Tumgik
punkomantik · 1 month
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Die Welt ist grausam
Die Welt ist krumm
Die Welt ist außen
Und innen dumm
Doch die Welt ist schön
So anmutig und weich
So ruhig und reich
So lustig und leicht.
Der Blick am Horizont
Verzweifel ich?
Bin ich traurig?
Sehe ich Licht?
Ignoriere ich?
Oder steh ich darüber?
Genieße ich lieber?
Wie kann die Welt nur
Mittendrin
So gelassen sein
So wunderschön rein
So voller Sinn
Ich liebe dieses und jenes Ding
Und alles zusammen
Ich schlafe ein
Mein Blick am Horizont
Die Welt ist spröde und schnöde und schwer
Die Welt ist außen und innen leer.
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punkomantik · 4 months
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Der Brief
Zehn, eher zwölf Jahre später kam ein Brief. Er war an Arif adressiert und erreichte mich in meinem neuen Zuhause, wo ich mit Arif nie gewohnt hatte, das er gar nicht kannte. Ich hatte einen Nachsendeantrag gestellt, so konnte der Brief überhaupt noch zugestellt werden. Lange hatte ich nicht mehr an Arif gedacht und es schien geradezu absurd, in meiner neuen Wohnung, einem schnieken und großzügigen hellen Altbau mit Parkett im teureren Viertel der Stadt, mit Arif konfrontiert zu werden. Arif, ein Relikt aus alten, fast düsteren Zeiten. Arif, für den seit zehn, eher zwölf Jahren kein Brief mehr kam.
Hatte ich Arifs Nummer noch? Und wenn ja, war sie aktuell, wo er doch zuletzt in London gelebt hatte? Wie ging es ihm wohl? Ob er noch an mich dachte?
Ich öffnete den Brief. Es war eine Information seiner Bank über die gestiegenen Gebühren ab Jahresbeginn. Das Konto vermutlich längst nicht mehr genutzt. Eine entbehrliche Information für meinen Freund.
Es ließ mich nicht los und so schrieb ich seine Frau an, mittlerweile ex-Frau, um zu erfahren, wie ich ihn erreichen könnte. Ich ließ mir Zeit mit der Nachricht, formulierte sie liebevoll und mit Erinnerungen. Ein Foto ihres Sohnes habe ich noch auf meinem Handy. Und wartete die Antwort ab.
Sie hatte keinen Kontakt mehr mit Arif. Zuletzt sei er wieder in Berlin gewesen. Die Nummer gab sie mir.
Ob ich ihm schreiben sollte? Ob es unfair wäre? Was versprach ich mir? Die Erinnerungen legten sich wie ein Schleier über meine Gedanken. Arif war ein guter Gefährte in einer tauben Zeit gewesen, ohne dass er oder ich es damals wussten. Bei ihm hatte ich keine Gemeinheiten nötig gehabt. Ich hatte alles richtig gemacht, war ihm und seiner Frau gegenüber hilfsbereit, liebevoll und loyal gewesen. Er hatte mir tolle und schwierige Momente geschenkt und ich dachte mit viel Liebe an ihn zurück. Ich hoffe, er hat die Frau gefunden, die er sich gewünscht hatte.
Der Brief erinnerte mich daran, dass ich in einer Zeit, in der ich viele Fehler gemacht hatte, offenbar trotzdem einen guten Kern besessen hatte.
Der Brief liegt seitdem auf dem Küchentisch und die Nummer verweilt ungenutzt in meinem Telefon.
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punkomantik · 7 months
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Ein schöner Abend
Zu manchen Zeiten im Leben lässt man sich auf Männer ein, die ansonsten nur im Traum daran denken würden, eine solche Frau in ihrer Nähe zu haben. Es war ein wunderschöner lauer Herbstabend. Wir wollten ins Kino, ganz spontan, an einem Donnerstag Abend nach der Arbeit. Er mochte Kino. Er kannte alle Filme, Schauspieler und Regisseure. Aber unter der Woche ins Kino zu gehen, war schon sehr gewagt. Dazu war das Unternehmen ungeplant. Aber das Abenteuer schien ihn doch zu reizen.
Weil ich selber eine ziemlich träge Socke bin, machte ich mir nach der Arbeit nur einen Salat und Datteln im Speckmantel, von denen er mir zwei Drittel wegfrass, und machten uns dann sofort zu Fuß auf in die Stadt, damit ich nicht in einer ausgeruhten Minute auf dem Sofa innerlich den Feierabend einläute. Der Spaziergang war kurzweilig und nett. Wir machten Station in der Bahnhofsbuchhandlung, wo er in Musikzeitschriften blätterte während ich Desiree Nick im Playboy bewunderte. Dann liefen wir zum Kino, kauften die Tickets und warteten in der retro Sitzgruppe darauf, dass die Zeit verging. Halbe Stunde bis zu Film. Wir plauderten über die Arbeit. Wir kaufen Nachos und Popcorn. Bier und Cola. Und nahmen schließlich unsere Plätze ein. Auf seine unnachahmliche Art fragte er während der Films ungefähr fünf mal, ob alles in Ordnung wäre, was ich jedes mal mit „ja, ich schaue nur gerade konzentriert einen Film“ quittierte. Der Film war ähnlich spektakulär wie der Mann: ein durchschnittlicher Hollywood-Streifen, etwas absehbar, ganz solide, nicht schlecht, aber leidenschaftslos.
Er streichelte zweimal meinen Arm und ich war glücklich und verliebt. Ein schöner Abend.
Als wir das Kino verließen, fing es an zu regnen. Die Lichter der Stadt spiegelten sich in der Nässe der Straßen, es war so mild und leicht windig. Er fragte, ob wir laufen oder die Straßenbahn nehmen wollten. Der Regen setzte in diesem Moment richtig ein und wir rannten über den großen Bahnhofsplatz zur Haltestelle, um uns unterzustellen. Was für eine traumhafte Nacht. Ich schaute ihn verliebt an und wollte ihn in den Arm nehmen und küssen. Er murmelte, dass die Bahn noch fünf Minuten brauche bis sie käme. Und dass er nass geworden sei. Und ich sagte: ist das nicht ein wunderschöner Abend?
Während der Heimfahrt kuschelte ich mich nass an ihn und himmelte ihn an. Er wischte seine Jacke trocken und starrte aus dem Fenster. Er brachte mich nach hause, der Regen hatte aufgehört, und verabschiedete sich mit einem Kuss und einem „gute Nacht Maus, ich muss morgen früh raus. Danke für den schönen Abend“.
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punkomantik · 1 year
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Die Welt ist grausam
Die Welt ist krumm
Die Welt ist außen
Und innen dumm
Doch die Welt ist schön
So anmutig und weich
So ruhig und reich
So lustig und leicht.
Der Blick am Horizont
Verzweifel ich?
Bin ich traurig?
Sehe ich Licht?
Ignoriere ich?
Oder steh ich darüber?
Genieße ich lieber?
Wie kann die Welt nur
Mittendrin
So gelassen sein
So wunderschön rein
So voller Sinn
Ich liebe dieses und jenes Ding
Und alles zusammen
Ich schlafe ein
Mein Blick am Horizont
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punkomantik · 3 years
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Der Bart
Es war einmal in einem ganz normalen kleinen Städtchen irgendwo in Deutschland ein ganz normales kleines Amt der öffentlichen Verwaltung. Als modernes Amt in einer modernen Verwaltung beschloss die Geschäftsleitung eines Tages, unter Einbezug einer Gruppe motivierter Mitarbeiter eine Kampagne, die im außen darstellte, was im innen vor sich ging, oder, wie sie es nannten: Arbeit sichtbar machen. Wie, so die zentrale Frage, kann man im Amt gleich beim Betreten erkennen, worum es hier geht? Ein Architekturbüro findet sich in einer modern aufgearbeiteten repräsentativen Villa. Ein Schwimmbad ist blau und wellenförmig gekachelt. Und das Amt ist nur ein Amt und niemand ahnt beim Betreten, ob es sich um Straßenbau, Grundsicherung oder Gleichstellung handelt. Dieses elementare Versäumnis sollte nun nachgeholt werden und die Kampagne beschloss, nach der Anschaffung einer neuen Mitarbeiterküche, lebensgroße Bilder in der Gängen, Silhouetten an den Fenstern zur Straße und themenbezogene und tief gehende Sprüche an den Wänden anzubringen, die das Thema in den Vordergrund holen würden. Und so kam eines Tages eine Schar von Handwerkern, die bohrten und klebten und hämmerten und hängten und am Ende des Tages war das Werk vollbracht und versprühte gute Laune, Eindeutigkeit und Wohlgefühl im Amt.
Offenbar war jedoch nicht jeder zufrieden, denn am folgenden Tag fand sich auf einer der mannshohen Fotografien auf Leinwand im ersten Stock, geziert von einer lebensgroßen jungen, tätowierten Dame im Begriff einen Autoreifen zu wechseln, ein Bart. Ein samtiger selbstklebender Schnauzbart, wie man ihn zu Karneval in jeder Drogerie bekommt.
Nachdem der Bart einige Tage gänzlich unbemerkt blieb, schlug plötzlich die Bombe ein.
„Sexismus“ schallte es von der einen Seite, „Sachbeschädigung“ von der anderen. Sollte der Übeltäter bekannt sein, sei er unverzüglich aufzufordern, sein Machwerk zu entfernen. Es drohen Konsequenzen. „Kein Kindergarten“, „die eigenen Mitarbeiter“, „Mona Lisa“.
Nachdem der Bart drei Tage für Diskussionen, Enttäuschung und Zorn gesorgt hatte, fasste sich eine der führenden Mitarbeiterinnen ein Herz und entfernte den Bart eigenhändig und vorsichtig. Die allgemeine Diskussion war damit zwar beendet, doch musste das geschändete Exponat noch vom Amtsleiter persönlich in Begleitung seiner Sekretärin begutachtet werden, ob die Angelegenheit rückstandslos erledigt sei oder etwa nachhaltig Schaden genommen habe.
Völlig unbemerkt blieb hingegen der wie durch Geisterhand hinzugekommene, 1,5-Meter breite Sinnspruch im Erdgeschoss: „Jeder Amfang kann auch 1 neues Ende bedeuten.“
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punkomantik · 3 years
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Wenn du verwelkst
Geb ich mein letztes Hemd für dich
Du darfst nicht sterben denn
Ein Leichenhemd bekommst du nicht
Tausend Engel schick ich dir
Und tausend bitcoins für dein Spiel
Tausend Küsse deiner weichen Haut
Und tausend gute Wünsche
Vom Wünschen hast du nichts
Du brauchst Taten, Fakten, Sicherheit
jedes Sandkorn jeden Felsen jede Wolke jeden Sturm
Entferne ich, dein Weg ist ohne Hürden und dennoch hart genug für dich
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punkomantik · 3 years
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Homeoffice
Nach meiner mehr oder weniger steilen Karriere in kleineren leitenden Positionen hatte ich die Verantwortung satt und begab mich in die Mühle eines eintönigen 9-5-Jobs im öffentlichen Dienst. In einem Büro mit soliden und gelernten Mitarbeitern, Gleitzeit, Weihnachtsgeld und Eltern-Kind-Zimmer. Einfach nur Befehle ausführen und dafür entlohnt werden. Kein Denken, kein Diensthandy, keine faulen Praktikanten. Einfach nur tagein tagaus erledigen, was zu erledigen mir aufgetragen wird. Dieser Job hatte viele Vorteile. Abgesehen von einer erfrischenden Berechenbarkeit des Alltags ist der offensichtlichste Pluspunkt eines großen Büros die Auswahl an männlichen Kollegen. Es kommen Azubis, Studenten und Quereinsteiger, bleiben Wochen oder Monate, brauchen Unterstützung, haben Fragen, und gehen wieder.
Der Dienstort ist groß genug, um in den anderen Teams wildern zu können und das eigene Team mit Liebeleien nicht belasten zu müssen. Nicht dass ich kein Interesse an dem ein oder anderen Kollegen, den wechselnden Chefs oder dem ein oder anderen Studenten gehabt hätte. Aber offenbar liegt es nicht in meiner Begabung, vom Dienstlichen ins Private zu wechseln. Es fiel mir immer leichter, die Herren der anderen Teams für mich zu gewinnen. Auf dem Flur, in der Küche, im Vorübergehen kommen selten berufliche Themen auf. Da klagt man über zu starken Kaffee, die vertrocknete Büropalme oder die Hitze in der steifen Bluse, kommt ins Gespräch, gibt Tips, schickt gerne privat den passenden Link zum Gespräch und schon wird das Treffen auf dem Flur zu einem Selbstläufer. Deutlich verbessert hatte sich die Situation noch durch die plötzliche Schließung aller Geschäftsstellen, Entschwinden lungenkranker Kollegen ins Homeoffice, die Vereinfachung sämtlicher Prozesse, kurz, der aufkeimenden Nutzlosigkeit unseres Jobs. Der Kollege Patrick hatte einen Plattenspieler mitgebracht und nutzte die Zeit, LPs zu digitalisieren. Andere überprüften gegenseitig die eingetragenen Körpergrößen in ihren Personalausweisen. Und Kollege Thomas hatte aus seinem Fahrradhelm und einem Umzugskarton einen Basketballkorb mit Rutsche gebastelt, der dazu diente, den Antistressball, der vom betrieblichen Gesundheitsmanagement anlässlich des letzten Weihnachtsfestes auf jedem Schreibtisch platziert worden war, Körbe zu werfen. Entweder Treffer in den Helm oder daneben auf den Karton, so dass der Ball wieder unter dem Schreibtisch vor seinen Füßen landete. So musste Thomas nicht aufstehen, wenn er nicht traf. Er traf aber immer besser und als ich ihn zum ersten Mal bei seiner neuen Aufgabe bewundern durfte, traf er dreimal hintereinander. Was bedauerlich war, da so die geniale Konstruktion mit einem Umzugskartons als Ballrutsche gar nicht recht gewürdigt werden konnte.
Zeitgleich mit der Schließung aller Geschäftsstellen griff auch das Virus des Homeoffice um sich. Die Geschäftsleitung schmiss nach einigen Anfangsschwierigkeiten mit der Vergabe der Zugangsberechtigungen um sich. Leider nicht so sehr mit Informationen zum Ablauf, so dass es hier und da zu Missverständnissen oder Startproblemen kam. Ein Vorteil mehr für mich. Da ich schon längst, offiziell zur Erhaltung der Gesundheit, zweimal in der Woche im Homeoffice vegetierte, war ich begehrte Ansprechpartnerin für alle Fragen von Antragstellung bis Bildschirmeinstellung. Und wem man vorher auf dem Flur schon schöne Augen gemacht hat, der meldet sich umso lieber.
Thomas war so einer. Er hatte, am Dienstag morgen, das Equipment der Firma eben nach hause geschafft, als auch schon mein Telefon klingelte. Ich lag auf meinem Sessel, den ich neben den Computer gerückt hatte, döste noch ein wenig, da ich nicht mehr in den Schlaf fand, und empfand das jähe Klingeln als Belästigung. Aber es sind nun mal die einzigen Pflichten im Homeoffice, ans Telefon zu gehen und die Maus mind. alle fünfzehn Minuten zu bewegen, um Aktivität zu simulieren. Der Computer begibt sich sonst unweigerlich In den Ruhezustand und löst einen Faulheitsalarm beim Arbeitgeber aus. Dieses Problem hatte jedoch bereits mein Staubsaugerroboter gelöst. Mit einem Funkverstärker ausgerüstet ließ ich meine Bluetoothmaus auf dem Staubsaaugerroboter durch die Wohnung reiten. Über Schwellen hinweg, bei Drehungen und Anecken bewegte sich die Maus unweigerlich. Ich hatte ihr einen Zaun aus Pappe auf dem Rücken des Staubsaugerroboters gebaut, damit sie nicht runterfällt, aber genug Bewegungsfreiheit hat. Der Roboter benötigte ca. zwei Stunden für die gesamte Wohnung. Zwei Stunden, die ich mit meiner Freundin Kate beim Sekt in der Kinobar nebenan, am See oder einfach in meinem Sessel verbrachte.
Auch wenn es Thomas war, so ist mir mein ruhiger Morgen im Homeoffice, gemütlich im Sessel mit halboffenen Fensterläden, der Vorfreude auf den ersten Kaffee und das Schnurren der Katze doch heilig. Ob ich ihm was zur Verkabelung der beiden Monitore sagen könne, es liefe nur einer und der zweite wolle einfach nicht anspringen. Schon dieses Wort, anspringen. Ich sagte ihm, er solle mit nur einem Monitor arbeiten, das ginge sehr gut, und mich nie wieder vor neun Uhr anrufen, wenn ich von zu hause aus arbeite.
Nach einem gemütlichen Vormittagsschläfchen tat mir meine schroffe Zurückweisung ein wenig leid. Immerhin sind solcherlei Anrufe der beste Einstieg zum gemeinsamen Homeoffice in einer fremden Wohnung. Ich rief ihn an und fragte ihn, ob er die Lösung bereits gefunden habe. Er arbeitete weiter mit nur einem Monitor und fluchte ein wenig. Ich sei zufällig in der Gegend beim Einkaufen, ob ich mich mal eben um die Verkabelung kümmern solle. Ich bat um die genaue Adresse, die Zubereitung eines Kaffees, dass ich in zehn Minuten da sei, warf mich in ein besonders lässiges Kleidchen, welches ich im Büro nie zu tragen gewagt hätte, wuschelte die Haare nach oben wie frisch aus dem Bett und schminkte mich dezent genug, um einen leicht schlampigen Eindruck zu machen, ohne dass es gewollt aussah.
Thomas um den Finger zu wickeln war einfacher als bei jedem anderen Kollegen. Ich strahlte ihn sofort an, forderte lachend meinen Kaffee ein, verkabelte unter dem Tisch den zweiten Monitor korrekt und sagte mit großen Augen, ich könne es leider nicht. Ließ ihn ganz nahe neben mir am PC fummeln und dann an mir. Seine Kreativität beschränkte sich nicht nur auf Bürobasteleien. Offenbar war dieser Ausgleich für Thomas dringend angezeigt und entsprach seinen Fähigkeiten perfekt. Mein neuer Bürohengst war eine solche Wonne, dass unser gemeinsames Homeoffice von da an mindestens wöchentlich stattfand. Den zweiten Monitor hatte Thomas inzwischen eigenen Angaben zufolge selbst zum Laufen gebracht, was seinen männlichen Stolz wiederhergestellt hatte, und mein Staubsaugerroboter hatte eine zweite Heimat bei Thomas gefunden, wo er mit zwei Mäusen auf dem Rücken durch die Wohnung rannte und die Arbeit erledigte, die unsere war.
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punkomantik · 4 years
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Mein Leben mit Ben
Lange blonde Haare, eine bunte Patchwork-Jacke, eine Hose mit Löchern, furchtbar hässliche Turnschuhe. Ben ist ein spezieller Mensch. Wir haben uns beim Spaziergang mit den Hunden kennengelernt. Er hat einen behinderten Patenhund, und ich habe auch einen behinderten Patenhund. Seiner hat drei Beine, meiner ist blind. Wir trafen uns so gut wie jedes Wochenende zufällig am See und fingen an zu plaudern. Er war nett und interessiert, fand alles gut, was ich machte und wir hatten eine ähnliche Einstellung zu ökologischen Themen. Mehrmals lud er mich zu sich nach Hause ein, um seine Pflanzenecke und seine selbstgebaute Küche aus Baumstämmen und Ästen zu bewundern (die, um es vorwegzunehmen, mittlerweile seinen Wutanfällen zum Opfer gefallen ist). Ich ignorierte diese Annäherungsversuche, bis ich an irgendeinem sonnigen Herbsttag frustriert und verärgert am See stand, grübelte, und Ben diesen Kummer wohl bemerkte, ihn aber nicht zum Thema machte sondern mich gekonnt ablenkte und mir schließlich seine Nummer aufschrieb. Auf diesen unverbindlicheren Kontakt konnte ich mich einlassen. Ich schrieb ihm zu Hause eine kurze Nachricht mit meiner Nummer und schlug mir mit Eis und Toffifee den Bauch voll.
Wir verabredeten uns am folgenden Tag, ohne Hunde, aßen Pizza vor der Turnhalle, saßen auf dem Kletterturm auf dem Spielplatz und liefen, ohne Hunde, am See zu mir, wo ich ihn so verabschiedete, dass klar sein musste, dass unser Kontakt mir angenehm, jedoch ohne sexuelles Interesse zu verstehen war.
Seitdem nutzte er offenbar jede freie Minute, um mir nahezukommen. Denn fast minütlich leuchtete das Telefon mit einer neuen Nachricht auf. Zwei Tage später lud er sich zum Frühstück bei mir ein. Kaum hatte ich mein Einverständnis signalisiert, klingelte es bereits an der Tür. Die Brötchen hatte er längst gekauft und nur auf mein ok gewartet. Wie er mich anstrahlte und die zwei Sekunden, die er mich zu lang im Arm hielt, liessen keine Interpretation offen. Ich fühlte mich zu Ben jedoch nicht hingezogen. Er war unfassbar süß, sehr hübsch, warmherzig und unverblümt und fast naiv offenherzig. Gleichzeitig war er ungepflegt und engstirnig.
Als er mich weitere zwei Tage später zu sich zum Abendessen einlud, war ich festen Glaubens, ich könnte niemals mit ihm Sex haben. Als er mir die Tür öffnete, wurde dieser Glaube zur Gewissheit. Er hatte seit drei Tagen weder geduscht noch Zähne geputzt noch seine goldigen langen Haare gekämmt. Der Bart, nicht sonderlich dicht gewachsen, war ein zauseliges Gefussel in seinem entzückenden Gesicht. Seine Wohnung war voller Liebe.
Wir aßen, wir unterhielten uns, erzählten uns und fingen an zu zeichnen. Er nahm mich in den Arm, nahm meine Hand, schaute mir in die Augen und sagte, dass er genau so eine Frau wie mich immer gesucht habe. Aus einer Umarmung wurde eine zweite Umarmung, eine dritte, und schließlich lagen wir kuschelnd und gemütlich auf dem Sofa und schliefen ein. Er hatte nicht ein einziges Mal versucht mich zu küssen.
Als ich ziemlich früh am Morgen aufwachte, strahlte er mich an. Er schien bereits Stunden so gelegen und mich nur angeschaut zu haben. Er machte uns Espresso auf seinem kleinen Gaskocher, servierte ihn mit Honig und kuschelte sich wieder an mich. Er hatte einen stahlharten Ständer. Er küsste mich unvermittelt, aber langsam und bewusst. Und trotz meiner Abscheu gegen seinen morgendlichen Mundgeruch gerieten wir nach wenigen Sekunden in einen Sog, einen Rausch. Jeder Hemmung entrückt tat er das, was er immer am liebsten machte: er schlief mit meinem Po. Wenige Sekunden nur, aber völlig aufgelöst, euphorisch, fast etwas rücksichtslos. Er fragte danach, ob es in Ordnung für mich sei. Ich musste lachen. MIt einer solchen Nonchalance hatte mich noch nie jemand beim ersten Sex anal genommen. Es hatte im übrigen noch nie jemand überhaupt beim ersten Sex gemacht. Und ob es „in Ordnung für mich sei“, implizierte zudem schon Regelmäßigkeit. Ich mag Sex und ich mochte Ben. Aber eine Zukunft, wie er sie sich vorstellte, schloss ich aus.
Trotz aller Vorsätze wurde aus dem einen mal unendlich viele Male und aus Nonchalance und Desinteresse Liebe. Wir liefen mit den Hunden, zeichneten gemeinsam, reparierten Sachen und er gebrauchte meinen Po, als gäbe es ihm halt und seinem Leben Sinn. Viel später erst merkte ich, wie sehr es das tat. Ben war unglaublich liebevoll, brachte jeden Morgen Kaffee ans Bett und räumte die Küche auf. Seine eigene Arbeit ließ er öfter liegen. Wir drehten uns miteinander und umeinander. Ich tat mein bestes, ihm seine Komplexe zu nehmen. Er duschte täglich. Aber außer beim Sex ließ er jegliches Körpergefühl vermissen. Er hatte eine miserable Haltung, machte keinen Sport, seine Koordination war halsbrecherisch und sein modischer Stil war keiner. Er hatte trotzdem einen drahtigen Körper und konnte klettern wie ein Affe.
Als er gerade die Tanne am Eingang zu meinem Garten fertig beschnitten hatte, wir hatten Tee getrunken und etwas in der Sonne gelegen, wurde er wortkarg. Er hatte mir gezeigt, wie die Äste zu sägen und zu stapeln sind und auf die nächste Rückfrage, wie ich den größeren gekrümmten Ast am sinnvollsten zerkleinern sollte, entgegnete er nur patzig, dass ich ja ohnehin mache was ich wolle und er dazu nichts mehr sage. Ich war gekränkt, wusste ich doch nicht, wie ich mir seine Ablehnung zugezogen hatte. Er redete zwei Stunden kein Wort mehr mit mir und als ich ihn nach Hause brachte, bat er mich kleinlaut, zu blieben. „Ben, Kate wartet… wieso kommst du denn jetzt damit, wo ich es wirklich eilig habe und los muss?“ Er drehte sich hilflos und wütend um, seine Gefühle tobten wie Luftschlangen um ihn. Ich musste los. Meiner Freundin Kate hatte ich meine Hilfe beim Entzug zugesagt und ich wusste, dass sie mich wirklich braucht. Ich ließ Ben, fuhr zu Kate und nahm sie mit, machte ihr Essen und brachte sie in die Klinik.
Ben meldete sich, als ich gerade zurück in meiner Wohnung war. Ob ich mit der Fotze gefickt hätte, so wie ich mich ja immer von allen ficken lasse, und ob es mir Spaß mache, ihn vor anderen Leuten bloßzustellen, und dass ich nichts weiter sei als eine Dreckshure so wie alle Frauen. Dass ich lügen würde und er ein dummes Schaf sei, mir vertraut zu haben. Er habe sich geöffnet, aber ich nutze ihn nur aus.
Es schickte mir Bilder der Zerstörung: seine liebevoll entworfene Küche hatte seinen Ausbruch nicht überlebt. Ein kleinteiliges Trümmelfeld.
Ich antwortete nicht.
Dann: du bist das schlimmste, was mir je passiert ist. Du Hure. Ihr gehört alle gefickt und wegen Frauen wie dir gibt es Männer wie mich.
Seine ausgefeilten Zeichnungen, mit viel Geduld ganz fein ausgearbeitet, künstlerische Harmonie, Strahlen, Lachen, Liebe: hin.
Am Tag darauf klingelte Ben. Er weinte. Ob ich mit Kate ein Verhältnis habe, wollte er wissen. Oder mit jemand anderem.
Ich fing an zu weinen. Wie könnte ich unsere heilige Sexualität verraten? Ich war sprachlos.
Ich merkte, wie es ihn berührte, wie er wie aus einem bösen Traum erwachte, wie seine Liebe zurückkehrte und er unfassbar zerbrechlich vor mir stand, ebenso sprachlos wie ich. Er war so süß und sanft wie eh und je, die Tränen kullerten und er flehte mich an, ihm seine Dummheit und seine Anmaßung zu verzeihen, ihm meine Liebe nicht zu entziehen.
Ich habe Ben nie wieder gesehen.
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punkomantik · 4 years
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Ein Arschfick ist Erniedrigung nicht
Erniedrigung ist dein Gesicht
wenn es wegschaut
wenn es ganz laut
Obst
zu Innereien zerkaut
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punkomantik · 5 years
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Der Tag an dem du gingst war traumhaft. Sonnig. Frühlingshaft. Voller Leben.
Am Abend leuchtete die Sonne beim Untergang durch die Wolken einen Trichter in den Himmel. Erst später wusste ich, dass es dein Weg war.
Du bist eine Nacht lang qualvoll verblutet. Mich tröstet, das der Körper einen lindernden Chemiecocktail ausschüttet, dass der Tod dann meistens freundlich in weiß erscheint und dir jede Last genommen haben muss. Du hattest ein schönes Leben, ein glückliches oftmals, und auch wenn ich es dir leichter gewünscht hätte, so war es doch sicher tragbar und erfüllt.
Ich habe es als Ehre angesehen, dass ich die Spuren deines Kampfes beseitigen durfte. Gemeinsam mit deiner Freundin habe ich das Blut vom Schlafzimmer durch das Wohnzimmer durch die Küche bis ins Bad entfernt. Es war bereits einige Tage eingetrocknet. Eine zentimeterdicke schwarze Schicht im Bett. Kleine und große getrocknete Pfützen in der Wohnung, verschmierte Flecken, Schleifspuren: auf dem Fußboden, an den Wänden, an den Türen, im Bad, in der Toilette. Blut aus allen Körperöffnungen an allen Stellen deines Weges durch die Wohnung. Bist du getaumelt, gekrochen?
Liebevoll hab ich zur Kenntnis genommen, wie viele Reliquien aus unserer Zeit noch in deinem Leben eine Rolle gespielt haben: Küchengeräte, eine Foto von unserem Hund, Bücher, Andenken unserer Auslandsaufenthalte, deine Lieblingshose.
Ich wäre für dich bis ans Ende der Welt gefahren und trotzdem konnte ich für dich nicht da sein, als du mich am meisten gebraucht hättest. Ich konnte dir nur noch den Dienst erweisen, demütig auf meinen Knien dein totes Blut zu entsorgen. Deiner Freundin eine Schwester zu werden. Und dich loszulassen, denn du bist deinen Weg gegangen.
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punkomantik · 5 years
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Joseph Roth: Radetzkymarsch
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punkomantik · 5 years
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Ein allabendliches Ritual
Dritter Akt:
Erzähler: „Den dritten Akt gibt es in drei alternativen Fassungen.
Hier die Fassung 1:
Peter und Petra kugeln vergnügt auf dem Boden ihrer Wohnung. Zwei leere Flaschen und eine fast leere Flasche stehen rum.“
Peter: „Stop!“
Erzähler: „Petra zieht eine CD aus dem Regal.“
Petra: „Ooh!“ (überrascht) „Na da bin ich mal gespannt.“
Erzähler: „Petra legt eifrig die CD ein. Musik ertönt.“
Peter: „Haaaaaaaaa!“ (freudig erregt, hebt die Hand in die Luft und dreht sie aus dem Handgelenk schnell hin und her). „Das ist Third World, die hab ich mal beim Summer Jam gesehen. Hm, mach mal die Nummer 4, das ist geil!“
Erzähler: „Petra drückt am CD-Player rum. Poppiger Reggae ertönt. Peter steht auf und groovt mit.“
Peter (joggt auf der Stelle)
Petra (sitzt weiterhin auf dem Boden): „Wir müssen weitermachen.“ (eifrig) „Augen zu!“ (bestimmt, gespielt genervt)
Erzähler: „Einige Sekunden vergehen. Petra schrabbelt mit dem Finger am CD-Regal entlang.“
Peter: „Stop!“
Erzähler: „Petra zieht eine CD aus dem Regal.“
Petra: „Oh Gott, was ist das dem?“ (schaut gespielt ungläubig, verzückt, verliebt und kopfschüttelnd zu ihm.)
Erzähler: „Petra legt eine CD ein. Breiiger Synthesizer-Sound erklingt.“
Peter: „Ach du Scheisse, oh je, die hat Piet mir mal geschenkt. Oh Gott.“ (verzerrt das Gesicht vor Grauen). „Boah, die kann weg.“
Erzähler: „Petra und Peter werfen die CD übermütig aus dem Fenster im vierten Stock hinunter in die Altstadtgasse. Sie freuen sich diebisch und feixen wie verrückt.“
(Hält das Schild mit „Ende“ hoch.)
„Das war Fassung Nummer 1. Nun Fassung Nummer 2.“
Erzähler: „Petra und Peter hängen etwas schlaff am Tisch, aufgestützt, dicke rote Nasen. Drei leere Flaschen und eine halb leere Flasche Sherry stehen auf dem Tisch.“
Petra: „ Aber Zivilisation IST doch Konkurrenz! Was sonst? Das ist doch logisch und wenn du mal die aktuelle Philosophie-Diskussion verfolgt hättest… ach du raffst das eh nicht.“ (ärgerlich)
Peter: „Schon gut.“ (will beschwichtigen) „Du hast recht, wie immer.“ (beleidigt)
Petra (total bockig): „Mann, jetzt fängst du schon wieder an, echt, du Heulsuse. Nicht mal anständig diskutieren kann man mit dir.“ (genervt) „Ach lass mich doch in Ruhe.“
Peter (beleidigt und verletzt): „Bitte. Ich geh jetzt ins Bett.“
Petra: „Ich auch.“
Erzähler: „Peter geht ins Bett. Petra geht ins Gäste-Bett ins Arbeitszimmer. Peter kann nicht schlafen und will sich entschuldigen, aber Petra ist nicht aus dem komatösen Schlaf zu holen.
Peter (melodramatisch, mitleidig): „Du bist so klug. Aber Morgen weißt du nichts mehr von unserem Gespräch.“
(Hält das Schild mit „Ende“ hoch.)
„Das war Fassung Nummer 2. Es folgt Fassung Nummer 3.“
Erzähler: „In dieser Szene kann Peter auch Petra sein und umgekehrt.“
Erzähler: „Petra und Peter sitzen am Tisch voreinander, er hält ihre Hände. Drei leere Flaschen stehen auf dem Tisch.“
Petra (schluchzend, lallend): „Ich hab das noch gar nicht verarbeitet. Es belastet mich jeden Tag! Und der Stress, immer dieser Druck, von überall. Ich kann nicht mehr.“
Peter: „Ach mein Schatz.“ (verständnisvoll, tröstend) „Du brauchst mehr Ruhe.“
Erzähler: „Das war Fassung Nummer 3.“
(Hält Schild mit „Ende“ hoch. Nimmt es wieder runter. Hält es wieder hoch.)
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punkomantik · 5 years
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Ein allabendliches Ritual
Zweiter Akt:
Erzähler: „Peter kauft zwei Sekt und einen Winzerschoppen in der Weinstub um die Ecke. Es regnet, der Hund stinkt.“
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punkomantik · 5 years
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Ein allabendliches Ritual
Ein Ein-Frau/Mann-Stück
Requisite: ein Schild, auf dem „Ende“ steht
Erzähler: „Herzlich willkommen zum Theaterstück ‚Ein allabendliches Ritual‘.
Dramatis Personae:
Erzähler, gespielt von Schauspieler 1
(Erzähler verbeugt sich)
Peter, gespielt von Schauspieler 1
(Tritt vor und verbeugt sich)
Petra, gespielt von Schauspieler 1
(Tritt vor und verbeugt sich)
Hund, spielt aber keine Rolle“
Erster Akt:
Erzähler: „In einer etwas chaotischen und überladenen Altbauwohnung in der Mainzer Innenstadt.“
Peter (steht an der Tür, Leine in der Hand): „Tschühüs!“ (winkt)
Petra (sitzt im Schneidersitz auf dem Boden, schreibt aus einem Buch ab, sachlich, freundlich, leicht abwesend): „Bringst du‘n Sekt mit?“
Peter (rollt leicht mit den Augen, schaut leicht verzweifelt, lässt beide Arme hängen): „Spatzlum, muss das sein!? Wir können doch nicht jeden Abend...“
Petra (schaut auf, grinst leicht, unschuldig): „Aber Mann,“ (Geste: Hand wird aus dem Handgelenk mit abgespreizten Fingern vom Körper weggedreht, Handfläche zeigt nach oben) „doch nicht JEDEN Abend. Nur heute, ausnahmsweise. Bitte!“ (treuer Blick)
Peter (kompromissbereit): „Gibt‘s denn was zu feiern?“
(Macht Petra mit hoher Stimme nach) „NaTÜRlich gibt‘s was zu feiern. Meine neuen Schuhe, mein gutes Aussehen, dass ich dich lieb hab“ (nachmachend: große Augen, betörendes Blinzeln, lächeln und grinsen).
(Normale Stimme, seufzt) „Hach“ (grinst), „mein Kerl“ (lacht), „du bist unmöglich.“ (gibt ihr eine Kopfnuss)
Erzähler: „‚Du bist unmöglich’ bedeutet ‚ich hab dich lieb‘.“
Petra (lacht und freut sich): „Du bist ein Schatz!“ (überzeugend, wirft ihm einen Kuss nach). „Danke!“
Erzähler: „Peter geht mit dem Hund aus der Tür.“
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punkomantik · 5 years
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Die perfekte Teekanne
Kate kam tränenüberströmt zu mir, der Kajal schon bis zur Nasenspitze verlaufen. Völlig nüchtern, ganz klar, ganz bei sich - tieftraurig, enttäuscht, verletzt, wütend. Ein großes Glas stellte ich ihr trotzdem hin, entkorkte einen Rotwein und frittierte Salbei in der Pfanne. Frittierter Salbei geht immer. Ihre Freundin hatte ihr gerade gesagt, dass sie sie liebe, sehr, für immer mit ihr zusammen sein wolle, sie eine großartige Frau sei, dass sie unglaublich attraktiv sei, und dass auch ihr Bauch, der mit knapp 40 Jahren und durch ein mittlerweile fast aus der Pubertät entwachsenes, jugendliches kleines Mini-Wunder wundervoll weich ist, ihrer Schönheit keinen Abbruch täte.
Kate, von schlanker Statur, hervorragend proportioniert, hat ein Bäuchlein, das ein Teil ihres Lebens erzählt. Unter einem kleinen Speckgürtel liegen solide Muskeln, die sich am oberen Rand, zwischen und unter den Rippen, andeuten. Weiter unten sind keine Muskeln zu sehen: die Fettschicht darüber ist zu dick. Sie ist nicht dick, aber zu dick, um die Muskeln darunter zu sehen. Es könnten 2cm Fett sein, die über den Muskeln liegen.
Und dieses Bäuchlein sollte also, der Aussage von Kates Freundin zufolge, geeignet sein, die sonstige Schönheit in Frage zu stellen, statt die Schönheit zu unterstreichen, gar wesentlich auszumachen?
Kate war zutiefst getroffen. Wie es sein könne, dass dieser Bauch, der das Wunder neuen Lebens vollbracht hat, als weniger schön betrachtet wird als einer, der das noch nicht geschafft hat? Weniger schön als einer, bei dem auf der Muskelschicht kein Fett zu sehen ist oder auf dem die Haut anliegt wie Frischhaltefolie? Wie kann es sein, dass diese Leistung den weiblichen Wert, den der Körper einer Frau darstellt, schmälert statt fördert? Ist das nicht eine Perversion schlechthin?
Kate sagt: wenn ich eine Teekanne kaufen möchte, dann will ich eine Teekanne mit bestimmten Eigenschaften. Meine sollte mindestens einen Liter fassen und ich möchte eine, die auf mein Stövchen passt und nicht wackelt. Sie soll rund sein, das finde ich hübsch, und der Henkel geschwungen und sie darf nicht Tropfen, denn ich kann es nicht leiden, wenn’s nach jedem Ausgießen tropft und ich aufwischen muss. Dies sind die mindest-Vorraussetzungen für meine Teekanne. Ich gehe in den Laden und finde eine, die wirklich hübsch ist, mit Blümchen. Ich finde sie sehr nett und nehme sie mit. Aber immer wieder träume ich davon, eine zu haben, die auch einen Goldrand hat und bei der der Henkel etwas ausladender geschwungen ist. Ich liebe meine Kanne, sie ist jetzt lange bei mir und hat viel mitgemacht, es ist „meine“ Kanne und man sieht ihr ihre treuen Dienste an. Aber eigentlich hätte ich doch immer lieber eine gehabt, die meinem Ideal voll und ganz entspricht. Bin ich nicht auch eine Teekanne? Mindest-Standards erfüllt, aber eben doch nur hübsch und nett und „ihre“, aber eben nicht die Schönste und Tollste, die man sich vorstellt und erträumt?
Vielleicht können die Augen der Liebe die Sichtweise verändern, fragte ich Kate. Wenn ihre Freundin sie mit Liebe betrachtet, könnte sie auch den Bauch lieben und großartig finden. Ja, resignierte Kate, aber es bezieht sich immer auf die Leistung dahinter und nicht auf die sexuelle Anziehung, die offenbar für Kates Freundin ausschließlich in der Optik liegt.
Nein, die Optik alleine ist es nicht. Es ist die Mischung aus der wunderbaren Frau und einem wundervollen Körper. Und niemand ist perfekt für einen anderen. Kate maulte, dass niemand perfekt ist und doch jeder perfekt ist. „Gott macht keine Fehler.“ Und außerdem geht es hier um den perfekten Körper.
Wenn Kate liebt, wird ihre Freundin dadurch perfekt. Sie passt perfekt, weil die jeweilige Freundin das ist, was Kate gerade braucht. Sozusagen vom Universum zur idealen Entwicklung zur Verfügung gestellt. Mit einem perfekten Körper. Kate hat kein anderes Ideal als ihre Freundin. Welche auch immer das in diesem Moment ist. Kates Freundin ist immer die schönste und schärfste Frau der Welt. Denn Kate schaut sie mit Hingabe und Liebe an, sie vergleicht nicht und erstellt kein Ideal daneben. Der Körper ihrer Freundin ist immer perfekt. Nicht etwa, weil sie, wie sie jetzt moniert, in dem Körper die Geschichte sieht. Sondern weil es der Körper ist, den sie liebt. Und allein dieser Körper ist der Maßstab, da ihre Liebe der Maßstab ist.
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punkomantik · 5 years
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Milan Kundera: Die Unwissenheit (2000)
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punkomantik · 5 years
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Jemand
Ich liege hier rum und frage mich
ob jemand mich mag oder ob eher nicht,
ob jemand denkt, ich sei liebenswert,
ob jemand sich noch nach mir verzehrt,
ob jemand denkt ich sei ungerecht,
hinterhältig, gemein oder abgrundtief schlecht,
ob jemand denkt ich sei ärgerlich
oder wütend, traurig, säuerlich,
ob jemand denkt ich sei ne Niete im Bett,
billig und schlampig und obendrein fett,
ob jemand denkt, ich sei schön und schlau,
ob jemand denkt: wow, was für ne Frau!
Ob erbärmlich, dumm oder lächerlich
ob wundervoll, ob großartig,
komisch, albern oder chaotisch
Witzig, spritzig, lieb oder frisch...
Ich liege hier rum und frage dich:
Bist du jemand? Und wer bin ich?
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