könnten, und sie haben mir versprochen, sie wollten dich dazu nehmen; dafür bekommst du freies Essen.« Nun ward die Königstochter eine Küchenmagd, musste dem Koch zur Hand gehen und die sauerste Arbeit tun. Sie machte sich in beiden Taschen ein Töpfchen fest, darin brachte sie nach Haus, was ihr von dem Übriggebliebenen zuteil ward, und davon nährten sie sich. Nun trug es sich zu, dass die Hochzeit eines Königssohnes gefeiert werden sollte, da ging die arme Frau hinauf, stellte sich vor die Saaltür und wollte zusehen. Als nun die Lichter angezündet waren und immer einer schöner als der andere hereintrat, und alles voll Pracht und Herrlichkeit war, da dachte sie mit betrübtem Herzen an ihren Stolz und Übermut, der sie erniedrigt und in so große Armut gestürzt hatte. Von den köstlichen Speisen, die da ein- und ausgetragen wurden, und von welchen der Geruch zu ihr aufstieg, warfen ihr Diener manchmal ein paar Brocken zu, die tat sie in ihr Töpfchen und wollte es heim tragen. Auf einmal trat der Königssohn herein, der war in Samt und Seide gekleidet und hatte goldene Ketten um den Hals. Als er die schöne Frau in der Türe stehen sah, ergriff er sie bei der Hand und wollte mit ihr tanzen, aber sie weigerte sich und erschrak, denn sie sah, dass es der König Drosselbart war, der um sie gefreit und den sie mit Spott abgewiesen hatte. Ihr Sträuben half nichts, er zog sie in den Saal; da zerriss das Band, an welchem die Taschen hingen, und die Töpfe fielen heraus, dass die Suppe floss und die Brocken herum sprangen. Und wie das die Leute sahen, entstand ein allgemeines Gelächter und Spotten, und sie war so beschämt, dass sie sich lieber tausend Klafter unter die Erde gewünscht hätte. Sie sprang zur Türe hinaus und wollte entfliehen, aber auf der Treppe holte sie ein Mann ein und brachte sie zurück: und wie sie ihn ansah, war es wieder der König Drosselbart. Er sprach ihr freundlich zu: »Fürchte dich nicht, ich und der Spielmann, der mit dir in dem elenden Häuschen gewohnt hat, sind eins: dir zuliebe habe ich mich so verstellt, und der Husar, der dir die Töpfe entzwei geritten hat, bin ich auch gewesen. Das alles ist geschehen, um deinen stolzen Sinn zu beugen und dich für deinen Hochmut zu strafen, womit du mich verspottet hast.« Da weinte sie bitterlich und sagte: »Ich habe großes Unrecht getan und bin nicht wert, deine Frau zu sein.« Er aber sprach: »Tröste dich, die bösen Tage sind vorüber, jetzt wollen wir unsere Hochzeit feiern.« Da kamen die Kammerfrauen und zogen ihr die prächtigsten Kleider an, und ihr Vater kam und der ganze Hof, und wünschten ihr Glück zu ihrer Vermählung mit dem König Drosselbart, und die rechte Freude fing jetzt erst richtig an. Ich wollte, du und ich, wir wären auch dabei gewesen. König Drosselbart - Märchen der Gebrüder Grimm Read the full article
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Wismars Altstadtstraßen
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ABC-Straße
Sie fand erste urkundliche Erwähnung um 1279 als „Straße hinter den Minderbrüdern“ oder „achter den grauen monken“, nach dem dahinter liegenden Grauen Kloster der Franziskaner.
Nach der Reformation errichtete die Stadt hier Mietshäuser, deren Einnahmen für die im alten Kloster errichtete Stadtschule verwendet wurden. Die Häuser wurden mit den Buchstaben von A bis M gekennzeichnet und schnell entstand der Name ABC-Straße.
 Altböterstraße
Sie wird zuerst um 1342 als „Judenstraße“ bezeichnet, da Juden in Wismar unter dem besonderen Schutz der Landesherren standen, der jedoch nach der Pest von 1350 verloren ging. Nach der Vertreibung der Juden siedelten sich dann in dieser Straße die „Altböter“ an, sie reparierten alte Schuhe oder auch „olle Botten“. Die erste Straßenbezeichnung nach ihnen ist um 1470 vorzufinden.
 Altwismarstraße
Die Altwismarstraße wird schon um 1250 in der lateinischen Bezeichnung Stadtbuch als „antique wismarie“ genannt. Seit dieser Zeit ist der Name, wie 1490 beschrieben, „Olde-Wismarstrate“, geläufig, deren Name nach dem östlich der Stadt gelegenen ehemaligen „Alt-Wismar“ verweist.
 Am Hafen
Diese Straße zwischen Wassertor und Breite Straße ist verwaltungsrechtlich jung, aber historisch gesehen so alt wie der Wismarer Hafen. Am 4. Januar 1211 bestätigte im italienischen Capua Kaiser Otto IV. eine Urkunde vom 23. Mai 1209, die er als König Otto in Goslar ausstellte zur Bestätigung des Bistums Schwerin, die  „den lieben Bürgern zu Schwerin eine beliebige Anzahl von kleineren Schiffen und zwei größeren Schiffen im Hafen von Wismar zu halten“ gestattet. Diese Urkunde geht aber auf eine Fälschung zurück, die durch eine falsche Abschrift einer Urkunde von 1167 entstanden ist.
Gelegentlich wurde die Straße, ähnlich wie auch in Rostock, „am Strande“ genannt.
 Am Katersteig
Den nach dem Abriss der Stadtmauer neuen Verbindungsweg zwischen Mecklenburger Straße zur Dr.-Leber-Straße hin gab der Volksmund 1902 den Namen „Katersteig“. Der Name bildete sich aus einem früher überlieferten Namen „Katthagen“. „Katten“ nannte man Steinbrocken, die ähnlich wie die „Blieden“, als Munition in den Katapulten der nahe gelegenen Stadtmauer eingesetzt wurden.
 Am Lohberg
Um 1437 erstmals in einer Urkunde als„supra Loberge“ erwähnt, ist eine Erklärung unklar. Ein Zusammenhang mit den Gerbernund der von ihnen verwendeten Lohe, wäre nicht richtig, da Gerber hier nicht nachzuweisen sind.
 Am Markt
Der Wismarer Markt mit seinen 10.000 Quadratmetern ist schon zur Stadtgründung als solcher angelegt worden. Im ersten Stadtbuch 1255 wird er als „forum“ bezeichnet.
Hier befindet sich bis heute der politische und gesellschaftlicher Mittelpunkt Wismars.
 Am Platz
Diese Straßenbezeichnung ist erst zum Ausgang des 19. Jahrhunderts zu finden. An dieser Stelle befand sich ein ziemlich „wüster“ Platz, der neben der Lagerung von Baumaterialien unter anderem auch zum Schuttabladen verwendet wurde.
 Am Poeler Tor
Die Straßenbezeichnung entstand erst nach dem Abbruch des ehemals sehr repräsentativen Poeler Tores am 15. Januar 1870. Davor hieß sie „vor dem Poeler Tor“. Man findet diese Bezeichnung um 1250 schon recht früh als „ante portam Haroldi“, denn das Poeler Tor wurde auch „Haraldstor“ genannt. Ab 1460 gibt es die Straßenbezeichnung „vor dem Poledore“. Diese galt bis zur Schweinsbrücke hin.
 Am Schilde
Um 1359 ist die erste Bezeichnung als „Reynerus de schilde“ nachweisbar und
später „by deme schilde“, 1448 auch „up dem schilde“ sowie bis 1562 „auffm schilde“. Die Straßenbezeichnung soll auf die Ähnlichkeit mit einem mittelalterlichen Schild als Teil der Ritterrüstung zurückgehen.
 Am Ziegenmarkt
Dieser Name im Wismarer Hafenviertel existiert erst seit etwa 1750. Davor sind erste Bezeichnungen um 1290 als „apud pontem Radolfi“, was „bei der Radolfsbrücke“ heißt, und später um 1435 „bei der breiten Brücke“ oder auch „bey der Ankerschmiede“ bekannt.
Etwa in der Mitte des 18. Jahrhunderts tauchte erstmals der Name „Zehgenmarckt“ auf. Wahrscheinlich ist, dass hier für eine bestimmte Zeit mit Tieren, darunter Ziegen, gehandelt wurde, da der Marktplatz für solche Angebote nicht zugelassen war.
 Bademutterstraße
Die erste Erwähnung dieser Straße findet man 1323 als die „Straße der Familie Kröpelin“. Ab 1365 ist der Name „bademomenstrate“ nachweisbar. Die Bademutter ist die frühere Bezeichnung für die Hebamme.
   Badstaven
Im Wachtregister von 1475 wird die Straße zunächst als „in de stavenstrate“ bezeichnet. Später wurde der Name auf Badstaven erweitert. Hier befand sich eine öffentliche Badestube, von der es 1475 vier in der Stadt gab.
 Bahnhofstraße
Wismar erhielt am 12. Juli 1848 den Anschluss an das deutsche Eisenbahnnetz.
Nachdem die Häuserreihe bis zum ehemaligen Poeler Tor im Bereich der vormals hier verlaufenen Stadtmauer fertig gebaut war, benannte man diese Straße 1881 Bahnhofstraße.
 Bauhofstraße
In unmittelbarer Nähe der Stadtmauer lag auch diese Straße. Ihre erste Bezeichnung war „hinter der Mauer“. Der städtische Bauhof befand sich hier und ab 1475 ist die Bezeichnung „thegen den holthove“ gebräuchlich. Am 24. August 1876 erhielt die Straße ihren jetzigen Namen.
 Baustraße
In der Baustraße wohnten schon im Gründungsjahrhundert viele Ackerbürger
oder „Bau(ers)leute“, daher der schon 1290 erwähnte Name „Baustraße“. Die Baustraße erhielt am 21. Januar 1946 den Namen „Rosa-Luxemburg-Straße“, was 1993 wieder rückgängig gemacht wurde.
 Bei der Klosterkirche
Urkundlich wurde diese Straße 1294 als „bei den Predigerbrüdern“ wegen der
unmittelbare Nachbarschaft zur 1297 fertiggestellten Kirche der Dominikaner, die hier ein Kloster errichtet hatten, erwähnt.
Nach einigen anderen Benennungen setzte sich „Bei der Klosterkirche“ durch. Die alte Klosterkirche ist in die heutige Gesamtschule „Johann Wolfgang von Goethe“ integriert.
 Beguinenstraße
1424 taucht der Name der Beguinen, ein äußerst aktiver und bekannter Frauenorden, als Straßenname auf. Die Beguinen besaßen hier schon seit 1288 einen Convent. Die „Beginen“ waren Mitglieder einer Gemeinschaft geistlicher Laien, die ein frommes, ordensähnliches und enthaltsames Leben führten sowie dringend benötigte soziale Tätigkeiten ausübten.
 Bergstraße
Die Bergstraße erhielt am 19. Dezember 1899 ihren Namen. Hierbei spielte die kleine Steigung als „Berg“ die namensgebende Rolle.
   Bürgermeister-Haupt-Straße
1936 erhielt der Bernittenhöfer Weg zum einhundertsten Todestag des ehemaligen bedeutenden Bürgermeister Anton Haupt seinen Namen. 1976 wurde die inzwischen zweispurig, zeitweilig bis 1959 als Rennstrecke „Hanseatenring“ genutzte Straße, zusammen mit der Straße „Köppernitztal“ willkürlich in „Wilhelm-Pieck-Allee“ umbenannt. Nach der politischen Wende erfolgte durch einstimmigen Bürgerschaftsbeschluss die Rückbenennung beider Straßen in ihre traditionellen Namensgebungen
 Bleicher Weg
Erhielt 1896 seinen Namen. Hier befand sich die „kleine Bleiche“ der Färber und Gerber Wismars
 Bliedenstraße
1385 „platea bliden“ genannt und 1426 als „blidenstrate“ bezeichnet, deutet der Name auf die im Mittelalter als Verteidigungsmaschine gebaute Schleuder hin. Das ehemalige Bliedenhaus, in dem diese mittelalterlichen Kriegsmaschinen aufbewahrt wurden, lag an der Ecke zur Dankwartstraße hin.
 Blüffelstraße
Im Wachtregister von 1475 ist diese Straße zwischen Spiegelberg und St.-Nikolai-Kirchhof erstmals als „Blücherstraße“, nach Hermann von Blücher,einem Bewohner der Straße, erwähnt. Die heutige Straßenbezeichnung „Blüffelstraße“ ist eine Verballhornung des Namens über Jahrhunderte, der sich dann, trotz Gegenwehr von Seiten der Stadt, noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts durchsetzte.
 Böttcherstraße
Die 1260 erstmals erwähnte Straße ist nach den Böttchern benannt, die sich hier vornehmlich ansiedelten. Besonders für das in Wismar reichlich gebraute Bier, das um 1464 in 182 Hausbrauereien produziert wurde, stellten sie ihre Ware her. Schätzungsweise sechs Millionen Liter wurden jährlich in Wismar produziert, und einer Statistik aus dem 17. Jahrhundert kann man entnehmen, dass etwa 320 Liter Bier pro Person und Jahr in Wismar getrunken wurden.
 Bohrstraße
1258 hieß sie einfach „große Straße, auf welcher man zur Grube herabsteigt“. Ab 1260 bürgerte sich der Name „Straße gegenüber Bozen Haus“ ein. Hieraus entwickelte sich der heute gebräuchliche Name über 1327 als „Boostrate“ bis 1475 „Borstrate“ zum heutigen Namen, der auf die im 13. Jahrhundert dort wohnende Familie Bote zurückgeht.
   Breite Straße
Die Breite Straße hat ihren Namen nach der für mittelalterliche Verhältnisse doch recht ungewöhnlichen Straßenbreite bekommen.
1258 wird sie „salzene Grube“, wegen des dort verlaufenen Wasserarmes genannt, doch schon1400 erscheint die „brede strate“.
 Büttelstraße
Sie ist nach den städtischen Bütteln, der mittelalterlichen Polizei benannt, die hier in der im 14. Jahrhundert genannten Frohnerei ihren Sitz hatte. Die Büttelstraße fand 1323 erste Erwähnung, ab 1446 als „bodelstrate“.
 Claus-Jesup-Straße
Um 1270 wird sie wegen des dort verlaufenen Wasserlaufes als „Vogtsgrube“ und ab 1400 als „Faule Grube“ bezeichnet. 1875 erhielt sie nach dem deutschen Kaiser den Namen Wilhelmstraße. Am 20. August 1954 wurde sie in Claus-Jesup-Straße umbenannt. Der Webermeister Claus Jesup war der Anführer der Handwerkerunruhen im 15. Jahrhundert und soll an der Faulen Grube gewohnt haben.
 Dahlberg
Der „Dahlberg“ erhielt am 22. Oktober 1908 seinen Namen, benannt nach dem schwedischen Festungsbauer Erik Dahlberg.
 Dahlmannstraße
Am 1. Dezember 1881 bekam diese Straße nach dem am 13. Mai 1785 in Wismar geborenen Historiker und Politiker Friedrich Christoph Dahlmann ihren Namen. Dahlmann war Wortführer der „Göttinger Sieben“.
Die erste deutsche Verfassung geht auf den Entwurf von Dahlmann zurück und zu Recht wird er als „Vater der deutschen Verfassung“ geehrt.
 Dankwartstraße
1260 ist sie urkundlich in der lateinischen Form „platea danckmari“ belegt und wird in über zwanzig Schreibformen bis 1448 als „Danquarstrate“ oder auch 1558 „Danckmeisterstrate“ erwähnt. Namensgeber soll der Wismarer Schmied „Tangmar“ oder „Dangmar“ sein, der um 1260 im unteren Teil der Straße eine Schmiede hatte.
Am 21. Januar 1946 wurde die Straße in „Karl-Liebknecht-Straße“ umbenannt, was 1993 mit der alten Bezeichnung wieder rückgängig gemacht wurde.
 Diebstraße
Sie ist erstmalig um 1429 als „platea furum“, woraus man durchaus „Dieb“ ableiten kann, erwähnt, hieß 1475 dann „devestrate“, um später daraus schnell die „Diebstraße“ zu machen. Die Deutung des Namens ist unklar. Angenommen wird, dass man hier Personen unter Kontrolle hatte, die sich leichter Vergehen schuldig machten.
 Dr.-Leber-Straße
Die Bebauung dieser Straße erfolgte im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts als Villenstraße unmittelbar vor der ehemaligen alten Stadtmauer, die hier abgerissen wurde. Am 22. November 1887 erhielt sie den Namen Lindenstraße. Während der Zeit des Nationalsozialismus in Adolf-Hitler-Straße umbenannt, heißt sie seit 5. Februar 1946 Dr.-Leber-Straße nach dem im Januar 1945 ermordeten SPD Reichstagsabgeordneten Dr. Julius Leber.
 Dr. Unruh Straße
1924 erhielt diese neue Straße am Städtischen Krankenhaus ihren Namen „Dr.-Unruh-Straße“ nach dem in Wismar beheimateten verdienstvollen Mediziner.
 Fischerreihe
Diese Straße ist die Verlängerung der Breiten Straße, durch die im 14. Jahrhundert die „salzene Grube“ floss. So heißt diese Straße auch dann „Fischergrube“. Um 1820 bürgerte sich der Name Fischerreihe für diese kleine Straße ein.
 Fischerstraße
Die Fischerstraße heißt um 1428 „platea piscatorum“ (Fischerstraße) und 1475 „fisscherstrate“, aber auch „apud murum“ („inder Nähe der Stadtmauer“). Direkt an der Stadtmauer gelegen, hatten hier schon früh Fischer ihre Wohnungen.
 Frische Grube
Die Frische Grube ist der längste Abschnitt der aus drei Teilen (Mühlen-, Frische und Runde Grube) seit 1255 schon vorhandenen künstlich angelegten Stadtgrube. Die Frische Grube hatte „frisches Wasser“, was schon 1255 mit „recens fossa“ erwähnt wird. Sie lieferte das frische Süßwasser, das für die zahlreichen Brauhäuser wichtig war.
 Gartenstraße
Die Gartenstraße wurde zwischen 1901 und 1910 mit Villen bebaut. Sie war eine kurze Verbindungsstraße zwischen Turmstraße und Lindenstraße. Am 25. August 1944 wurde sie derart beschädigt, dass nur noch Ruinen übrig blieben. Heute nicht mehr existent.
 Gerberhof
26. April 1907 Bezeichnet nach den hier ehemals vorhandenen Gerberhöfen.
 Gerberstraße
Sie wird 1260 als „strata cerdorum“ und 1475 „gherverstrate“ sowie bis 1483 als „gerwerstrate“ erwähnt. Gerber betrieben hier ihr Gewerbe und hatten in dieser Straße auch ihr Zunfthaus. Dort wurden die Arbeiten gemeinschaftlich verrichtet.
 Glatter Aal
Den „Glatten Aal“ gibt es auch in anderen Städten und die Herkunft ist unklar. Erste Erwähnungen gibt es als „im gladen ale“ und „by dem gladen ale“ um 1454 für diesen schmalen und abschüssigen Durchgang. Vermutet wird, dass die Bezeichnung auf die Ähnlichkeit des „glitschigen“ längeren, abschüssigen Weges mit einem Aal durchaus zutreffend ist.
 Goethestraße
Am 22. Oktober 1908 erhielt diese Straße den Namen „Fürstengarten“. Hier war ursprünglich Großherzogliches Gebiet. Nach 1945 erhielt sie den Namen Goethestraße.
 Grothusenschanze
26. April 1907 bezeichnet nach der schwedischen Befestigungsanlage
 Große Hohe Straße
1287 wird sie als „Straße am Haus von Heinrich Brakel gegenüber der Kirche des Heiligen Georg“ benannt und 1421 als „Hohe Straße, durch die man vom Georgenkirchhof nach der Lübschen Straße geht“, aber dann 1441 einfach als „hoge strate“. Zur besseren Unterscheidung in Hinblick auf die Kleine Hohe Straße erhielt sie dann den Namen „Große Hohe Straße“.
 Großschmiedestraße
1260 wird die „platea fabrourum“ und 1375 die „Smedestrasze“ erwähnt. Hier
befand sich die städtische Schmiede. Aus der „smedestrate“ von 1385 wurde 1750 die „Grodt-Schmiedt-Straße“, woraus dann später die „Großschmiedestraße“ entstand. Das „groß“ bezieht sich bei dieser Straße nur auf die Breite und Länge, hat also nichts mit den Grobschmieden zu tun.
 Grüne Straße
Sie wird 1283 als „Straße hinter St. Marien“ erwähnt und auch noch 1323 so genannt, aber schon im Wachtregister von 1475 wird sie mit „ghrone strate“ bezeichnet. Namensgeber ist der „Grüne Hof“. Der „grüne hoff mit synen boden“ war das Eckgrundstück zur Papenstraße und hier stand auch zeitweilig das Werkhaus von St. Marien.
 Grützmacherstraße
Die Grützmacher stellten die Grütze her, die zur notwendigen Nahrung und als
Schiffsproviant diente. In der Wismarer Grützmacherstraße, die 1408 erstmalig
erwähnt und 1475 als „ghruttemakerstrate“ bezeichnet wird, hatten Mitglieder der Zunft ihren Wohnsitz.
 Hegede
Die Hegede wird 1325 erstmals als „hegha“ bezeichnet. Der Wismarer Rat ließ als „kommunaler Bauherr“ Anfang des 14. Jahrhunderts für den Marktbetrieb an der westlichen Marktseite Buden errichten. Diese „hegten“ (Abzäunung) so den Markt gegenüber der Straße ab. Daraus entstand der Straßenname „Hegede“.
 Heide
Der Name ist bis heute im Unklaren und es kann vermutet werden, dass die Bezeichnung auf einen Personennamen zurückgeht. Erwähnung findet sie 1294 zunächst als „neue Straße gegenüber dem heiligen Geist“ und 1475 wird sie „achter dem hilghem Gheste“ genannt, dagegen ein Teilstück zur Böttcherstraße „vierboden in der boddeker strate bi der heide“. Die Straßenbezeichnung „by der heiden“ hat sich ab 1680 durchgesetzt.
 Hinter dem Chor
Als „retro chorum ecclesie Nicolai“ ist dieser Name 1298 urkundlich erwähnt. Er bezieht sich auf die Lage, als hinter dem „Kirchenchor“. Im Stadtbuch von 1680 wird er noch genauer mit „hinterm cohr oder furm Pohler thor“ bezeichnet.
 Hinter dem Rathaus
1293 wird diese Straße schon als „retro consistorium“ (wörtlich übersetzt: hinter
dem Versammlungsort) erwähnt. Er bezieht sich damit natürlich auf das schon vorhandene Rathaus.
 Hopfenmarkt
Der Hopfenmarkt hat keine Hausnummerierung und findet 1286 als „Platz in der Nähe der Salz Grube“ und 1319 als „forum humuli“ Erwähnung. 1508 heißt er dann in allgemein verständlicher Sprache „hoppenmarket“ und ist damit wieder ein Verweis auf Wismars Bierbrauertradition.
 Hundestraße
So deutlich wie 1323 als „hundestrata“ auch in Latein „platea canum“ beschrieben, so unklar ist die Herkunft. Die Straße lag früher direkt an der Stadtmauer und es gibt die Vermutung, dass man hier streunende Hunde bzw. auch zur Jagd verwendete Hunde verwahrte.
 Johannisstraße
Diese Straße gehörte zu den „Kirchgangsstraßen“  und so ist ihre Bezeichnung schon 1292 als „Straße von der Lübschen Straße zur Marienkirche“ bezeichnet. Erst 1572 wird sie nach einem Anwohner als „Johannis seine Straße“ genannt.
   Kanalstraße
14. Dezember 1905, benannt nach dem vom Mühlenteich abgeleitetem Kanal für den Werksverkehr in der Waggonfabrik.
 Kellerstraße
Namensgeber für diese Straße war zunächst die hier stehende Schule von St. Marien und St. Georgen. Sie hieß 1280 „retro scolas“ (hinter der Schule) und später 1475 „achter der schole“. Der heutige Name ist erst ab 1800 nachweisbar. Er bezieht sich auf die hier nachweisbaren Wohnkeller im Armenhaus der Stadt, welches sich dort befand, wo heute die 1935 erbaute Arrestanstalt steht.
 Kleine Arbeit
Die Bezeichnungen für die „Kleine Arbeit“ und die „Große Arbeit“, heute der Sportplatz am Kagenmarkt, sind nach den dort angelegten ehemaligen schwedischen Vorbefestigungsanlagen entstanden.
 Kleine Hohe Straße
Ihr Name ist auf die, wenn auch geringe, Steigung der Straße zurückzuführen. Um sie von der Hohen Straße bei St. Georgen zu unterscheiden, hieß sie 1465 zunächst „hoge strate by dem vatere“, ehe sich der heutige Name einbürgerte.
 Kleinschmiedestraße
Die schon 1440 erstmals erwähnte Bezeichnung „klensmedestrate“ wurde über „Kleine-Schmiede-Straße“ zur heutigen Kleinschmiedestraße. Hier hatten die „kleinen Schmiede“ ihr Zuhause und ihre Werkstätten. Sie verrichteten nicht die groben Schmiedearbeiten, sondern waren die „Schlosser des Mittelalters“.
Hergestellt wurden zunächst Nägel und auch Messer, daher wurde die Straße um 1475 auch „Messerstraße“ genannt.
 Klußer Damm
Erhielt um 1920 seinen Namen nach dem Dorf Kluß.
 Königstraße
Die Bezeichnung geht auf einen ursprünglichen Personennamen zurück. 1443 wird eine „platea regum“ (Königstraße) erwähnt.
Der an der Ecke stehende „Königsspeicher“ hat seinen Namen nach der Straße erhalten.
 Krämerstraße
Diese Straße gehört mit zu den ältesten der Stadt und wird schon um 1260 schriftlich erwähnt. 1467 heißt sie „kremerstrate“ und später 1540 auch „kramerstrate“. Sie ist nach den Krämern, den Händlern des Mittelalters, genannt. In der Krämerstraße 4 gründete am 25. Mai 1881 Rudolph Karstadt sein erstes Textilwarengeschäft, in dem er seine „Waaren zu festen Preisen und Baarzahlung“ verkaufte.
 Krönkenhagen
Um 1410 wird die Straße zunächst als „Krömekenhagen“ erwähnt. Es folgen später verschiedene Schreibarten, wie „Kromekenhagen“.
Eine Deutung des Namens ist schwierig. Da mit dem Wort „Krome“ ein
Kran oder Hausaufzug bezeichnet wurde, könnte es sein, dass die Straße daher ihren Namen erhielt. Durchaus üblich waren diese Kräne an den Häusern, um die Lasten in die Speicher zu heben.
 Kurze Baustraße
Die Kurze Baustraße oder auch „kordte Bauwstrate“ ist eigentlich die Verlängerung der Baustraße, wird aber kurzzeitig um 1703 auch „hinter dem schild“ genannt. Durchgängig ab dem 18. Jahrhundert ist die heutige gebräuchliche Bezeichnung.
 Lübsche Straße
Diese wichtige „Ost-West-Magistrale“ wird um 1260 als „platea Lubicensis“ vom Stadtschreiber eingetragen und 1285 findet man die „Lubecker strate“ und auch „Lubeschestrate“, woraus sich später die „Lübsche Straße“ als noch heute gebräuchliche Bezeichnung entwickelte. Die Lübsche Straße erhielt zwischen 1952 – 1961 den Namen Stalinstraße (von westlichen Ortseingang bis zur Rostocker Straße). Ab 1961 wieder Lübsche Straße (vom Kreisverkehr bis Rostocker Straße. Der Bereich vom Ortseingang West bis in die Stadt wurde in Karl-Marx-Straße benannt. Die Altwismarstraße und Hinter dem Rathaus wurden in Verkennung der historischen Sachbestände miteinbezogen.Nach 1990 wurden die seit Jahrhunderten bestehenden historischen Bezeichnungen wieder eingeführt.
Mecklenburger Straße
Die Mecklenburger Straße wird um 1250 lateinisch als „platea Magnapolensis“, um 1260 als „platea Mekelenborg“ und in heimischer Sprache 1280 mit „Mekelingburgestrate“ recht früh erwähnt. Sie bezieht sich auf die sechs Kilometer von Wismar entfernte „Mecklenburg“ der ersten Fürsten und damit auf die Namensgeber für das sie umgebende Dorf und das heutige Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.
 Mühlengrube
Der Grubenbereich zwischen Mühle und Schweinsbrücke hat seinen Namen
nach der hier erstmalig im 13. Jahrhundert erwähnten Wassermühle. Die Wismarer Grube ist ein im 13. Jahrhundert künstlich angelegter Wasserlauf, der seit 1255 belegt ist. Er diente zum Antrieb der Mühle. Sie war im Besitz der mecklenburgischen Fürsten und ging 1371 in städtisches Eigentum über. 1379 wird sie lateinisch als „fossa molendinorum“ bezeichnet sowie 1455 als „molen growe“.
 Mühlenstraße
Die „molenstrate“, so heißt sie erstmalig 1272, hat ihren Namen eindeutig nach der in ihrer Nähe liegenden Grubenmühle, der städtischen Wassermühle“, an der Mühlengrube. Hier hatten die Zisterziensermönche von Doberan einen eigenen Hof.
 Negenchören
Diese Straßenbezeichnung ist heute leider kaum erklärbar. Sie wird 1475 als „in de negen kore“ erwähnt. Eine weitere Bezeichnung„Novem chori“ ist auch kaum herzuleiten, da der Chor der St.-Marien-Kirche sich nicht in
unmittelbarer Nähe befindet.
 Neue Wallstraße
Die Neue Wallstraße hat am 22. Januar 1901 ihren Namen bekommen, nachdem sie zuvor mit der Wallstraße einen durchgehenden Namen bildete. Der einst die Stadt umgebende Wall, der hier noch deutlich sichtbar ist, war der Namensgeber für die Straße.
 Neustadt
Die 1229 erstmals erwähnte Stadt Wismar erweiterte sich ab 1238 westlich und die um 1250 erwähnte Heiligen-Geist-Kirche an der um 1289 benannten „fossa sancti Spiritus“, der „Heilig-Geist-Grube“, befand sich zwischen Alt- und Neustadt. Erst um 1330 wird die Bezeichnung „nova civitas“ (Neustadt) für diesen Straßenzug gebräuchlich und ist bis heute erhalten.
 Papenstraße
Der Straßenname weist eindeutig auf dievnamensgebende Geistlichkeit hin und wird schon 1318 als „platea clericorum“ und 1434„papenstrate“ oder später um 1500 auch „presterstrate“ bezeichnet. Hier hatten die Antoniter, ein katholischer Mönchsorden aus Tempzin, bis 1550 einen Hof.
 Petriberg
Dieser kleine Straßenzug entstand mit der Entfernung der Stadtmauer an dieser Stelle. Ob hier ein kleines Mauertor der Namensgeber sein könnte (es gibt auch die Bezeichnung „Petritor“), ist nicht nachweisbar. Es kann aber auch ein Hinweis auf einen ehemals vorhandenen Mauerturm sein, von denen es zahlreiche in der Stadtmauer gab.
 Philosophenweg
Mit der Bebauung des Philosophenweges  begann man im Juli 1906 und gab der Straße im selben Jahr noch diesen Namen. Dieser Verbindungsweg zwischen Altwismar-Vorstadt und Poeler-Vorstadt hieß schon immer im Volksmund „längs des philosophischen Ganges“. Über die Herkunft kann man eigentlich nur spekulieren. Im Bereich des heutigen Kagenmarktes gegenüber dem Gehöft von Övelgünne, befand sich bis 1837 der Turnplatz der Großen Stadtschule.
 Platter Kamp
Die Straße erhielt ihren Namen am 3. Juli 1906. Hier hatte ursprünglich der Wismarer Jürgen Plate sein „Kamp“ auch Ackerstück.
 Poeler Straße
Die Bebauung der Poeler Straße begann nach dem 1870 erfolgten Abriss des Poeler Tores ab 1881. Zunächst hieß sie „vor dem Pölertor“, danach „Poeler Damm“ und am 1. Juli 1909 wurde sie offiziell durch Ratsbeschluß bis zur „Eisernen Hand“ in „Poeler Straße“ umbenannt.
 Podeusstraße
29. März 1906 Benennung der Podeusstraße nach Heinrich Podeus d. Ä.. Zu DDR Zeiten wurde sie in „Werkstraße“ um benannt und seit dem 1. Juli 2000 wieder in Podeusstraße.
 Rosmarienstraße
Etwas umständlich war um 1421 die Bezeichnung mit „Straße, welche vom Nikolaikirchhof zu den Barfüßern (Graue Mönche-Franziskaner) führt“. Um 1475 wird sie „de enghe strate“ und sehr deutlich um 1578 die „Kyverwyverstrate“ (Straße der keifenden Weiber!) genannt, ehe sie um 1750 die Bezeichnung „Rosmarienstraße“ erhielt, wofür es kaum Erläuterungen gibt. Es wird vermutet, dass der Name von der in der Küche durchaus gebräuchlichen Gewürzpflanze „Rosmarien“ kommt.
 Rostocker Straße
Die Rostocker Chaussee bekam 1901 die ersten Bebauungen und hieß zunächst „Vor dem Altwismar Tor“ ehe sie in Rostocker Straße umbenannt wurde. Ab 1938 wurde  stadtauswärts die rechte Seite mit einem ziegelsichtigen Häuserblock bebaut.
 Runde Grube
Dieses Teilstück der um 1250 künstlich angelegten Stadtgrube ist deren kürzester Verlauf. Die Bezeichnung rührt daher, dass die Grube hier früher nach der Straße hin „ausbuchtete“, sodass die Grube zwischen „steinerne“ Brücke und Gewölbe wie ein kleiner, runder Teich aussah. In den Wasserleitungsakten von 1653 ist erstmalig der Name „Runde Grube“ verzeichnet, der sich dann auch als Straßenname eingebürgert hat.
    Runde Straße
Erhielt ihre Bezeichnung am 14. Dezember 1905 und war eine neu erbaute Verbindungsstraße zwischen Kanal- und Lindenstraße. Am 25. August 1944 wurde diese Straße völlig zerstört und ist nicht mehr existent.
 Rudolph-Karstadt-Platz
Zum 120-jährigen Jubiläum der Eröffnung des ersten Geschäftes von Rudolph
Karstadt (1856 – 1944) erhielt der Platz am 14. Mai 2001 den Namen des Gründers dieses internationalen Kaufhauskonzernes. Karstadt startete am 14. Mai 1881 in der Krämerstraße 4 mit einem „Manufactur-, Confections- und Tuchgeschäft“. Am 23. Mai 1908 wurde dann das erste Kaufhaus Wismars und der Firma Karstadt eröffnet. Zugleich war das Gebäude der erste Stahlskelettbau in Norddeutschland.
 Salzfässchen
Diese kleine Verbindungsstraße zwischen Marktplatz und Hegede verdankt ihren Namen dem Aussehen eines Hauses. Der Vorgängerbau des 1906 erbauten Hauses Am Markt 9 mit seinem im Jugendstil erbauten Erker ähnelte der Form eines mittelalterlichen Salzfasses. Von 1594 gibt es eine Aufzeichnung, wonach die städtischen Büttel im „soltfatken“ getrunken haben.
 Sargmacherstraße
1291 wird sie als „Straße, die zur Marienkirche führt“ umschrieben und erst 1367 folgt die „sarckmaker“ Straße. Die Sargmacher waren im 1285 erwähnten Amt der Kistenmacher oder „Schnidker“ und „Kunthormaker“, wie die Tischler früher genannt wurden, vertreten. Durch die Sargmacherstraße kam man auf den St.-Marien-Kirchhof und praktischerweise boten hier auch die Sargtischler ihre Produkte an.
 Schatterau
Die früheste Bezeichnung für diese Straße stammt von 1319. Als „Straße, durch die man zum Schmiedetor und zum Schmiedehäuschen geht“ wird sie 1338 genannt. Der Name der Schatterau ist nicht genau nachvollziehbar, aber als wahrscheinlich wird angenommen, dass es aus dem mittelniederdeutschen Wort „scatrouwe“ kommt, was so viel wie „Lanzenruhe“ bedeutet.
 Scheuerstraße
Der Name dieser Straße leitet sich nicht, wie vielfach vermutet, von „Scheuer“ oder „Scheunen“ ab. Die Familie Schur bzw. auch Schuer hatte um die Wende vom 14. Zum 15. Jahrhundert umfangreiche Grundstücke in dieser Straße. Schon 1410 wird sie als „schurstrate“ bezeichnet und urkundlich wird sie 1424 als „schuerstrate“ erwähnt. Der Name „Schürstraße“ ist bis Mitte des 19. Jahrhunderts amtlich und erst danach setzte sich die heutige Bezeichnung „Scheuerstraße“ durch.
 Schulstraße
Die Schulstraße gehört zu den ältesten Straßen Wismars und wird 1258 als „apud fratres“, d. h. „bei den Brüdern“ genannt. 1284 wird sie „bei den Minoritenbrüdern“ (Franziskaner) bezeichnet. Eindeutig sind hier die seit 1251 in Wismar ansässig gewordenen Franziskaner gemeint. Am 9. Dezember 1541 wurde die Große Stadtschule im alten Grauen Kloster gegründet. Die Schulstraße selbst wird 1680 als „Schul=Straße olim (ehemals) Münch=Straß“ erwähnt, woraus sich dann die Schulstraße durchsetzte.
 Schüttingstraße
Diese kleine Verbindungsstraße zwischen Hegede und St. Marien wird 1392 als „buden in hega apud Arnoldum Remensnider“ erwähnt und später um 1452 auch als „remensniderstrate“. Die Riemenschneider fertigten die ledernen Pferdegeschirre an. 1484 sind in der Straße auch Korbmacher anzutreffen, denn da ist es die „lutke korfmakerstrate“. Aber 1484 heißt es dann „remensniderstrate negst
dem kramerschuttinge“. Der dieser Straße namengebende „Krämerschütting“ oder auch Zunfthaus der Krämer, befand sich in dieser Straße. Das Haus wird 1552 auch als „Krämerkrug“ bezeichnet. Die „Schüttingstraße“ hat alle Bezeichnungen überdauert und überliefert damit einen historischen Begriff, nämlich den „Schütting“ als alten Begriff für einen Versammlungsraum.
 Schwartzkopfenhof
26. April 1907 Bezeichnet nach einem Gehöft.
 Schweinsbrücke
Die Herkunft des Namens lässt sich eventuell daraus erklären, dass sich vor dem
Poeler Tor einer der Wismarer Schweinekrüge befand. Die vier kleinen vom Bildhauer Christian Wetzel geschaffenen Figuren, die 1996 dort angebracht wurden, ergänzen den Namen vortrefflich.
 Schweriner Straße
Die Schweriner Straße hieß früher „Vor dem Mecklenburger Tor“. Nach erfolgter Bebauung ab den 20iger Jahren des 20. Jahrhunderts erhielt sie den Namen „Schweriner Straße“ Nach der Einweihung des Gedenksteines für Ernst Thälmann am 6. November 1954 wurde die Straße in Ernst-Thälmann-Straße umbenannt, eine Bezeichnung, die der Schützenweg schon am 19. August 1949 erfahren musste. Im November 1992 wird die Ernst-Thälmann-Straße wieder in Schweriner Straße zurückbenannt.
 Speicherstraße
Die Speicherstraße wird 1357 als „spiekerstrate“ recht früh genannt und hat ihren Namen nach den dort um diese Zeit stehenden Speichern.
 Spiegelberg
Der Spiegelberg wird 1250 als „mons speculi“ erwähnt und bedeutet übersetzt nichts anderes als „Spiegelberg“. Erklärungen und Deutungen hat es einige gegeben, die jedoch alle nicht historisch nachgewiesen werden konnten. Trotzdem ist der Name noch heute „spektakulär“.
 St.-Georgen-Kirchhof
Der die St.-Georgen-Kirche umgebende Straßenzug ist schon um 1270 erwähnt. St. Georgen wurde als Kirche der „Neustadt“ ab 1250 gebaut. Am 14. April 1945 wurde St. Georgen abends gegen 23.30 Uhr durch Luftminen schwer getroffen und erst am 8. Mai 2010 konnte sie nach 20-jähriger Bauzeit wieder für kulturelle und kirchliche Veranstaltungen eröffnet werden.
 St.-Marien-Kirchhof
Der St.-Marien-Kirchhof umschließt die St.-Marien-Kirche nördlich und östlich von ihr. Der Straßenzug wird schon um 1272 genannt und natürlich ist der Namensgeber die St.-Marien-Kirche, deren erster Bau unmittelbar nach Stadtgründung um 1250 begonnen wurde.
St. Marien ist, genau wie St. Georgen, am 14. April 1945 durch Luftminen schwer beschädigt worden, jedoch wurde am 6. August 1960 das Kirchenschiff gesprengt. Nur der Turm blieb stehen. Das seit 1990 wieder sichtbar gemachte Kirchenschiff lässt hoffen, dass sich die Wismarer eines Tages wieder ihrer Historie bewusst werden und Teile des Gotischen Viertels aufbauen.
 St.-Nikolai-Kirchhof
Schon seit 1272 ist die Kirche der Seefahrer und Fischer hier der Namensgeber der sie umgebenden Straße. Der Bau der jetzigen Kirche ist um 1380 begonnen worden. Schon zwanzig Jahre später konnte man am 27. Mai 1403 den Chor mit dem Hochaltar weihen. Der gut 90 Meter hohe Turm stürzte 1703 teilweise ein und seitdem hat der nunmehr 50 Meter hohe Turm einen Giebelabschluss.
 Stavenstraße
Die Stavenstraße ist eine Verbindungsstraße zwischen Baustraße und Neuer Wallstraße und wurde erst um 1900 bebaut. Ursprünglich war die Stavenstraße die Bezeichnung für den jetzigen Badstaven. Nach deren Umbenennung ging diese Bezeichnung auf die nächste Querstraße über, zumal diese schon um 1833
als „Stamerstraße“, höchstwahrscheinlich nach einem Personennamen, genannt wurde.
 Tittentasterstraße
Die Tittentasterstraße hat es wirklich gegeben. Es war ein schmaler Durchgang
zwischen Diebstraße und Markt. Die Tittentasterstraße erhielt ihre Benennung deshalb, weil man sich beim Vorbeigehen wegen der Enge des Ganges fast zwangsläufig an der Brust berührte – und die hieß nun mal bei Mann und Frau gleichermaßen die „Titten“. So gesehen ist die Tittentasterstraße ein Denkmal
mittelalterlicher Sprachkultur.
 Torney
Die Torney gibt heute noch Rätsel auf und am ehesten könnte der Name aus dem Slawischen stammen und von „turnu“, das bedeutet „mit Dornenhecken bewachsenem Gelände“, zutreffen. Dornenhecken gehörten zu den Verteidigungsanlagen einer mittelalterlichen Stadt.
 Turmstraße
Der Straßenname geht auf den sich am Ausgang der Straße befindlichen alten Wehrturm aus dem 14. Jahrhundert zurück, der im Juli Januar 1960 wegen Baufälligkeit entfernt wurde. Hier befand sich bis 1866 das städtische Gefängnis. Deshalb wurde er auch Gefangenenturm genannt. Die Stadtmauer wurde in diesem Bereich ab 1893 abgerissen und im gleichen Jahr entstanden auch die ersten Häuser „hinter der Mauer“, so die erste Straßenbezeichnung.
Am 16. Januar 1894 erhielt die Turmstraße ihren heutigen Namen.
 Turnplatz
Seit dem 18. Oktober 1863 trägt der Platz diesen Namen und wurde auf die umschließende Bebauung angewendet.
 Ulmenstraße
Ab 1830 wurde das Gelände zwischen Hafen und Lübschem Tor mit Schutt aus
der Stadt angefüllt, um hier eine Promenade anzulegen. Am 14. Januar 1835 wurde dann eine neue Verordnung „zum Schutze der neuen Anlage betreffend“ bekanntgegeben und die „Neue Promenade“, so der offizielle Name, war entstanden. Noch vor dem Abbruch der Stadtmauer und des Lübschen Tores im Jahre 1869 begann hier 1866 die Bebauung. Da nun schon Ulmen angepflanzt waren, erhielt die Straße am 24. Mai 1876 den Namen Ulmenstraße.
 Vor dem Fürstenhof
1325 wird diese Straße erstmalig als „apud curiam nostri Magnopolensis“ und 1394 „gegen dem Mecklenburger Hofe“ erwähnt.
1257 war der mecklenburgische Herzog von seiner Stammburg Mecklenburg in die Nähe Wismars gezogen, und als ab 1276 eine Stadtmauer gebaut wurde, räumte man nach längeren Auseinandersetzungen ab 1329 dem mecklenburgischen Herzog einen Platz zwischen St. Marien und St. Georgen für einen herrschaftlichen Sitz ein. Vom „alten Hof“ führte übrigens bis 1743 ein über die Straße führender überdachter Gang in die St.-Georgen-Kirche.
 Wallstraße
Nach dem Adressbuch von 1872 heißt dieser Straßenbereich „hinter der Mauer bei der Baustraße“. Da der Abbruch der Stadtmauer jedoch sehr schnell verlief und die Straße mit Wohnhäusern bebaut wurde, erhielt sie am 24. Mai 1876 den Namen Wallstraße, von der am 22. Januar 1901 wiederum die Neue Wallstraße
als dann eigenständige Straße abgetrennt wurde.
 Wasserstraße
Mit der Schaffung seiner Ringstraßen haben die Wismarer dazu beigetragen, dass man auch heute noch sehr genau den alten Stadtmauerverlauf nachvollziehen kann. Die Wasserstraße gehört dazu und der Straßenname, den die Straße am 24. Mai 1876 erhielt, bezieht sich eindeutig auf die nahe liegende Ostsee.
 Weberstraße
Die Weber waren im Mittelalter eine starke Zunft und übten ein begehrtes Gewerbe aus. So ist es nicht verwunderlich, dass ihre Straße schon 1273 als „platea textorum“ und 1400 als „weverstrate“ genant wird.
 Wollenweberstraße
Die Wollenweberstraße in Wismar ist eine kleine Verbindungsstraße zwischen der Neustadt und der Claus-Jesup-Straße. Um 1446 begegnete man ihr als „her Dyrk Wilden boden in der erskerne“ (Herr Dirk Wilden seine Bude in der Arschkerbe). Das mag zwar direkt klingen, ähnlich wie bei der Tittentasterstraße, doch „erschkarne“ gab es auch in Lübeck und in Stralsund. Nach der Familie Wilden heißt sie 1475 immer noch „Wildenstraße“, aber gleichzeitig auch „kerne“ oder „in der kerne“ (Kerbe), was sich wiederum auf die Lage der Straße bezieht. 1653 heißt sie dann „Düstern“, und dunkel war es mit Sicherheit in dieser kleinen Straße. Diesen Namen hatte die Straße dann bis 1935, bis sie in Wollenweberstraße umbenannt wurde. Wollenweber waren, wie schon beschrieben, an der Faulen Grube (Claus-Jesup-Straße) ansässig.
 Zeughausstraße
Die Zeughausstraße wird um 1408 zuerst „platea Ladewici“ und 1449 „Ladewigstrate“ nach einer dort ansässigen Familie genannt. Nach 1475 ist der alte Name durch „hanreigerstrate“ ersetzt, woraus bis 1871 die „Hahnreistraße“ wurde. Dieser Name, dessen Begriff für einen Mann steht, dessen Frau „fremdgegangen“ ist, dem also „Hörner“ aufgesetzt wurden, war dem Wismarer Rat aber dann doch zu direkt. Auf Antrag des Wismarer Rechtsanwaltes Gabriel Lemcke bekam die Zeughausstraße am 10. Juni 1871 ihren heutigen Namen. Dieser Straßenname bezieht sich eindeutig auf das 1700 erbaute schwedische Zeughaus.
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Calideya
Calideya war bewusst, dass Levan gerade in einem beachtlichen Zwiespalt steckte. Er wollte ihr gerne glauben, konnte es aber nicht, denn sie sprach schließlich von Dingen, die übernatürlich waren, die der Hexerei glichen. Gemeinsam liefen sie also durch die Gänge der Burg, waren auf der Suche nach Bran, und wollten den vorangegangenen Ereignissen auf den Grund gehen. Ihr Weg führte sie zum überfüllten Sitzungssaal. Eine Masse aus Menschen war darin versammelt, allesamt wirkten sie bleich und erschrocken — was Calideya und Levan erst als sinnvoll erschien, sobald sie erkannten, wer an Stelle des momentan amtierenden Königs gerade auf dessen Platz saß. Es war König Lexus, der bereits verstorbene und würdig begrabene König Lexus, neben seiner Frau und seinem Sohn Bran. Kolja fehlte noch in der Runde. Kurz ging es ihr durch den Kopf, dass sie ihn besser nicht sehen wollte. Dann schenkte sie Levan aufgrund seiner perplexen Aussage einen gleichwertigen Blick. „Levantin, komm und setz dich zu uns an den Tisch. Und bring deine Braut mit, sie soll auch an unserem Gespräch teilhaben.“ Levan wartete einen Augenblick, ehe er Schritt ansetzte, das verstand auch Calideya, dann aber folgte sie ihrem Mann und ließ sich neben ihm auf dem Stuhl an der Tafel nieder. Die Situation war gerade aber zu aufregend, als dass sie darüber nachdachte, in was für einer Aufmachung sie sich dem Adel präsentierte, zu dem sie sich nicht unbedingt zugehörig fühlte. „Und der Rest macht, dass er verschwindet! Ich will mit meiner Familie allein gelassen werden!“, ertönte es aus dem Mund des Lexus. Die Zuschauer leisteten diesem Ausspruch Folge, bald schon saß die kleine Runde allein an der Tafel und wartete ab.
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