Tumgik
#aber als er ihn abgeholt hat aus dem gefängnis
lalalaugenbrot · 9 months
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ich weiß das ist anderthalb Jahre her aber irgendwie haben wir nicht genug darüber geredet, dass Leo Adam Handschellen anlegen musste :(
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pointwhitmark · 16 days
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15 und/oder 16 von der Prompt Liste für Cotta/Goodween oder Cotta/Reynolds? ✨
Thank you😊
+++
15. Slowly accumulating items that's more your style than theirs
Cotta/Goodween
Cotta sah ihn schon den ganzen Tag komisch an.
Schon am Morgen, als Cotta ihn netterweise abgeholt und zu seinem Gerichtstermin gefahren hatte. Den Anzug, den er nur für offizielle Anlässe wie Zeugenaussagen vor Gericht trug hatte er bei sich zu Hause im Schrank und nicht bei Cotta, bei den inzwischen eine ganze Menge seiner Sachen 'wohnten'.
Cotta hatte ihn begrüßt, ihn geküsst, ihm gesagt, wie gut er aussah und ihm viel Erfolg gewünscht. Dann hatte er die ganze Fahrt über immer wieder aus dem Augenwinkel zu Goodween herübergeguckt. Und nicht auf die übliche Art.
Sie waren inzwischen seit über einem Jahr zusammen und Goodween hatte geglaubt, alle von Cottas 'Blicken' zu kennen. Anscheinend nicht.
Beim Mittagessen in der Kantine hatten sie sich wieder gesehen. Wieder dieser Blick. "Was ist dir denn passiert?", fragte Morales im Vorbeigehen und mit breitem Grinsen. "Gerichtstermin.", antwortete Goodween, wusste er doch, das Morales auf seine ungewöhnliche Kleidung anspielte. "Sogar mit Krawatte, man-o-man. Geht er wenigstens ins Gefängnis? Hat sich der Aufwand gelohnt?" "Ja, sieht gut aus." "Na immerhin."
Cottas Blick war das ganze Gespräch über nicht von ihm gewichen. Dafür hatte Goodween inzwischen einen sechsten Sinn. Er wusste aber immer noch nicht, warum Cotta ihn so anguckte.
Er sollte es erst am Abend erfahren.
Zwischenzeitlich hatte Goodween den Anzug abgelegt und seine Uniform angezogen. Jetzt stand er vor der geöffneten Spindtür und überlegte, ob er das Hemd mit den vielen, kleinen Knöpfen wirklich wieder anziehen musste, oder ob er unbemerkt mit nur dem Jackett bis zu seinem Auto kam.
Die Tür öffnete sich. Cotta trat ein. Der Blick war wieder da. Doch diesmal bestand er mindestens zur Hälfte auch aus einem anderen Blick. Und den kannte Goodween nur zu gut. Sofort wurde ihm wärmer und die Motivation das Hemd ordentlich anzuziehen geringer.
"Goodween.", sagte Cotta, "Ich überlege schon den ganzen Tag, was an die anders ist als sonst." "Und ich dachte, du seist Inspektor.", sagte Goodween, "Das war doch wirklich offensichtlich. Im Gegensatz zu dir laufe ich schließlich in Uniform und nicht im Aufzug der Investmentbanker herum."
Cotta trat hinter ihn, legte ihm eine Hand auf die Schulter, beugte sich leicht vor, um ihm ins Ohr flüstern zu können: "Für die Frechheit mich als Investmentbanker zu bezeichnen sollte ich dich bezahlen lassen." Ein Schauer lief durch Goodween. Es ging doch nicht darüber, Cotta ein wenig aufzuziehen.
Cotta griff über ihn hinweg in den Spind. "Das war es.", sagte er mit der Erleichterung einem Menschen, der ein Rätsel gelöst hatte. Er hielt die Krawatte in der Hand. "Huh?", machte Goodween.
Das rote Stück Stoff glitt durch Cottas Finger. Goodween wäre es lieber, wenn Cotta ihn und nicht seine Krawatte so anfassen wurde.
"Das ist keine von meinen.", sagte Cotta nachdenklich, "Und auch nicht die eine, die du für förmliche Anlässe besitzt."
Goodween zuckte mit den Schultern. "Nein, die habe ich mir neulich gekauft, du weißt schon, als ich eigentlich auf der Suche nach ein paar neuen Schuhen war."
Völlig überraschend packte Cotta ihn an den Schultern, drehte ihn herum um presste ihn gegen den geschlossenen Spind neben seinem. Das kalte Metall an seinem Rücken merkte er kaum, da Cotta ihn so leidenschaftlich küsste, dass ihm Hören und Sehen verging.
Ihre Beziehung war kein Geheimnis, aber Goodween war doch froh, dass sie von der offenen Spindtür zu seiner rechten ein wenig abgeschirmt wurden. Cotta presste sich auf ganzer Länge gegen ihn, dominierte den Kuss, hatte Goodween fest an der Hüfte gepackt.
"Nicht, dass ich mich beschwere.", sagte Goodween, als sie sich zum Atmen voneinander lösten, "Aber was hat das ausgelöst?"
Jetzt bemerkte er, dass Cotta noch immer die Krawatte in der Hand hielt. Der Stoff strich über Goodweens Haut, da Cotta auch ihn noch immer festhielt.
"Weiß nicht, aber dass du eine Krawatte gekauft hast... Das macht irgendwas mit mir. Ist doch eigentlich gar nicht dein Stil."
Goodween musste grinsen. "Da hat wohl deine Eitelkeit auf mich abgefärbt.", sagte er und wurde erneut in einen leidenschaftlichen Kuss gezogen.
"Lass uns nach Hause fahren.", schlug Goodween vor, als sie sich nach einer langen Weile erneut voneinander lösten. Cotta schien zu überlegen, doch dann gewann das Versprechen der Ungestörtheit und einer bequemen Matratze überhand. "Dann beeil dich mal!", verlangte er.
Mit aller Seelenruhe nahm Goodween das Hemd aus dem Spind, streifte es sich über die Schultern und begann damit die kleinen, widerspenstigen Knöpfe zuzumachen. Cotta sah ihn ungläubig an.
Als er auch noch die Hand ausstreckte, um sich die Krawatte geben zu lassen, stöhnte Cotta frustriert.
16. Knows your schedule from the back of their head (and gets shocked when there is a sudden change in your routine)
Cotta/Reynolds
Samuel Reynolds drehte die Herdplatte herunter, ließ die Soße nur noch ganz leicht köcheln. Dann setze er den Wasserkocher auf, hing einen Teebeutel in eine Tasse und wartete.
Es war Freitag Abend und außerdem der Freitag vor Cottas Urlaub. Wie schon die letzten Jahre hatte er seinen Lebensgefährten in der Woche vor dessen wohlverdientem Urlaub kaum gesehen. Zu viel zu tun, zu viele lose Enden, bevor er drei Wochen verschwinden konnte.
Heute Abend würde Cotta nach seinem offiziellen Feierabend noch mindestens drei Überstunden machen, um seinem Vertreter eine detaillierte Übergabe zu schreiben und sein Büro aufzuräumen. Merkwürdigerweise hatte Cotta im alltäglichen Umgang kein Problem mit dem Chaos auf seinem Schreibtisch, wollte aber nach den Urlaub in ein aufgeräumtes Büro kommen.
Reynolds hatte den Verdacht, dass es eine Schutzmaßnahme war, damit ihm seine Kollegen nicht unbemerkt neue Akten unterjubeln konnten, während er weg war.
Mit dem Tee ging Reynolds auf seinen Balkon. Die letzten Strahlen der Sonne verschwanden gerade hinter den Horizont. Eine gute Stunde würde er noch warten müssen.
Kaum hatte er den ersten Schluck Tee getrunken hörte er einen Schlüssel im Schloss. Alarmiert stand er auf.
"Cotta?", rief er in den dunklen Flur. Niemand sonst hatte einen Schlüssel. Plötzlich schlug sein Herz bis zum Hals. Und nicht auf die gute Art und Weise. Es musste etwas passiert sein.
Sie trafen sich in der Mitte des Flures. Cotta umfing ihn sofort mit einer Umarmung und einen erleichterten Geräusch.
"Ist was passiert?", fragte Reynolds besorgt. "Was?", fragte Cotta, hörbar aufgeschreckt durch Reynolds Tonfall, "Nein, es ist nichts passiert. Warum fragst du?"
"Du bist zu früh.", sagte Reynolds, "Normalerweise wärst du noch mindestens eine Stunde im Büro, so direkt vor deinem Urlaub."
"Ich habe das Büro diesmal einfach abgeschlossen. Gibt es halt Chaos, wenn ich zurückkomme. Und einen verdurstenden Kaktus.", sagte Cotta.
Er hatte Reynolds noch immer nicht losgelassen. Sie standen noch im Flur, die Arme fest umeinander geschlungen. "Ich konnte einfach nicht länger warten, dich zu sehen.", gestand Cotta.
Reynolds drücke ihn noch einmal ganz fest, dann löste er sich von seinem Partner. "Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Einfach früher nach Hause kommen." Reynolds schüttelte demonstrativ den Kopf.
Cotta legte ihm eine Hand ans Kinn, sah ihm tief in die Augen. "Wie kann ich es wieder gut machen?"
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dermontag · 2 years
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Großfahndung in USA Gefängniswärterin verschwindet mit Häftling 02.05.2022, 22:13 Uhr Es ist ihr letzter Arbeitstag vor dem Ruhestand, ihr Haus hat sie kurz zuvor verkauft: Im US-Bundesstaat Alabama ist eine Gefängnisaufseherin offenbar mit einem Gefangenen durchgebrannt. Der mutmaßliche Mörder ist laut Polizei "extrem" gefährlich. Hinweise werden mit 10.000 Dollar belohnt. Eine Gefängnisaufseherin soll im US-Südstaat Alabama einem mutmaßlichen Mörder zur Flucht aus der Haft verholfen haben. Gegen Vicky White wurde ein Haftbefehl erlassen, wie der Sheriff des Bezirks Lauderdale County, Rick Singleton, sagte. Der 56-Jährigen wird vorgeworfen, die Flucht des nicht mit ihr verwandten Casey White "erlaubt oder erleichtert zu haben". Die Behörden suchen seit Tagen unter Hochdruck nach der Gefängnisaufseherin und dem mutmaßlichen Mörder. Vicky White hatte Case White am Freitagmorgen aus dem Gefängnis von Lauderdale County abgeholt - angeblich, um ihn zu einer psychologischen Untersuchung vor Gericht zu bringen. Die beiden kamen aber nie im Gericht an und verschwanden. Bald wurde klar, dass es nie einen solchen Termin gegeben hatte. Vicky White verstieß zudem gegen eine Regel, wonach gefährliche Straftäter von mindestens zwei Beamten begleitet werden müssen. Es gebe "absolut" die Möglichkeit, dass die beiden eine Beziehung hätten, sagte Sheriff Singleton bei einer Pressekonferenz. Sicher sei dies aber nicht. "Wir wissen, dass sie teilgenommen hat", sagte der Sheriff über die Flucht des Häftlings. "Ob sie es willentlich gemacht hat, oder ob sie irgendwie gezwungen oder bedroht wurde, sich an diesem Ausbruch zu beteiligen, ist nicht wirklich sicher." Leerer Wagen auf Parkplatz gefunden Vicky White habe ihre Kollegen am Freitagmorgen überzeugt, dass sie die einzige verfügbare Beamtin mit Schusswaffenlizenz sei, um den mehr als zwei Meter großen und 118 Kilogramm schweren Häftling zum Gericht zu bringen, sagte Sheriff Singleton. Der 38-Jährige sei dann mit Hand- und Fußfesseln in einen Streifenwagen gesetzt worden. Der Wagen wurde später leer auf einem Parkplatz gefunden. Den Behörden zufolge gibt es gleich mehrere Hinweise auf eine Komplizenschaft der Aufseherin. Der Freitag war ihr letzter Tag in dem Job - sie sollte dann in den Ruhestand gehen. Außerdem hatte sie etwa einen Monat zuvor ihr Haus verkauft. Der US Marshals Service, der für die Fahndung nach flüchtigen Straftätern mitverantwortlich ist, hatte am Sonntag eine Belohnung von 10.000 Dollar für Hinweise zum Aufenthaltsort von Case White und Vicky White ausgelobt. Die Gefängniswärterin wurde zu diesem Zeitpunkt noch als "vermisst und gefährdet" eingestuft. Case White hatte 2020 den Mord an einer 58-Jährigen im Jahr 2015 gestanden. Zum Zeitpunkt des Geständnisses saß er bereits eine 75-jährige Gefängnisstrafe wegen anderer Straftaten ab. Die Behörden beschreiben ihn als "extrem" gefährlich. "Er hat nichts zu verlieren", sagte Sheriff Singleton.
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photolyserg · 4 years
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boom boom tam tam von mc iwas
"Wenn ihr was sagt, werdet ihr alle sterben" Von
Marco Fieber
Aktualisiert am 19. August 2020, 10:10 Uhr
Nach der Präsidentschaftswahl sind die belarussischen Behörden brutal gegen Protestierende und Passanten vorgegangen. Drei Betroffene haben unserer Redaktion ihre Geschichte geschildert – und von Schlägen, Demütigungen und Folterungen bei der Festnahme und im Gefängnis berichtet.
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Okrestino. Allein der Name der Haftanstalt im Südwesten von Minsk sorgt bei Menschen in Belarus für Angst. Denn das Untersuchungsgefängnis ist weit über die Grenzen der belarussischen Hauptstadt bekannt. Bekannt für den unmenschlichen Umgang mit den Inhaftierten. Und dieser Tage insbesondere mit jenen, die im Zuge der seit mehr als einer Woche anhaltenden Proteste festgenommen wurden.
Seit dem Tag der Präsidentschaftswahl am 9. August steckten Sicherheitskräfte offiziellen Angaben zufolge mehr als 6.700 Menschen in Haft. Männer, Frauen, Jungen, Mädchen, Alte und Junge. Oftmals willkürlich, fast immer mit Gewalt. Tausende wurden zwar mittlerweile wieder freigelassen. Doch die, die über ihre Haftzeit sprechen, berichten alle ausnahmslos von Schlägen, Demütigungen und Folterungen.
"Wir mussten für 17 Stunden an einem Zaun stehen, Beine schulterbreit, Arme nach oben. Wir durften nur zum Zaun schauen und uns auf keinen Fall umdrehen. Sobald die Wärter meinten, wir hätten uns bewegt, wurden wir mit einem Schlagstock traktiert", sagt Jewhen Wasilijew. Der ukrainische Menschenrechtsaktivist war vom 12. bis zum 14. August in Okrestino inhaftiert.
Unserer Redaktion hat er seine Geschichte in einer langen Sprachnachricht geschildert. Zudem haben wir mit einem festgenommenen Israeli gechattet sowie mit der Schwester eines Inhaftierten telefoniert. Alle drei erzählen von brutal vorgehenden Beamten, von Grausamkeiten, von unmenschlicher Behandlung. Ihre Aussagen decken sich mit den Berichten anderer freigelassener Inhaftierter in belarussischen sowie internationalen Medien.
Ein Wärter gab die Anweisung, die Frau nicht zu verschonen
Wasilijew arbeitet als Projektkoordinator bei der ukrainischen Organisation Vostok SOS. Der verheiratete Familienvater war nach Minsk gereist, um dort zusammen mit dem Leiter von Vostok SOS, Kostjantin Reuzki, Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren.
Als Wasilijew vergangenen Mittwoch im Stadtzentrum filmte, wie ein Mann erst festgenommen und dann in einem Polizeiauto zusammengeschlagen wurde, hielten Polizisten auch ihn fest (das nachfolgende Video zeigt seine Festnahme). "Sie haben mich einem Vorgesetzten vorgeführt, der mich direkt beleidigte und ins Gesicht schlug."
Wasilijew wurde zusammen mit Reuzki inhaftiert, im Gefängnis seien immer mehr Gefangene dazu gekommen. "Am Ende waren etwa 50 Leute im Hof, unter ihnen drei Frauen, eine von ihnen wurde sehr stark geschlagen." Einer der Wärter habe die Anweisung gegeben, sie nicht zu schonen, sondern ihre Beine so weit auseinander zu halten, "dass ihr am nächsten Morgen die Gebärmutter herausfällt", wie sich Wasilijew erinnert.
Er berichtet von weiteren Misshandlungen und Folterungen: Einem neben Wasilijew stehenden Mann mit langen Haaren habe ein Polizist die Haare abgeschnitten. Und einem anderen hätten sie ein Stück seiner Hose am Hintern abgerissen und ihm angedroht, ihn mit dem Schlagstock rektal zu vergewaltigen, wenn er sein Handy nicht entsperre. "Er hat sich lange gewehrt, bis sie ihre Drohung umgesetzt haben. Sie haben ihn so stark verprügelt, dass er nicht mehr stehen, sondern nur noch liegen konnte", sagt Wasilijew.
Nicht alle Wärter verhielten sich unmenschlich
Nach und nach hätten sie alle Inhaftierten "bearbeitet". "Diejenigen, die von den Demonstrationen kamen, wurden am schlimmsten geschlagen, im Auto und auch im Gefängnis", erläutert Wasilijew. Die von ihm beobachteten Taten seien sowohl von Polizisten, als auch von Beamten der inneren Sicherheit sowie der Spezialeinheit OMON ausgegangen.
Junge Milizionäre, etwa 20 Jahre alt, wie Wasilijew schildert, hätten die Befehle der älteren ausführen müssen. "Und wenn die jungen das nicht gemacht haben, zwangen die älteren Milizionäre sie, mehr Gewalt anzuwenden." Zugleich betont Wasilijew aber, dass sich nicht alle Wärter unmenschlich verhielten. Zweimal sei er sogar auf die Toilette geführt worden und es wurde ihm erlaubt, sich dort kurz auszuruhen und zu strecken.
Nach der ersten Nacht seien Wasilijew und Reuzki jedoch von Polizisten abgeholt worden, die "viel schlimmer" waren. "Die Gefängniswärter kamen mir vor wie Engel im Vergleich zu denen." Sie hätten nur geschrien, nie normal geredet und immer wieder Befehle erteilt, die nie ihren Ansprüchen genügen konnten.
"Okrestino ist eine Folterkammer"
"Okrestino ist eine Folterkammer, schlimmer als die Hölle", sagt Alexander Fruman. Der Datenwissenschaftler wanderte in den 1990er Jahren nach Israel aus und kehrte nun nach Minsk zurück, um seiner Frau seine Heimatstadt zu zeigen.
Bei einem Spaziergang am 10. August fotografierte er einen Bus mit Polizisten. Diese seien sofort aus dem Bus gesprungen und hätten ihn vor den Augen seiner Frau verprügelt und mitgenommen. Auf der Fahrt in die Haftanstalt haben die Festgenommenen gebetet, dass sie nicht nach Okrestino kommen, erinnert sich Fruman.
"Ich habe 78 Stunden in der Haft verbracht." Vor allem die ersten 16 Stunden im Polizeirevier seien "sehr schwer" gewesen. "Ich wurde gefoltert und gezwungen, in unbequemen Positionen über Stacheldraht gebeugt zu stehen."
"Die Polizisten schlugen mich mit Gummistöcken und Händen", erzählt Fruman weiter. Dass er israelischer Staatsbürger ist, habe ihm nicht geholfen – im Gegenteil. "Sie haben mich mit antisemitischen Flüchen belegt und mich manchmal dafür [wegen seiner jüdischen Herkunft, Anm. d. Red.] geschlagen. Sie drohten, mich erneut zu beschneiden."
Wie "im Dritten Reich"
Bei der Verlegung vom Polizeirevier in die Haftanstalt nach Schodsina, etwa 55 Kilometer nordöstlich von Minsk, hätten die Menschen übereinander gelegen. "Ein Typ, der unter mir lag, wurde ohnmächtig. Ein anderer schiss sich in die Hose." Wie in Minsk sei auch das Gefängnis in Schodsina überfüllt gewesen. In einer Zelle für acht Personen seien sie zu achtzehnt gewesen.
Wie Wasilijew habe auch Fruman mit ansehen müssen, wie andere misshandelt wurden. "Ich sah, wie ein geistig behinderter Mann gefoltert wurde. Er war 21, verhielt sich aber wie ein Sechsjähriger. Das alles erinnerte mich an die Umstände im Dritten Reich." Die Beamten hätten Freude an dem gehabt, was sie taten. Für Fruman seien sie "Sadisten".
Geschlagen bis zur Bewusstlosigkeit
Dass das brutale Vorgehen von Polizeieinheiten und Sicherheitskräften nicht nur auf die Hauptstadt beschränkt blieb, zeigen nicht nur zahlreiche Videos von gewaltsamen Festnahmen im ganzen Land, sondern auch der Fall eines 36 Jahre alten Programmierers aus Hrodna an der Grenze zu Polen.
Er war am Wahlabend auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, erzählt seine Schwester Violetta Belskaja am Telefon. Die 20-Jährige lebt in Deutschland, wegen Sicherheitsbedenken soll der Name ihres Bruders nicht veröffentlicht werden.
In einem Innenhof in der Nähe seines Büros sei eine OMON-Einheit auf ihn zugestürmt und hätte sofort auf den 36-Jährigen eingeprügelt. "Sie haben ihm mit Schlagstöcken auf den Kopf geschlagen, auch als er am Boden lag. Er war kurz bewusstlos und kam erst im Polizeibus wieder zu Bewusstsein." So begann sein erster Kontakt zur Polizei in seinem Leben, sagt seine Schwester.
Der IT-Experte wurde ihr zufolge in eine örtliche Haftanstalt gebracht. "Dort waren bereits sehr viele Menschen. In einer Zelle für vier Personen waren etwa 20 Leute." Alle hätten stehen müssen. Als sich ihr Bruder weigerte, das Passwort für sein Handy zu verraten, sei er misshandelt worden. "Vier oder fünf Beamte hielten ihn fest und stießen ihn kopfüber in ein Klo", sagt Belskaja. Sie bemerkt: "Im Vergleich zu anderen Fällen war das noch harmlos."
Es wurde gedroht: "Wenn ihr was sagt, werdet ihr alle sterben"
Weil das Gefängnis so voll war, hätten die Menschen im Hof auf dem Boden mit dem Gesicht nach unten liegen müssen. "Die Wärter haben sich auf die Inhaftierten gestellt und sind auf sie draufgesprungen." Belskaja glaubt, dass es gebrochene Wirbelsäulen und Nacken geben muss.
"Jeder, der sich auch nur ein wenig gewehrt hat, wurde mit Schlagstöcken verprügelt", berichtet Belskaja weiter. Eine Frau habe ihre Periode gehabt. "Ihr wurden Hygieneartikel verweigert, sie wurde ausgelacht und ihr Blut ins Gesicht geschmiert." Allen sei gedroht worden: "Wenn ihr was sagt, werdet ihr alle sterben." Es habe all die Zeit kein Wasser und kein Essen gegeben. Das Licht war Tag und Nacht an.
"Du hast dich beschwert? Pass auf, da kommt noch was!"
Insgesamt war ihr Bruder 24 Stunden in Haft. "Aber er befindet sich weiter in einer schwierigen Situation", sagt Belskaja. Ein Amtsarzt hätte es abgelehnt, die blauen Flecken des 36-Jährigen zu registrieren und ein Gutachten zu schreiben. Die Polizei hätte die Wohnung durchsucht und seinen Laptop mitgenommen. "Du hast dich beschwert? Pass auf, da kommt noch was!", hätten die Beamten ihrem Bruder gesagt. Und ihm eine mehrjährige Haftstrafe angedroht.
Wenn sie auf dem Computer nichts finden, was sie ihm anhängen können, würden sie etwas fingieren, ist sich Belskaja sicher. Aus diesem Grund ist ihr Bruder untergetaucht. "Wir können nicht zu ihm, er kann nicht zu uns." Belskaja versucht nun, ein Visum für ihren Bruder zu bekommen, sodass er ausreisen kann – bisher vergeblich.
Die Ungewissheit und die Angst ist groß, aber die 20-Jährige hat immerhin Kontakt zu ihrem Bruder. Anders bei mehr als einem Dutzend Frauen und Männern, von denen derzeit jede Spur fehlt. Sie verschwanden während der Proteste. Viele gehen vom Schlimmsten aus.
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Chapter Thirty-One
Am folgenden Montag verging der Vormittag in der Schule wie bereits am Freitag. Harry vermied es, das Klassenzimmer zu verlassen, ging vor dem Unterricht direkt ins Klassenzimmer und nahm sich für die Pause etwas zu essen von zuhause mit, um mittags nicht in die Cafetaria gehen zu müssen.
Louis war sehr sauer, wenn er es auch nicht zum Ausdruck gebracht hatte, so hatte er es mehrfach gesagt. Deshalb ging er ihm aus dem Weg, bis Louis deutlich machte, dass er zu einer Einigung bereit war. Dieses System von Streits in Beziehungen war ihm von seinen Eltern mehr als bekannt. Sich ärgern, schreien, damit dem Ärger Luft machen, einander aus dem Weg gehen, anschweigen, sich Ruhe gönnen, eine Pause zum Nachdenken, dann die Entschuldigung, Einigung, Kompromissfindung. Seine Mutter hatte seinem Vater oft Zugeständnisse machen müssen, nach einem Streit, so sehr sie auch die Oberhand haben mochte, sich gelegentlich schon bei einer Tasse Kaffee mit einer Freundin über den kommenden Triumph freute, bei den meisten Streits, vor allem, wenn das Konfliktthema die Arbeit war, ging sie leer aus. Sein Vater hätte schließlich nicht einfach kündigen können, er lief sonst Gefahr, monatelang arbeitssuchend zu sein. Seine mickrige Schulbildung hätte ihm lange Arbeitslosigkeit eingebracht, der Job im Lagerhaus war trotz der unglücklichen Arbeitszeiten besser als die Aussicht auf Arbeitslosengeld, die Verpfändung des Hauses und der Umzug in eine Wohnung, die den Bedürfnissen von Harrys Mutter – der freien Entfaltung ihres kreativen Geistes – niemals hätte gerecht werden können. Seine Eltern hatten ihn seltenst mit in solche Streits involviert, meist nur indirekt, indem sich der jeweilige anwesende Elternteil als der bessere präsentierte, weil er schließlich für Harry da war. „Papa kann dich zwar ab jetzt nicht mehr ins Bett bringen, aber ich bin ja da. Ist ja auch nicht schlimm, wenn er weg ist.“ oder „Deine Mutter hat sich in ihrem Atelier verschanzt / ist auf einer Vernissage in der Kunstgalerie, aber ich bin auch noch da, um dich zum Fußball zu fahren. Ist doch sowieso besser. Wir Männer müssen zusammen halten, richtig, Harry?“ oder Sprüche wie diese hatte er sich nur allzu oft anhören müssen, von klein auf. Ihm war bis heute nie bewusst gewesen, dass es so war, aber nun, da er es Revue passieren ließ, fiel ihm auf, dass die Ehe seiner Eltern schon immer sehr stark gekrieselt hatte und so oder so irgendwann auf eine Scheidung hinausgelaufen wäre. Mit Sätzen wie diesen hatten sie schon früh beeinflusst, auf zu wem Harry nach einer Trennung gezogen wäre. Letztendlich hatten sie allein wegen ihm immer weiter durchgehalten, was entweder ziemlich stark und liebevoll war oder absolut lächerlich und dumm. Irgendwann gab es keine Kompromisse mehr, niemand wollte mehr Zugeständnisse machen, Geliebtes aufgeben, man blieb stur, hielt an seinem Standpunkt fest, man stürzte sich nur ins Unglück, mit der Beziehung, zu der man sich zwang, weil man sich an sie gebunden fühlte. Wegen dem Anblick des Rings, dem ein bis zum Tode währendes Versprechen auferlag, wegen eines Kindes...
Ein deprimieender Gedanke. Eine fast dreizehn Jahre andauernde Ehe, die wohl die Hälfte der Zeit unglücklich, zwanghaft weitergeführt worden war. Das wollte er mit Louis nicht. Er würde aussteigen, wäre er jemals unglücklich in dieser Beziehung, fügte sie ihm jemals mehr Schaden zu, als sie ihm nutzte, ihn erfreute.
Aber was war ihr Kompromiss? Wie groß waren die Zugeständnisse, die Harry machen musste? Eine Entschuldigung und alles blieb beim alten? Eine Entschuldigung dafür, dass er eben war wie er war? Dafür konnte er nichts. Er hatte Ängste, die real waren, die er sich nicht nur einbildete, sondern die wirklich waren, begründet. Es war nicht so, als hätte er Angst vor Louis haben müssen, es war beinahe schon dämlich, dass er zwei so grundlegend unterschiedliche Dinge gedanklich nicht voneinander trennen konnte. Aber wie sollte er auch? Wie sollte er sich schon bewusst machen, dass Liebe nichts mit dem Spiel von Macht und Unterwerfung zu tun hatte, das sein Vater mit ihm spielte. Er kannte nichts anderes als das. Er kannte keine Art von Körperkontakt, die Zuneigung ausdrücken wollte.
Dann kam Louis aus dem Hintergrund und erwartete von ihm, dass sie sich ihre Liebe auf körperliche Weise zeigten. Würde er wohl darauf bestehen? Ihm ein Ultimatum stellen? „Gib mir einen Grund, warum wir es lassen sollten, oder wir tun es. Oder das war ’s.“ Würde er sich so weit wagen? Er würde nicht gewinnen. Er musste es einfach hinnehmen. Nicht für immer, nur so lange, wie es nötig war, bis … keine Ahnung. Bis Harry eine dritte Lösung gefunden hatte, die nicht mit Tod oder Gefängnis in Verbindung stand. Es musste doch wohl eine geben. Na ja, es gab eine. Die bestand jedoch darin, weiter mit der jetzigen Situation auszuharren und sobald er achtzehn war, sich sein Erbe auszahlen zu lassen, auszuziehen und auszuwandern, soweit er nur weg konnte. Am besten gleich in eine Psychatrie, wo er mit seiner eigenen, verworrenen Art des Stockholm Syndrom hingehörte. Ja, das schien ihm der beste Vergleich. Stockholm Syndrom. Entführt werden, aber sich von seinem Entführer so gepflegt und umsorgt fühlen, dass man eine emotionale Bindung aufbaute. Vom Entführer Nahrung zu bekommen und alle anderen menschlichen Bedürfnisse zu stillen zu können, so dass man sich emotional an ihn band – schließlich bewahrte er vor dem Hungertod und der vollkommenen Verwahrlosung. Harrys Situation war ähnlich. Er war nie gekidnappt worden, aber mittlerweile kam er sch zuhause wie ein gefangener vor, der jedoch stark emotional an den gebunden war, dem er die missliche Situation verdankte. Ein wahres Dilemma.
Was sollte er Louis nur sagen? Das ist keine Option für mich, ich kann dir in tausend Worten sagen, was du mir bedeutest und du kannst es genauso. Keine Berührungen.
Schön zurecht gelegte Worte, die er Louis jetzt im Sportunterricht sagen konnte, falls dieser ihn um eine Aussprache bat. Immerhin konnte er ihm jetzt im Sportunterricht nicht wirklich ausweichen. Höchstens bis ans andere Ende der Turnhalle konnte er gehen, aber auf die ganze Doppelstunde gesehen würde er selbst das wohl nicht durchziehen können.
Letztendlich hatte er nur ein paar Seitenblicke von ihm über sich ergehen lassen müssen, Louis hatte keinerlei Anstalten gemacht, ihn überhaupt anzusprechen. Womöglich brauchte er noch etwas mehr Zeit, dache Harry, beim Verlassen der Kabine nach dem Sportunterricht. Aber als er dann die Hände in die Jackentaschen stopfte, um sie vor der Kälte zu schützen, fand er einen Zettel in der linken Tasche.
Um vier am Spielplatz x L
Als Harry am Parkplatz vorbei ging, sah er gerade, wie Joanna das Auto aus dem Parkplatz manövrierte. Louis sah ihn kurz an und wandte dann bewusst den Kopf ab. Was er seiner Mum wohl gesagt hatte, warum Harry heute nicht mit ihnen fuhr? Ob er sie wohl anlog?
Harry überlegte. Wenn der Bus, mit dem zu fahren er nun gezwungen war, um zwanzig vor vier ankam und die Bushaltestelle gleich neben dem Kindergarten mit angrenzendem Spielplatz war, was machte er dann zwanzig Minuten lang? Nachhause zu gehen brachte ihm ohne Haustürschlüssel auch recht wenig. Egentlich wollte er nur noch in ein warmes Bett mit einer Tasse Minztee. O Louis, wieso musste alles nur so schrecklich kompliziert werden? Was, wenn er ihn tatsächlich vor die Wahl stellte? Könnte er es verkraften, Louis zu verlieren? Könnte er eine körperliche Beziehung ertragen? Beides war ihm nicht angenehm.
Nachdem er den Bus in Scawsby verlassen hatte, saß er zunächst ein paar Minuten auf einem Sitz an der Bushaltestelle, dann ging er jedoch auch schon zum Spielplatz denn der Metallsitz war so kalt, dass ihm schauderte.
Der Kindergarten war leer, die letzten Kinder waren längst abgeholt. Harry stieg über den etwa Hüfthohen Zaun mit den weißen, mit Blumen verzierten Holzlatten. Louis kam etwas früher, schon kurz nachdem die Kirchturmglocken zur Dreiviertelstunde geschlagen hatten.
„Ich habe vergessen, dass du ohne mich ja nicht rein kommst und dein Vater montags auch am Nachmittag arbeitet.“ Er setzte sich auf die Schaukel neben Harrys. „Ich hab mich beeilt, herzukommen. Wenn dir kalt ist, können wir auch zu mir gehen.“
„Mir ist nicht wohl dabei. Ich will erst wissen, wo wir mit unserer Beziehung stehen.“
„Vielleicht, wenn du mir erklärst, warum du so plötzlich abhauen wolltest, dann kann ich es irgendwie verstehen und komme mir nicht so verdammt dämlich vor. Ich kann einfach nie nachvollziehen, was in deinem Kopf vorgeht, wenn du so etwas machst.“
Harry schwieg mit großen Augen. Er brauchte einen Moment, um sich ein paar neue Worte zurecht zu legen.
„Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich tue mir aus bestimmten Gründen, die du nicht wissen musst, schwer mit Körperkontakt und aus denselben Gründen, die für dich wirklich nicht relevant sind, hat es mich angewidert, zwei Menschen zu sehen, die so innigen Körperkontakt austauschen. Das war sehr weit außerhalb meiner Komfortzone. Und zu wissen, dass das zu sehen nicht nur okay für dich ist, sondern dir auch gefällt und dich erregt und du das vielleicht irgendwann auch mit mir tun möchtest … das war mir viel zu viel. Irgendwie geht mir im Moment alles viel zu schnell mit unserer Beziehung. Ich habe kaum Zeit, mich an etwas zu gewöhnen, schon kommt noch etwas und noch etwas hinzu – Dinge, die mir gefallen, auf eine Weise, die ich noch nicht kenne und zu der ich noch nicht bereit bin, sie näher zu erforschen. Ich weiß nicht, ob du das verstehst. Ich hoffe es.“
„Irgendetwas in der Richtung habe ich schon geahnt. Ich hate zumindest gehofft, dass dich der Anblick von purer Homosexualität nicht total anwidert, sonst hätte ich wirklich nicht gewusst, wie es mit unserer Beziehung weitergehen soll.“ Er machte eine kurze Pause. „Niall hat mir gesagt, ich solle dich nicht zwingen, mit deine Gründe zu nennen, wenn du das nicht willst – es kommt mir wie ein wichiges Detail vor, das ich übersehe. Ich hätte eher darauf bestanden, es zu erfahren, aber er hatte recht mit dem, was er gesagt hat. Und ich bin bereit, unsere Beziehung so weiter zu führen wie davor, wenn du willst auch einen Rückschritt zu machen. Du sollst dich damit wohl fühlen. Es ist immerhin genauso deine Beziehung wie meine.“
„Es wird der Tag kommen, irgendwann, an dem du meine Gründe auf die eine oder andere Art und Weise erfahren wirst, aber das kannst du mit nichts, was du sagst, beeinflussen. Es gibt keine passenden Worte, um dir meine Situation zu erklären, das wird mir jedesmal, wenn ich daüber nachdenke, wieder bewusst.“ Harry sah in den Himmel. „Ich glaube, man muss sie erst noch erfinden. Ich habe Angst davor, wie und wie sehr es unsere Beziehung beeinflussen wird, wenn du es weißt.“ Er sah wieder in Louis’ Gesicht, so als wolle er ihm die Möglichkeit einräumen, dazu etwas zu sagen, aber der schien nicht weiter zu wissen. „Was unsere Beziehung im Moment angeht, weiß ich nicht, ob ich einen Rückschritt machen will, aber ich brauche Zeit, um mich daran zu gewöhnen.“ Er lächelte ein merkwürdiges Lächeln. „Ich hab noch nicht einmal wirklich darüber nachgedacht, ob ich schwul bin.“
„Ist doch egal. Vielleicht bist du schwul, vielleicht bist du bi, vielleicht bist du pan und vielleicht nichts von alldem. Man muss nicht allem einen Namen geben.“
„Manchmal habe ich Angst, ich sei asexuell und dann weiß ich nicht weiter. Dann seh ich keine Zukunft für unsere Beziehung, weil ich vielleicht nie dazu in der Lage sein werde, bestimmte Dinge zu tun, die für dich total zu einer Beziehung gehören.“
„Das ist scheiße.“ Louis sah auf seine Schuhe, seine Fußspitzen malten in den Kies. „Aber wer weiß schon, was morgen sein wird. Es kommt doch auf das Heute an.“
„Im Heute, gerade jetzt, denke ich darüber nach, wie schön es wäre, würdest du meine Lippen warm küssen. … Jetzt komme ich mir kitschig vor, weil ich es laut ausgesprochen hab. Vergiss es einfach.“ Jetzt waren Harrys Wangen nicht mehr nur wegen der Kälte so rot.
„Das hast du schön gesagt. Weiße Flagge?“
„Ja, weiße Flagge.“
„Okay, dann lass mich deine Lippen warm küssen.“ Er zog die Kette heran, mit der Harrys Schaukel am Gerüst verankert war, und legte zaghaft eine Hand in den Nacken. Ein prüfender Blick – es schien okay für ihn zu sein – dann kam der langersehnte Kuss.
Louis sah auf seine Uhr. „Noch genug Zeit, um uns bei einem Tee aufzuwärmen und dann zurück zu gehen. Bist du dabei?“
Harry nickte lächelnd. „Aber ich muss zumindest noch mit den Hausaufgaben anfangen. Nur um den Schein zu wahren.“
„Damit kann ich leben.“ Er nahm Harrys Hand und schob sie zusammen mit seiner in seine Jackentasche.
Pünktlich um fünf vor fünf kam Harry nach Hause und setzte sich auf den kalten Treppenabsatz, um dort noch ein paar Minuen zu frieren und bemitleidenswert auszusehen, wenn sein Vater von der Arbeit zurück kam. Seine Lüge musste schließlich authentisch sein.
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prseiten · 7 years
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Als die Stasi eine Liebe rettete, ein Mann vor dem Spiegel und Sympathie im Weltraum - Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis
Die Liebe, die Liebe in verschiedenen Varianten, das ist vielleicht das allen Gemeinsame aller fünf Deals der Woche, die im E-Book-Shop www.edition-digital.de eine Woche lang (Freitag, 01.09. 17 – Freitag, 08.09.17) zu jeweils stark reduzierten Preisen zu haben sind. Da geht es um einen vermeintlichen Liebes- und einen echten Landesverrat (oder eine Republikflucht, wie man damals sagte), um die wenig liebevollen Folgen einer defekten Kaffeemaschine, um die Liebe zur Natur im Allgemeinen und zu Bäumen im Speziellen sowie um das süße Geheimnis eines verzauberten wilden Apfelbaumes, der fast übersehbar in einer Hecke auf dem Feld steht, sowie um die Liebe zum Leben eines jüdischen Jungen in Deutschland, England und Australien der 30er und 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts und nicht zuletzt um sehr menschliche Beziehungen in einer fernen Zukunft, die zwischen zwei Menschen manchmal mit (gegenseitiger?) Sympathie beginnen. Das wird in der Zukunft nicht anders sein als heute und als früher. Und da gibt es natürlich noch die Liebe zur Literatur und zum Lesen. Fünf Gründe dafür bringt dieser aktuelle Newsletter. Lassen Sie sich einladen: Erstmals 1961 erschien im Henschelverlag Berlin das Buch „Septemberliebe“ von Herbert Otto: Das Leben des Chemikers Dr. Hans Schramm läuft ohne Probleme, bis er sich in Franka, die Schwester seiner Verlobten Hanna verliebt. Auch Franka liebt ihn, kämpft aber gegen ihre Gefühle an, weil sie ihrer Schwester nicht den Mann ausspannen will. Zu diesem Konflikt kommt ein weiterer ganz anderer Art: Schramm ist ins Visier eines westdeutschen Agentenrings geraten, der von ihm Informationen über seine chemischen Forschungen erpresst. Aus Angst vor Repressalien weiß er keinen anderen Ausweg, als in den Westen zu flüchten. Franka verhindert dies durch eine entsprechende Mitteilung an die Staatssicherheit der DDR. Schramm fühlt sich von der geliebten Frau verraten und begreift erst allmählich, dass sie für ihn nur das Beste wollte. Das Drehbuch zu dem DEFA-Film von 1961 (Regie: Kurt Maetzig) steht im krassen Gegensatz zu dem, was man heute über die Stasi hört und liest. Gerade deshalb ist das Buch ein wichtiges Zeitdokument. Und man merkt diesem Buch natürlich an, dass es die Veröffentlichung des Drehbuches zu dem DEFA-Film „Septemberliebe“ ist. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde die Form des Drehbuches allerdings nicht beibehalten: so sind rechte und linke Seite zusammengeschrieben, Regie- und Kameraanweisungen sowie Musikeinblendungen wurden weggelassen. Der Leser wird unschwer die Filmvorlage erkennen, und es wird für ihn von Interesse sein, durch Text und Bild mit dem Stoff des Films näher bekannt zu werden. In diesem Sinne: Film ab! „Korridor in einem Städtischen Krankenhaus Es ist Nacht. Der lange Korridor liegt still und im Halbdunkel. An einer Tür leuchtet ein Lichtsignal auf. Schwester Franka tritt aus einem der Zimmer auf den Korridor, schließt leise die Tür hinter sich, öffnet eine andere Tür und tritt ein. In diesem Zimmer stehen sechs Betten, fünf Patienten schlafen, nur einer wacht. Es sind unfallchirurgische Fälle; einige haben Gliedmaßen in Gips, tragen Verbände und Schienen. Franka tritt an das Bett des wachliegenden Mannes und reicht ihm eine Tablette und ein Glas Wasser. Sie geht an ein anderes Bett, zieht über dem Patienten die Decke zurecht. Im Zimmer ist nur der schwache Lichtschimmer, der vom Korridor hereinfällt. Nachdem sie mit ihren kleinen Handreichungen fertig ist, geht sie wieder auf den Korridor, öffnet die Tür zum Schwesternzimmer und geht hinein. Gedämpftes Licht von einer Tischlampe fällt auf einen Medikamentenschrank und auf medizinische Geräte. Franka tritt ans Fenster, draußen ist es dunkel. Die Scheiben sind teilweise mit Eisblumen bedeckt. Es schneit, auf dem Fensterbrett ist sogar Schnee angeweht. Franka steht am Fenster und blickt hinaus, die Fensterscheiben spiegeln ihr Bild wider. Sie wendet sich um und betrachtet nervös die Gegenstände im Zimmer: auf dem Schreibtisch das Telefon, ein aufgeschlagenes Buch, und über der Tür die elektrische Uhr, deren Sekundenzeiger ruckweise vorwärtsspringt. Es ist kurz vor vier. Frankas Blick ist unruhig, so, als erwarte sie etwas. Sie scheint zu horchen, sie geht zum Schreibtisch, setzt sich unschlüssig. Ihr Blick fällt auf das Buch, sie nimmt es und versucht zu lesen. Aber es gelingt ihr nicht, sich zu konzentrieren. Sie schiebt das Buch zur Seite und blickt wieder zur Uhr. Plötzlich surrt leise das Telefon. Franka erschrickt; froh, dass sich endlich etwas ereignet, meldet sie sich: „Unfallstation ...“ Anscheinend liegt eine falsche Verbindung vor, denn Franka sagt: „Nein ... Hier ist das Städtische Krankenhaus ... Ja, bitte...“ Sie legt den Hörer auf und kehrt wieder zu sich selbst, zu ihrer Unruhe zurück. Sie blickt abermals zur Uhr. Der Sekundenzeiger läuft um. Mit leisem Knacken rückt der Minutenzeiger einen Strich weiter. Immer noch vier Stunden. - Um acht Uhr werden wir uns wiedersehen … Er wird heute aus der Untersuchungshaft entlassen. Er wird nicht im Gefängnis sitzen ... Ich kann es noch gar nicht glauben, dass er mich sehen möchte ... nach allem ... Es scheint, als sei unsere Liebe doch am Leben geblieben ... Unsere Liebe - ... sie hat es schwer gehabt ... vom ersten Tage an ... Es begann, als wir uns das erste Mal sahen ... Es war im Juli. Er war Doktor rer. nat. geworden, und das sollte an diesem Abend gefeiert werden ... Ich hatte ihn bis dahin nie gesehen, ich wusste nur, dass meine Schwester und er heiraten wollten ... Ein Gartenlokal an der Saale an einem Sommerabend In einem Gartenrestaurant sind etwa zwanzig Personen versammelt. Kollegen von Hans und Hannelore. Sommerblumen stehen auf den Tischen. Dicht am Restaurant vorbei fließt die Saale. Im Vorgarten stehen Tische und Stühle, an denen Gäste sitzen. Einige junge Burschen arbeiten an einem Koffermagnettongerät, schließen Kabel an und legen ein Band auf. Franka steht dabei. Jetzt tritt Hannelore hinzu; einen Packen Telegramme und Briefe in der Hand, sagt sie mit entschuldigender Geste: „Hans muss gleich kommen ... Ich habe im Werk angerufen. Es war irgendeine Störung an der C-16-Apparatur“ - und mehr zu Franka gewandt: „Vater hat ihn abgeholt; sie sind schon seit einer Stunde unterwegs.“ Hannelore geht durch den Vorgarten. Franka sieht ihr noch eine Weile nach, zufrieden über das Glück der Schwester. Dann wendet sie sich zu den jungen Leuten am Magnettongerät: „Ach, bitte Musik! Wir wollen doch tanzen!“ In diesem Augenblick kommt Bewegung in die kleine Gruppe. Hans, in einem hellen Sommeranzug, betritt von Vater Hübental begleitet den Garten. Er trägt einen großen Blumenstrauß in der Hand, wird umringt und begrüßt. Gratulationsrufe klingen durcheinander: „Herzlichen Glückwunsch!“ „Es lebe unser frischgebackener Doktor!“ „Und mit ,sehr gut‘ bestanden!“ „Alle Achtung!“ Jemand hat die Dissertation von Hans in der Hand und liest den sehr komplizierten Titel vor. Franka steht ein wenig abseits, blickt hinüber, nähert sich dann langsam dem Kreis. Hannelore steht vor Hans und markiert scherzhaft einen Knicks. „Noch einmal ganz offiziell: Ich gratuliere!“ Sie blickt auf den Blumenstrauß, den Hans immer noch in den Händen hält. Hans umarmt Hannelore, gibt ihr einen herzhaften Kuss. Dann aber sucht sein Blick das Zimmer ab, er entdeckt seine Mutter, die unweit an einem der Tische sitzt. Hans drängt sich zu ihr durch. Hannelore bleibt offensichtlich ein wenig enttäuscht zurück, während Hans seiner Mutter die Blumen überreicht, sie umarmt und sagt: „Herzlichen Dank, Mutter ... für alles.“ In Frankas Gesicht kommt ein kleines warmherziges Lächeln. Sie ist beinahe gerührt. Nun tritt Hannelore heran und zieht sie zu Hans. „So - und das ist meine kleine Schwester!“ Hans lacht Franka vergnügt an. „Es wird ja auch höchste Zeit, dass wir uns endlich kennenlernen! Hannelore hatte schon Angst, dass Ihr Kurs erst nächste Woche zu Ende wäre.“ Franka sagt sofort: „Dann hättet ihr eben noch eine Woche warten müssen mit der Doktorfeier! So ein Fest ohne mich? Ausgeschlossen!“ Hans und Franka lachen sich an, finden einander sympathisch. Hannelore überreicht Hans die Telegramme: „Hier, noch Telegramme für dich.“ Hans öffnet sie und liest, während ihm seine Freunde über die Schulter sehen: „Weiter gute Erfolge!“... Hochschulgruppe der FDJ. Und aus Berlin-Charlottenburg ... „Bin stolz auf Dich. Erwarte noch viel von Dir!“ Jemand ruft dazwischen: „Hört, hört! Der Ruf unseres Alchimisten ist schon bis nach Westberlin gedrungen!“ Hannelore glaubt, Hans verteidigen zu müssen: „Das ist sein Onkel! Er hat Hans sehr unterstützt während der Studienzeit.“ Wer genau hinsieht, bemerkt, dass Hans diese Verteidigung nicht sehr angenehm ist. Auch Franka scheinen Hannelores Worte nicht zu gefallen. Sie sagt lachend, durchaus ohne provozierenden Unterton: „Und ich dachte, er hat auf Staatskosten studiert!“ Hans wird aufmerksam. Anscheinend hat er so etwas von Hannelore nie gehört. Erstaunt und ein wenig bewundernd blickt er diese „kleine Schwester“ an. Das Aggressive an ihr gefällt ihm. Plötzlich setzt Musik ein, lautes Rufen und Zustimmung. Jemand ruft: „Ehrenrunde für den Doktor und Hannelore!“ Die Gäste bilden einen Kreis. Hans eröffnet mit Hannelore den Tanz. Bald aber gibt es eine Unterbrechung. Die Wirtin ist herangetreten, fasst Hannelore am Arm und spricht sie entschuldigend an: „Fräulein Hübental - einen Moment bitte! Telefon! Wegen der Eisbombe ...“ Hannelore geht, mit einer kleinen entschuldigenden Geste zu Hans, hinaus. Hans will ihr nachrufen, lässt es dann aber und blickt sich einige Augenblicke lang suchend um. Franka schaut ihn an und fängt seinen Blick auf. Langsam geht er auf sie zu. „Darf ich bitten? ´“ Auch um Liebe und zwar um einen „seltenen Fall von Liebe“ geht es in dem erstmals 1978 und danach in mehreren weiteren Auflagen im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig erschienenen Band mit Erzählungen von Joachim Nowotny „Ein seltener Fall von Liebe“: Liebe also. Und Geschichten. Demnach Liebesgeschichten? Ja, aber. Wie will man es nennen, wenn einer seinen Ehebruch beichtet? Etwa das Gegenteil einer Liebesgeschichte? Oder wenn einer seiner Einbildungskraft folgt und prompt im Bett eines wohlbehüteten Mädchens landet? Na also! Oder wenn ein Alter sein - unser - Leben liebt, wenngleich ihm seine Freuden durch die geliebte defekte Kaffeemühle vergällt sind, worauf er keineswegs mit Liebeserklärungen reagiert. Wie bezeichnet man das unentwirrbare Bündel von Gefühlen Halbwüchsiger, denen Geschichten passieren, in denen (vielleicht zum ersten Male) Mädchen vorkommen, wie die Gemütsbewegungen eines Lehrers angesichts der Not seines Sorgenschülers? Darf man von Liebe reden, wenn einer, der zwar abseits wohnt, aber unter uns lebt, nicht weiß, dass er einem Damenstiefel tragenden Phantom verfallen ist? Und in diesem Zusammenhang von einer Geschichte, in der ein Dorfgastwirt alles, was er über den Fall weiß, der Kriminalpolizei erzählt. Es wird sich zeigen. Man lese. Eine der Geschichten wurde übrigens 1976 vom Deutschen Fernsehfunk unter dem Titel „Ein altes Modell“ in der Regie von Ulrich Thein verfilmt. Und hier ein Auszug aus einer der Liebes-Erzählungen von Joachim Nowotny. Wie hieß es doch eben so schön: Man lese: „Kleine Fische Gleich früh ist Stimmung in der Bude. Eine Zucht, schimpft Frieda. Kein Verlass auf die Mannsbilder. Bruno, auf den das gemünzt ist, tut nicht dergleichen. Er steht vor dem Spiegel, im Unterhemd, mit heruntergelassenen Hosenträgern, er rasiert die Stelle unterm Kinn. Die Stoppeln sind grau geworden in den Jahren. Weich geworden sind sie nicht. Und unterm Kinn hat er so einen Wirbel. Da muss er Ruhe bewahren. Außerdem: Wer wird gleich springen, wenn Weiber kaffern! Friedas Atem ist kurz und stoßend. Sie kann nicht reden jetzt, nicht, bevor der Kaffee fertig gemahlen ist. Bruno streicht das Kinn, er hebt sich auf die Zehenspitzen, sieht Frieda im Spiegel, wie sie da sitzt auf dem Stuhl vor dem Küchentisch, die Mühle zwischen den Knien. Bei jeder Drehung stößt sie mit dem Ellenbogen gegen die Brust. Muss ja nicht unbedingt sein, denkt Bruno. Das kann dumm ausgehen. Und froh, dass dies sein Entschluss ist, beschließt er, ein Ende zu machen. Er zieht sich an, setzt sich an den Tisch, übersieht die braune Henkeltasse, aus der der frisch gebrühte dampft. Kaffee trinkt er nur aus Gesellschaft. Geschmack hat er nicht von so was. Und heute wird er seiner besseren Hälfte keinen Grund geben, noch einmal über ihn herzufallen. Er trinkt Wasser. Isst Brot und Stangenkäse. Wischt sich den Mund mit dem Handrücken, nutzt die Bewegung gleich, um auf den Schrank zu langen. Her mit dem elendigen Ding! Wäre ja gelacht. Das Ding verschwindet in der Joppentasche. Es beutelt ganz schön. Und Frieda ruft was von Schlumpsack aus dem Fenster. Aber Bruno hört es nicht mehr. Er ist schon unterwegs. Unterwegs mit der elektrischen Kaffeemühle, die nun endlich repariert werden muss. Früher, denkt Bruno, während er aufs Rad steigt und aus dem Hoftor kurvt, früher wäre das keine Begebenheit gewesen. Da wärst du zu Zapke-Alfred hintenrein gegangen. Und der Gehilfe hätte sich das Ding vornehmen müssen. Du hättest mit dem Alfred derweil einen Schnaps getrunken. Und einen Schlag geredet. Oder auch zwei, je nachdem, wie lange das dauert. Früher hatte Bruno keine elektrische Kaffeemühle. Frieda hat mit der Hand gemahlen, und nie war die Brust im Wege. Tja, früher, denkt Bruno. Er blinzelt in die Morgensonne, um mit der Melancholie fertig zu werden. Fertig ist er sehr schnell damit, wenn er an heute denkt. Zapke-Alfred ist tot. Elektromeister gibt es keinen mehr im Ort. Dafür eine Annahmestelle für kaputtes Zeug. Bruno stellt die Mühle hart auf den Ladentisch. Tja, dauert vier Wochen! Was, vier Wochen? Tja, es wird eingeschickt. Bruno rafft die Mühle an sich. Die kriegen Sie nicht! Vor Rias Gasthaus winkt Heider-Karl. Um zehn wird offiziell geöffnet. Nicht für Heider-Karl, der kann in die Küche. Er würde Bruno mitnehmen, würde sagen: Das ist mein Freund. Ria wäre machtlos. Seit wann gelten Öffnungszeiten, wenn Freunde sich treffen. Aber Bruno sieht über Heider-Karl in die Luft. Was braucht er einen Parlamentär. Er könnte Tag und Nacht zu Ria in die Küche, wenn er wollte. Jetzt will er nicht. Jetzt muss er das elendige Ding unterbringen. Vor der Post überlegt er einen Moment. Straße oder Schiene? Der Bus fährt eher. Bei der Reichsbahn aber hat er früher mal auf der Strecke gearbeitet. Das entscheidet. Bruno stellt das Rad bei Boblitz ab, der hat hinten auf den Bahnhof zu einen Schuppen. Er wird gucken, der Adolf, wird denken: Nanu, ein Rad. Das denkt er immer, bei jedem Rad, das zu ihm gestellt wird. Wegen der Steuer. Viele zahlen fürs Unterstellen, wenige nicht. Solange sich Boblitz-Adolf wundert, kann der Fiskus nicht an ihn ran. Der Zug fährt erst um neun. Neun Uhr sieben. Bruno rechnet um: also acht Minuten vor viertel zehn. Einmal Rentner, sagt Bruno am Schalter. Die Stimme klingt poltrig in der leeren Halle. Das Mädchen hinter der Scheibe sagt nicht muh noch mäh. Es schiebt ihm eine Fahrkarte in die Kreisstadt hin. Schlechte Nacht gehabt, das Ding, denkt Bruno. Er überlegt, ob er das anbringen könnte. Sieht sich das Mädchen an, verzichtet darauf. Sie ist ihm zu grün für so was. Die Bahnhofsuhr zeigt acht Uhr dreiundvierzig. Bruno zieht seine Taschenuhr und vergleicht. Missmutig stellt er sie drei Minuten vor. Lieber würde er die Bahnhofsuhr zurückstellen. Aber er kommt da nicht ran. Bei Franz ist schon auf. Franz hat es nicht gern, wenn einer Kneipe zu einem Bahnhofslokal sagt. Er wischt die chromblitzende Theke genau an der Stelle, auf die Bruno mit dem Fingerknöchel geklopft hat. Wischt und wischt. Heil, Kneipe! hat Bruno gesagt. Bist du aktiv, murmelt Franz. Bleib lieber liegen mit dem Arsch im Bette. Er zapft ein Glas Bier. Bruno stößt das Kinn nach vorn. Was verstehst du schon. Unsereins hat egalweg zu tun. Das will Bruno eigentlich sagen. Aber er sagt: Bin schon halb fünf raus, heute. Er trinkt sein Bier in einem Zug. Franz wackelt anerkennend mit den Ohren. Die Augen verschwimmen in Wasser. Das Gesicht besteht nur noch aus Nase. Aus einer roten Knollennase. Bruno setzt sich. Ist ja noch Zeit. Und am Tisch sitzt so was wie ein verständiger Mensch. Da hat man Gesellschaft. Prost, sagt Bruno. Der verständige Mensch nickt. Noch eine Cola bitte. Cola ist nicht gut, sagt Bruno. Macht Mücken im Bauch, Bier müssen Sie trinken, junger Mann. Doch nicht jetzt, am frühen Morgen. Der Morgen ist nicht früh. Es ist gleich neun Uhr. Vier Minuten vor neun, sagt Bruno, die Taschenuhr gezückt. Zwei Minuten bis neun, sagt der verständige Mensch. Vier, sagt Bruno, ich hab gestellt.“ Was hat eine Hexe mit einer Mundharmonika zu tun? Wolf Spillner weiß es zu erzählen. Erstmals 1983 erschien im Kinderbuchverlag Berlin sein Buch „Die Hexe mit der Mundharmonika und andere Geschichten“: Die Begegnung mit der Natur ist wie der Kontakt mit einem Menschen. Man muss hinsehen, zuhören und sich einstellen können, darf nehmen, aber auch geben und muss sich, wenn nötig, einsetzen, dann kann im Miteinander Liebe und Freundschaft wachsen. Dass dieses Einanderverstehen nicht immer leicht ist, erfährt Kerstin. „Du bist ein Sprüchemacher“, ruft sie ihrem Vater zu, der seinen Worten unerwartete Taten folgen lässt. Der alte Mann erfährt, dass seine Gemeinschaft mit den Vögeln ihm nicht allein gehören darf. Mit den Vögeln und den Jungen wird er reicher, die Gemeinschaft schöner. Wolf Spillners Sorge gilt in den neun Geschichten den alltäglichen Begegnungen, in denen sich die Haltung der Menschen zeigt. Und hier als kleine Kostprobe und eine der neun Geschichten. Sie heißt „Mein schönster Baum“ und geht so: „Ihr könnt sagen, es lohnt nicht, über Bäume nachzudenken. Sie stehen da und sind aus Holz. Wir können es zu Balken schneiden oder Möbel daraus bauen oder auch Geigen und Mandolinen. Aus Holz können wir Papier machen und aus dem Papier schöne Bücher mit Bildern. Das alles ist richtig. Aber wir können Bäume auch anders sehen. So wie mein Freund Werner. Vor seinem Haus steht eine Schwarzpappel. Das ist ein breiter Riese mit schweren Ästen und dicker Borkenrinde. Von einem Ast pendelt ein Schaukelbrett an einer langen Kette. Darauf können unsere Kinder durch den Sommer fliegen. Im April blüht die Riesenpappel. Das ist lustig — ihre Blüten sehen wie Raupen aus, rot und silbern. Die ersten Stare schwatzen dann in ihren Zweigspitzen, und im Sommer, wenn die Felder schwer von Hitze sind, finden wir unter ihrer Krone kühlen Schatten. Auch die Traktoristen und Mähdrescherfahrer rasten hier gern zur Mittagszeit. Ein freundlicher Baum, sagen sie. Im Herbstwind fliegen die Pappelblätter wie goldfarbene Herzen auf den Acker, und mein Freund Werner meint: „Das ist der schönste Baum, den es gibt!“ Wir wollen ihm nicht widersprechen. Die große Schwarzpappel ist sein Freund. Aber wir haben andere Freunde und kennen andere Bäume, die wir lieben. Für den einen kann das die Fichte sein, die stattlich und schlank am Berghang wächst, für den anderen die Kastanie, die ihre braunen Früchte aus Igelschalen auf den Schulhof wirft. Oder wir denken an Birken, deren weiße Stämme zu tanzen scheinen, an das brennend rote Herbstlaub eines Spitzahorns und an die glatten Silbersäulen des Buchenwaldes. Wie reich sind unsere Dorflinden an Honig, und nach heißem Harz duften die ernsten Kiefern in der blühenden Heide. Ach, es gibt so viele Bäume, die wir lieben können. Mein schönster Baum steht in einer Hecke auf dem Feld. Er ist nicht groß, und vielleicht ist er auch gar nicht schön. Seine Zweige bergen kein Vogelnest. Um seinen Wurzelfuß blühen keine Siebensterne wie unter den stattlichen Eichen im Wald. Er ist so unscheinbar, dass wir an ihm vorüberlaufen können, vor allem im Winter, wenn seine Zweige kahl und schwarz sind. Jedoch im Mai, da müssen wir stehen bleiben, ob wir wollen oder nicht. Wir müssen ganz tief Atem holen — ein Riesenblumenstrauß strahlt und duftet aus der Hecke! Das ist der wilde Apfelbaum. Im Herbst trägt er kleine, harte Früchte. Sie schmecken nicht gut, sie sind so schrecklich sauer. Also ein völlig unnützer Baum, werdet ihr sagen. Aber ich will ein Geheimnis verraten. Der wilde Apfelbaum hat einen Ast, an dem herrliche süße Früchte wachsen. Sie sind dunkelrot und rund. Und ein anderer Ast trägt längliche Äpfel, gelb wie Honig, mit feinen Streifen. Sie schmecken ein wenig nach Bananen. Beide Äste wachsen viel schneller als die anderen am gleichen Stamm. Wer mag den Baum verzaubert haben? Vater Jonas! Er ist ein alter Gärtner, der stets ein krummes Messer in der Jackentasche trägt, ein Arbeitsmesser mit schwarzem, abgewetztem Griff. Mit diesem Messer in der Tasche ist Vater Jonas zu dem wilden Apfelbaum gegangen. Er hat damit zwei Äste gestutzt, an den Stümpfen die Rinde aufgeschlitzt und zwei kleine Reiser hineingesteckt. Dann hat er Bast darum gebunden und Baumwachs aufgetragen. Die Reiser schnitt er von seinen guten Obstbäumen im Garten. Jetzt wachsen sie am Wildapfelbaum, und im Herbst leuchten köstliche Früchte zwischen den kleinen sauren Apfelzwergen. Der alte Vater Jonas hat Äpfel genug in seinem Garten. Er verschenkt sie an unsere Kinder. Er brauchte nicht noch mehr. Und doch sucht er am Waldrand und in den Feldhecken noch immer nach wilden Apfelbäumen. Warum, haben wir gefragt. Da hat er gelächelt: Bäume sind unsere Freunde. Freunde soll man reicher machen!“ Erstmals 1957 veröffentlichte Walter Kaufmann im Verlag Neues Leben Berlin seinen Roman „Wohin der Mensch gehört“: Der Autor, der als Kind jüdischer Adoptiveltern mit viel Glück vor den Nazis aus Deutschland fliehen konnte, erzählt darin auf beeindruckende Weise von seiner Kindheit und Jugend in Deutschland, England und Australien. Nehmen wir uns die Zeit und schauen wir in den Ersten Teil und in den Anfang des 1. Kapitels dieser berührenden Lebensbeschreibung: „Der Wind jagte Regenwolken über den Himmel. Die Waldbäume neigten sich. Herbstlaub tanzte in der Luft und irrte über den Boden. Der Wind trug eine schwermütige Weise zu ihnen herüber: Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum ... Als sie das Singen hörten, blieben sie stehen. Die junge Frau sah den Knaben an. „Horch!“, sagte sie und begann leise mitzusingen: Ich träumt’ in seinem Schatten ... Der Junge war noch klein, sieben Jahre alt, und hatte einen matten olivbraunen Teint. Seine Durchsichtigkeit konnte darauf schließen lassen, dass er krank gewesen sei. Seine Haare, seine Augen waren ebenso dunkel wie ihre, aber er war nicht ihr Bruder. Das Lied verklang, und es schien, dass die Sänger sich entfernt hatten. Aber nur der Wind hatte sich gelegt, wie immer, ehe Regen losbricht. Die wenigen Blätter an den Zweigen bebten, der Himmel hatte sich düster bezogen. Der Junge sah hinauf und lief, um weit unten am Weg eine Schutzhütte zu erreichen, bevor die ersten Tropfen fielen. Sie eilte ihm nach. In der Hütte saßen Männer; sie rückten zusammen, ihnen Platz zu machen. Es war dämmerig in der Hütte; trotzdem sahen sie, wie schäbig gekleidet die Männer waren und wie verhungert. Die Gesichter unter den abgetragenen Hüten und Mützen waren hager. Eine tiefe Stimme sagte unvermutet: „Bist du das, Hilde?“ Sie schreckte auf. „Gerhart!“, sagte sie. Der Junge betrachtete den Unbekannten und sah, dass er mager war und blonde Bartstoppeln die hohlen Wangen bedeckten. Das Jackett war ihm zu klein, und der Schal konnte nicht verbergen, dass er kein Hemd trug. In Strömen begann der Regen von dem schrägen Hüttendach zu fließen, und dem Jungen war, als führen sie durch einen Wasserfall. Jemand riss ein Streichholz an, um einen Zigarettenstummel anzuzünden. Er warf das Streichholz auf die Erde, es brannte noch ein Weilchen, und in seinem Flackern sah der Junge, dass die Zehen des Mannes durch die Stiefelspitzen staken. „Wir werden den ganzen Nachmittag hier sitzen“, sagte der Mann. „Wenn schon“, sagte ein anderer, „zu versäumen hast du nichts. Oder doch?“ Der erste lachte bitter auf. „Nein“, antwortete er, „lass es regnen. Ich versäume nichts.“ Der Junge fragte sich, wer die Männer sein mochten. Hilde unterhielt sich immer noch ernst mit dem Unbekannten, ihn schien sie vergessen zu haben. „Ich habe mich nicht verändert“, hörte er den Unbekannten sagen. „Ich hab’ dich immer gern.“ Der Regen ließ nach. Die Sonne stach durch die Bäume, Äste und Zweige schimmerten. Hilde drehte sich zu dem Jungen. „Komm, Stefan“, sagte sie, „wir wollen gehen.“ Der Unbekannte begann zu singen: Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin ... Dabei lächelte er Hilde an, und die anderen fielen mit Bass und Tenor in den Gesang ein. „Es gefällt mir hier“, sagte Stefan. Der Regen hörte auf, ehe das Lied zu Ende gesungen. Vom Dach fielen wie Perlen vereinzelt Wassertropfen auf die Erde. „Wir müssen jetzt gehen“, sagte Hilde leise. „Ich begleite euch“, sagte der Unbekannte, und zu den andern: „Bis morgen!“ Mit gleichmäßigen langen Schritten ging er neben Hilde und Stefan her. Eine Weile fiel kein Wort. Eine Krähe flatterte zwischen den Bäumen, aus dem Unterholz erhob sich zarter Dunst. Schließlich hörte Stefan den Unbekannten sagen: „Ich liebe dich noch immer, Hilde.“ Hilde verlangsamte ihren Schritt nicht, aber ihre Wangen färbten sich rot. „Ich möchte, dass wir heiraten“, sagte er. „Es geht, glaub mir. Ich verkaufe mein Fahrrad, dann haben wir ein bisschen Geld. Und Arbeit kriege ich schon, keine Angst.“ „Arbeit willst du kriegen?“, fragte Hilde erbittert. „Woher? Auf jede freie Maurerstelle ...“ „Aber ich bin kein Anfänger mehr.“ „Ich weiß nur ...“ Hilde unterbrach sich und hing ihren Gedanken nach. Endlich sagte sie: „Gerhart, du weißt, dass ich möchte. Du weißt, dass ich es sehr gern möchte. Aber ich bin noch keine Zwanzig und Vater wünscht, dass ich bei Hermanns bleibe. Jeden Monat bringe ich Geld nach Hause, und jetzt, wo Helmut auch keine Arbeit hat, brauchen sie jeden Pfennig. Außerdem habe ich die Hermanns gern, und sie haben mich gern. Für so vieles bin ich ihnen dankbar. Ich kann nicht so einfach von ihnen weglaufen.“ „Ist gut“, hörte Stefan den Unbekannten leise antworten, „ich mache dir keinen Vorwurf.“ Stefan sah zu, wie der Mann unter dem Jackett den Schal fester zog, als fröre ihn plötzlich. „Viel Glück“, sagte er, und dennoch lächelte er dabei. Stefan spürte die Enttäuschung wie einen Stich. „Viel Glück“, und damit trennte sich der Mann von ihnen. Als sie aus dem Wald auf eine Lichtung traten, sahen sie die Prinzenstraße, wo Stefan wohnte. Es war eine vornehme Straße, breit und von Bäumen gesäumt. Der Regen verdunstete schon, der glatte Asphalt war unregelmäßig schwarz und grau gefleckt. In den Einfahrten zu den großen Villen parkten Luxusautos. „Weißt du, wie viele Menschen arbeitslos sind?“, fragte Hilde Stefan, als sei sie ihm eine Erklärung schuldig. „Nein“, sagte Stefan. Für ihn unterschied sich das Jahr 1931 in nichts von den vergangenen Jahren seines kurzen Lebens. Das Wort „arbeitslos“ war ihm nicht mehr als ein Begriff mit einem Beigeschmack wie „Scharlachfieber“ ... Von dem unbebauten Grundstück neben dem Haus, wo Stefan wohnte, stieg Rauch auf. Er verteilte sich in der Luft und durchsetzte sie mit einem herben Geruch. „Ich will sehen, was da los ist“, sagte Stefan zu Hilde. Sie vermochte ihn nicht zu halten; seit seiner Krankheit fühlte er sich wie ein Vogel, der aus dem Bauer entlassen war. Er stieg durch ein Loch im Zaun und ging quer über das Grundstück über Ziegelsteine und Konservendosen und Marmeladengläser dahin, wo der Rauch herkam. In einer Höhle rösteten sechs Jungen verschiedenen Alters Kartoffeln. Einer, ein dunkelhaariger, schlanker, sah heraus. „Was willst du?“, fragte er. „Nichts. Darf ich hier nicht stehen?“ „Wo kommst du her?“ Stefan zeigte in Richtung der stattlichen Villa in dem Garten neben dem Grundstück. „Ich habe dich nie gesehen.“ „Ich bin krank gewesen.“ „Bring ihn herein, Werner!“, sagte eine andere Stimme. Stefan kroch durch einen Gang und stand einem Jungen, doppelt so alt wie er, gegenüber, der auf einer Kiste saß und eine Kartoffel pellte. Die Ähnlichkeit mit dem, den er Werner rief, war unverkennbar - augenscheinlich waren sie Brüder. „Wie heißt du?“, fragte der ältere ohne aufzusehen. Stefan nannte seinen Namen. „Wie alt?“ Stefan sagte es. Der andere pellte seine Kartoffel zu Ende, steckte sein Messer weg, dann erst betrachtete er Stefan. Sechs Augenpaare ruhten jetzt auf ihm. „Du bist klein für dein Alter“, sagte der Junge mit der Kartoffel. „Dafür kann ich nichts.“ „Kannst du laufen?“ „Ja.“ „Wie schnell?“ „Weiß ich nicht. Schnell genug.“ „Das werden wir feststellen. Geh hinaus und warte.“ Stefan gehorchte. Drinnen berieten sie über ihn, aber er vernahm nichts als undeutliches Gemurmel. Dann kamen alle heraus. „Schön“, sagte der Junge, der in der Höhle mit ihm geredet hatte, „ich bin der Anführer. Das hier ist Fritz Falk.“ Er deutete auf einen untersetzten, derben Jungen in Stefans Alter, der Stefan verschmitzt, jedoch nicht unfreundlich anschaute. „Das ist Werner, mein Bruder, und der da Paul Jäger.“ Dieser, offensichtlich der Älteste, war ein dürrer Bursche mit wässrigen blauen Augen und einer Hautfarbe, die nur wenig blasser war als sein weißblondes Haar. Obwohl sein Gesicht fast ausdruckslos war, enthielt es doch etwas Unheimliches, und Stefan wusste nicht recht, ob es nur die spärlichen weißblonden Augenbrauen waren, die ihm ein Gefühl des Widerwillens einflößten, oder etwas, das in seinen Augen lag, etwas Kaltes, Grausames. „Das ist Hans Amendt, der Sohn von Major Amendt“ - dem Jungen schien die Erklärung zu gefallen - „und das Jan Förster.“ Der Sohn des Majors war blond und unauffällig, der andere schmächtig, fast mädchenhaft, sein Haar seidig und seine Kleidung vornehm. Außer Fritz waren sie alle älter als Stefan. „Und ich bin Franz Kolb. Also - wenn du in zwei Minuten so weit laufen und dich verstecken kannst, dass wir dich in einer Stunde nicht finden, dann nehmen wir dich in die Horde auf. Sonst ...“, er zuckte mit den Schultern, „sonst nicht.“ Und jetzt folgt wieder mal ein gewaltiger zeitlicher Sprung – aus dem Jahr 1931 in eine ferne Zukunft. Erstmals 1976 brachte Dr.-Ing. Helmut Routschek alias Alexander Kröger als Band 128 der Reihe „Spannend erzählt“ des Verlages Neues Leben Berlin seinen wissenschaftlich-fantastischen Roman (eine DDR-Bezeichnung für das SF-Genre) „Expedition Mikro“ heraus. Dem E-Book liegt die überarbeitete Auflage zugrunde, die 2010 im Projekte Verlag Cornelius GmbH, Halle erschienen war: Wie ein gewaltiger Trichter öffnet sich vor ihnen der Schnabel des Riesenvogels, und ihr Hubschrauber verschwindet in dem unermesslichen Schlund. Entsetzt blickt Gela Nylf auf die Gefährten, die sich im bleichen Licht der Kabinenbeleuchtung zu orientieren versuchen. Wird auch diese Expedition misslingen, nachdem schon ihre Vorgänger in jener seltsamen Welt verschollen sind, die sie so schwer begreifen können? Gela denkt an Harold, der die vorige Expedition leitete und nie zurückkehrte. Hat er die sagenhaften Wesen getroffen, die mitunter wie wolkige Schemen am Horizont aufgetaucht sind? Ist der Kontakt mit ihnen tödlich, oder wird er die ersehnte Hilfe bringen? Die Hubschrauberbesatzung tut alles, um aus dem fliegenden Gefängnis freizukommen. Die Expedition darf nicht scheitern, denn zu viel hängt von ihrem Erfolg ab: die Existenz auf der kleinen Insel inmitten des Ozeans, die Heilung der Krankheit, die dort grassiert, die Rettung vor den bedrohlichen Naturgewalten ... Und so stellen sich Gela Nylf, Chris Noloc und die anderen immer neuen Gefahren und Abenteuern. Krügersche Zukunftsvisionen in einem utopischen Roman von 1976 in der überarbeiten Fassung von 2010 bilden den Hintergrund der spannenden Handlung. Und tatsächlich spürt man schon von den ersten Zeilen dieses Buches an die Spannung. Was zu beweisen ist. Und was zu beweisen nicht schwierig ist: „Und ich sage dir, dass wir die Gefahr für uns alle nur vergrößern, wenn wir wieder nach Hause aufbrechen!“, äußerte sich Gela Nylf ärgerlich. Sie strich mit den Fingern der linken Hand über die Tischkante. Ihr Gesicht war gerötet, die Augen kniff sie zusammen, die hohe Stirn zog Falten. Sie blickte an ihrem Gegenüber vorbei, dem Biologen Charles Ennil. Er wiederum bemühte sich, sie nicht voll anzusehen. Gela schielte ein wenig, fast unmerklich. Ihr Blick hatte dadurch nicht jene musternde Schärfe, und ihre Partner konnten leicht den Eindruck gewinnen, sie sei nicht ganz bei der Sache. So empfand im Augenblick auch Charles. „Es gab auf der Fahrt hierher im Grunde genommen keine echte Gefahr“, entgegnete er verächtlich. „Was soll unserem Schiff passieren! Dreimal haben uns diese Salmons und die anderen Fische geschluckt, und was war? Außer dass die Scheiben ein wenig blind geworden sind und wir im Übrigen die Orientierung verloren haben, geschah doch nichts! Aber wenn wir hier bleiben ...“ Den Satz vollendete er nicht. Es war jedem der Anwesenden klar, was er damit sagen wollte. Gela senkte den Blick. Sie spürte wieder den Schauer über ihren Körper laufen wie damals, als dieses Meerungeheuer das Schiff verschlang. Dann tagelang die Finsternis um sie herum, das Schiff eingeschlossen von zersetzten Tierleibern und Pflanzenresten. >Würden diese Biester nicht alles, was sie greifen, hinunterwürgen, sondern kauen, wir wären jetzt ... Und wer sagt, dass es nicht welche gibt, die kauen? Der Ozean wimmelt von solchen und noch größeren Ungeheuern geradezu. Und da sagt dieser Charles: „Da war doch nichts!“ Natürlich hat er insofern recht: Außerhalb des Schiffes werden die Gefahren größer sein.< „Nun, machen wir Schluss mit der Diskussion!“ Robert Tocs hatte es energisch gesagt. Er sah unter seiner auf die Stirn geschobenen Brille hervor den Biologen zwingend an. „Außer dir, Charles, sind alle dafür, dass wir auch unter diesen Umständen die Aufgabe erfüllen. Ich weiß, dass es schwierig und vielleicht auch opferreich sein wird. Aber schließlich war uns das von Anfang an bewusst.“ „Aber ...“, warf Charles ein. Robert Tocs erhob nur ein wenig die Stimme und fuhr ungeachtet des begonnenen Einspruchs fort: „Charles, ich bin mir sicher, dass es nicht etwa Angst ist, was dich so sprechen lässt. Dafür kenne ich dich zu gut. Du denkst vor allem an uns neunundzwanzig Übrige. Das ehrt dich natürlich. Aber von Gela, unserem Küken, hast du eben gehört, was sie von deiner Fürsorge hält. Es entspricht unser aller Ansicht. Also: Morgen startet eine Exkursion ins Landesinnere und erkundet einen Stützpunkt.“ Tocs’ Blick ging über die Köpfe. Jens Relpek, der Physiker, blickte aus wasserklaren Augen zurück. - >Nein, er ist zu weich, zu gründlich auch. Er würde lange wägen bevor er sich entscheidet - auch dann, wenn es auf die Sekunde ankommt. Gela – zu unerfahren, sie also noch nicht. Sie brennt sicher darauf, aber es wäre falsch. Charles ist für die Leitung der Exkursion vorgesehen. Aber jetzt, nach seinen Bedenken? Bei ihm besteht auch die Gefahr, dass er zu tief ins Fachliche gleitet, im Registrieren und Eingruppieren das Leiten vergisst. Chris, sieh nicht so herausfordernd her. Ich weiß, dass du dazu einmal fähig sein wirst, noch bist du mir aber zu draufgängerisch, bringst womöglich deine Begleiter unnötig in Gefahr. Mieh, den Arzt, kann ich nicht von hier fortlassen. Er muss für die Mehrheit da sein. Carol, seine Frau, wird die Exkursion begleiten. Leiten kann sie sie nicht. Wer also? - Ich! Das wäre gegen Vernunft und Instruktion ...< Wieder machte Roberts Blick die Runde. Dann entschied er: „Charles wird die Exkursion leiten. Ihr fliegt mit dem kleinen Helikopter. Die Mannschaft stellst du dir selbst zusammen, Charles. Ich danke!“ Bevor das Leitungsteam die Brücke verließ, kam Charles Ennil der Aufforderung des Kommandanten nach und benannte die Teilnehmer der Expedition. „Chris, bleib du noch ...“, forderte Robert. Er trat an die große Rundsichtscheibe und starrte nach draußen. Die Scheinwerfer waren gelöscht. Das Stück Himmel über ihnen lag in einem fahlen Schein. Nur die großen Sterne durchdrangen ihn. Unmittelbar vor dem Schiff türmte sich die trostlose Geröllwüste. Kommandant Tocs lächelte. Er dachte an das schwierige Landemanöver. >Erst gebärdeten sich alle ungeduldig, als endlich Land in Sicht war, nur ich zögerte. Auch du, Chris, hast das zunächst nicht verstanden. < Robert hatte sich umgedreht und sah Chris, der gleich ihm am Fenster stand und in die Dunkelheit starrte, von der Seite her an. >Es war eben doch gut, eine besonders hohe Welle abzuwarten und dann mit voller Kraft aufzulaufen. So war es möglich, mein lieber Chris, gleich ein schönes Stück ins Land hineinzukommen, ohne dass uns das ablaufende Wasser wieder zurückzog. Endlich eine Aufgabe<, dachte er stolz. >Diese nervtötende Seefahrerei, trotz der Ungeheuer - im Grunde genommen äußerst langweilig ...< >Warum wohl Robert gezögert hat, als es um den Leiter der Exkursion ging? Schließlich stand Charles von vornherein dafür fest. Nun ja, seine Unkerei macht ihn ein wenig unglaubwürdig<, dachte Chris; er bemühte sich im Schein der schwachen Brückenbeleuchtung draußen etwas zu erkennen. Geröll und aufgetürmte Haufen aus abgeschliffenen Steinen, dazwischen breite Kriechspuren von Tieren. >Ein normaler Küstenstreifen, fast gleich dem, der sich um unsere Insel zieht.< „Chris, ich habe Charles empfohlen, dich mitzunehmen“, erklärte Robert plötzlich und blickte in die Finsternis hinaus. „Ja“, antwortete Chris. Er sah auf die dunkle Silhouette des Kommandanten. „Er hat mit mir gesprochen. Carol soll als Ärztin dabei sein und Karl als Pilot und Techniker.“ „Was sagst du zu Charles als Leiter?“, fragte Robert. Chris überraschte die Frage. Eine Kritik oder auch nur Stellungnahme zu einer Entscheidung des Kommandanten stand ihm laut Reglement nicht zu. Er zuckte leicht mit den Schultern, dann sagte er zögernd: „Dass er auf Gefahren aufmerksam macht, halte ich nicht für falsch. Vielleicht hätte er sich dazu eine bessere Gelegenheit suchen sollen. Es ist nicht beispielgebend, wenn ausgerechnet der Leiter nochmals allgemein bekannte Schwierigkeiten aufzählt. Ansonsten: Er hat einen Blick für Neues, und er ist fachlich sehr beschlagen.“ „Er scheint mir ein wenig zerstreut ...“, entgegnete Robert nachdenklich, doch dann schob er seine Bedenken beiseite. „Okay“, sagte er, und die Angelegenheit war für ihn wohl endgültig erledigt. „Ich finde es gut“, setzte er hinzu, „dass ihr Gela mitnehmt. Sie soll Erfahrungen sammeln.“ Chris fühlte, dass ihm das Blut zu Kopf stieg. Nach einer Weile sagte er: „Bitte sag du ihr das. Du weißt, es gibt ohnehin schon Geflüster.“ „Ich finde nichts dabei, wenn man jemanden na - sympathisch findet, so wie du Gela“, bemerkte Robert, und Chris erriet, dass er lächelte. „Bloß wenn es nicht auf Gegenseitigkeit beruht, wirkt’s leicht komisch“, entgegnete Chris mit brüchiger Forsche in der Stimme. Er starrte weiter aus dem Fenster. „Willst sie also nicht mithaben!“, stellte Tocs fest, und er sah schmunzelnd zu Chris hinüber.“ Ach übrigens, da wir gerade von Sympathie und auch von ihrer größeren Schwester, der Liebe, reden. Was ist eigentlich Liebe? Die Antwort darauf ist nicht einfach, sondern eher das Gegenteil – kompliziert und schwierig. Kurz, knapp und treffend bringt es Heinrich Heine, der selber ein großer Liebender war, auf den Punkt. Er schreibt: „Was Prügel sind, weiß jeder, was Liebe ist, hat noch keiner herausgefunden.“ Also, liebe Leser, bleiben wir auf der Suche. In und außerhalb der Literatur. FF = Viel Vergnügen! Weitere Informationen und Angaben finden Sie unter http://www.prseiten.de/pressefach/edition-digital/news/3831 sowie http://edition-digital.de/Specials/Preisaktion/. Über EDITION digital Pekrul & Sohn Gbr: EDITION digital wurde 1994 gegründet und gibt neben E-Books Bücher über Mecklenburg-Vorpommern und von Autoren aus dem Bundesland heraus. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grafiken und Beschreibungen von historischen Handwerks- und Berufszeichen. Firmenkontakt: EDITION digital Pekrul & Sohn Gbr Godern Alte Dorfstr. 2 b 19065 Pinnow Deutschland 03860 505788 [email protected] http://edition-digital.de/Specials/Preisaktion/ Pressekontakt: EDITION digital Pekrul & Sohn GbR Gisela Pekrul Alte Dorfstr. 2 b 19065 Pinnow Deutschland 03860 505788 [email protected] http://www.edition-digital.de
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mijoblo · 7 years
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Battambang bis Nha Trang
Als wir aus dem ruhigen Meditationscamp rausgekommen sind, waren wir beide super empfindlich. Unser erstes "Erlebnis" danach war die Rückfahrt zur AKD-Schule, wo noch immer unser Gepäck stand. Der Verkehrslärm, die schlechten Straßen, der Müll aber auch die Palmen und Reisfelder und das Wetter - alles hat man sehr eindringlich wahrgenommen. Das Bewusstsein fühlte sich wirklich erweitert. Leider hat sich die Ausgeglichenheit erstmal verabschiedet, bei so vielen Eindrücken, war man irgendwie überfordert. 🙈🙉🙊 Nicht 100 %tig genial geplant, hatten wir aber nur noch 5 Tage bis wir Kambodscha verlassen mussten und mussten davor noch in die Hauptstadt, um ein Visum für Vietnam zu beantragen. Pnom Penh in diesem Zustand fühlt sich ungefähr an, wie Rammstein zum Frühstück 🍳💀🔊 Überall Müll, Armut, Krach, Gestank und 'TukTuk" schreiende TukTukFahrer. Doch das wirklich unfassbare Unheil haben wir im S21-Gefängnis(Museum) der roten Khmer gesehen. Kleiner Exkurs: Die Roten Khmer sind die wohl grauenhafteste Form in die sich der Kommunismus bisher verwandelt hat. In der Folge der US-Imperialistischen Politik kamen sie 1975 (!) in Kambodscha an die Macht. Ziel war es den gesamten Staat gewaltsam in einen reinen Bauernstaat zu verwandeln, in der Hoffnung so die Klasseunterschiede zu zerstören. Fast die gesamte Stadtbevölkerung wurde aufs Land getrieben und zur Zwangsarbeit als Bauern gezwungen. Ihrer 3-Jährigen Herrschaft vielen ca. 2 Millionen Khmer zum Opfer. Jeder der sich nicht an die perversen Ideen der roten Khmer anpasste (oder anpassen konnte) wurde getötet oder kam zunächst in Gefängnisse wie das S21. Was wir nun im S21-GEFÄNGNIS (sadistischer Weise steht das S für Sicherheitszentrum) erfahren haben ist wirklich unbegreiflich. Die roten Khmer haben jeden auslöschen wollen, den sie für Gegner ihrer Revolution hielten: Doktoren, Lehrer, Wissenschaftler, Mönche, Ausländer, Leute die eine Fremdsprache beherrschten, Brillenträger, oftmals Leute die einfach nur des Lesens&Schreibens fähig waren, Leute die nicht den grauenhaften Regeln der Zwangsarbeit folgten galten als Feind. Betreffende wurden (samt Familie aus Angst vor zukünftigen Racheaktionen) ermordet, da sie der neu erschaffenen Ordnung schaden würden. Es ist genauso sinnlos, wie es klingt. Seltsamer Weise haben sie sich dennoch an genaue Abläufe gehalten. Beinahe alle Opfer wurden zunächst inhaftiert, meist ohne zu wissen wieso, eine Datei mit Foto wurde angelegt, mit festgelegten Methoden wurde gefoltert, bis sie das gestanden haben, was man ihnen vorgeworfen hat, um sie dann hinzurichten. Die roten Khmer haben ihre gesamte Organisation samt Führenden "Politikern" dabei geheim gehalten. Man muss sich das so vorstellen: Eines Tages wird man mit seiner Familie abgeholt, ins Gefängnis gebracht. Ein Wärter (selbst noch Teenager oder Kind 11-20 Jahre alt) spricht mit einem: "Die Organisation weiß, das du gegen sie arbeitest, ich werde dich solange foltern bis du es gestehst" Obwohl es natürlich völlig gerechtfertigt wäre gegen ein der Art grauenhaftes System zu rebellieren, hatten die allermeisten gar nicht die Möglichkeit dazu und waren deshalb (selbst nach den Maßstäben der roten Khmer) unschuldig. "Ich habe nichts getan" Wärter: "wie kannst du an der Organisation zweifeln, sie macht keine Fehler, sie würde keinen Unschuldigen verhaften" Nun wird man gefoltert bis man irgendetwas zu gibt, was der Wärter hören will. Etwa "ich gebe zu, ich habe Nahrungsmittel vom Feld gestohlen um der Organisation zu schaden" (die Leute sind reihenweise verhungert) oder auch "ich gebe zu, ich bin nach Kambodscha gekommen um die Organisation auszuspionieren, meine Verbindungsleute bei der CIA sind Collonel Sanders(Werbefigur von KFC), und Sergeant Pepper(The Beatles)" Letzteres "Geständnis" stammt von einem jungen neuseeländischen Urlauber, den die roten Khmer auf seinem Segelboot(mit zwei Freunden) festgenommen, ihn anschließend ins S21 gebracht, gefoltert und umgebracht haben. Das unbegreifliche ist, wie Zerstörerisch die roten Khmer waren. Es wirkt als sollte einfach alles vernichtet werden. Selbst die Mitglieder der Organisation (Wärter-wenn sie etwa nicht präzise und grausam genug gefoltert haben-, Kämpfer, Politiker) wurden häufig der Sabotage beschuldigt und ermordet. Wir wollen bei den Folterungen nicht ins Detail gehen, es sei nur soviel gesagt: diese waren so grausam, dass die Insassen den Freitod bevorzugten(dies wollten die Wärter allerdings verhindern). Damit ihr euch ansatzweise ein Bild machen könnt: die Insassen bevorzugten sich einen Stift während der Verhörung in den Nacken zu rammen bzw. sich mit brennendem Petroleum zu übergießen, anstatt weiterhin in S21 gefoltert zu werden. Ein Opfer fragte während einer Folterung "Wenn die Organisation alle tötet, wer bleibt dann noch übrig um Teil von ihr zu sein" - die Frage haben wir uns auch gestellt. Die Destruktivität hat sich gegen alles gerichtet und hatte kein klares Ziel. Das Alles ist einfach unbegreiflich aber es geht noch weiter: 1978 hat die Vietnamesische Armee die Regierung der roten Khmer gestürzt. Der Westen (USA, England, Deutschland, Frankreich etc.) hat bis 1991 (12 Jahre !!!) eine Exilregierung unterstützt in der auch Rote Khmer vertreten sind und ihre Guerilla-Truppen mit Waffen und militärischer Schulung gestärkt. Und das nur, um nicht die neue provietnamesische und damit kommunistische Regierung zu unterstützen. Es ist eine tragische Geschichte, erst Recht weil die Gräueltaten nur 40 Jahre zurück liegen aber machen wir uns nichts vor - die gleiche Scheiße gibt es immer noch auf der Welt: -In China werden der Zeit 1.000.000 friedliche Praktikanten einer Meditationstechnik in Gefängnisse gesteckt und früher oder später ermordet und ihrer Organe beraubt. -In den USA hat das Department for Homeland Security hat unter Obama (tatsächlich der coole Schwarze nicht der böse weiße Milliardär) 1,6 Milliarden (!) Hohlspitzen-Geschosse(=Munition die besonders viel zerfetzt beim Auftreffen) bestellt um in Zukunft für die innere Sicherheit zu sorgen. Von den unzähligen Kriegen und gewaltsamen Interventionen im Ausland ganz zu schweigen. -Und auch Deutschland macht sich schuldig als Bündnispartner der NATO, wie als Waffenexporteur trägt es Schuld an unzähligen Gewaltakten auf der ganzen Welt. Klingt nach schön viel Demokratie oder? Ich wünschte wirklich es wären Verschwörungstheorien, aber es sind leider nur wenige von vielen Beispielen für die Realität. Warum erzählt er mir das, was kann ich daran ändern fragt ihr euch? Ich bitte euch nur eins: Schaut nicht weg. Es geht nicht darum den ganzen Tag über die Kacksituation der Welt zu trauern aber redet mit Anderen darüber die es noch nicht wissen oder nicht glauben wollen. Böses geschieht nur dann, wenn zu viele wegschauen. Und wenn ihr mit Anderen sprecht, gucken immer weniger Leute weg. Nach soviel Schlechtem mussten wir ins Spa und so hat Pnom Penh doch noch eine schöne Erinnerungen abbekommen. 💆 Auch der nächste und letzte Stopp in diesem Land hatte beinahe Spa-Charakter: Obwohl die Stadt Kampot eine Durian (Stinkfrucht) als Wahrzeichen hat war es einer der wenigen sauberen, nicht stinkenden und ruhigen Orte in Kambodscha. Wir haben sogar (jetzt kommts!) Mülltonnen gesehen 😱. Ansonsten gabs auch noch Salzfelder und Pfefferfarmen zum angucken, und Wandern auf dem Berg bei Kep.🐛 Den ortsnahen "Secret Lake" haben wir glücklicherweise trotz Empfehlung eines Tourguides ausgelassen. Er hat nur von "Good swim, clear water" geredet, aber die Info ausgelassen, dass nicht die Lage des Sees "secret" ist sondern seine Geschichte: Zwangsarbeiter mussten ihn in der roten Khmer Zeit ausbuddeln und wurden anschließend darin ertränkt. Nach der Info wars dann genug mit Kambodscha, wir sind weiter nach Vietnam.(unser Visum war auch am Ende)🇰🇭->🇻🇳 Und kaum das wir die Grenze überquert haben wurde die Landschaft plötzlich grün, die vertrockneten Reisfelder von grünen Feldern und unberührter Natur abgelöst (in Vietnam habe man Geld für Dünger, wurde uns gesagt)🌿🏞 Außerdem tragen echt viele Leute hier diese Reispflücker-Hüte, weshalb wir uns unbedingt auch welche kaufen mussten, um nicht als Touristen aufzufallen.🌾👌 In der Grenzstadt Ha Tien mussten wir den Tag über auf die Weiterfahrt warten. Eigentlich ein langweiliger Tag in einer Vietnamesischen Stadt dachten wir. Doch dann sind wir an einem Tempel vorbeigekommen und einer der Einheimischen hat uns eine Führung gegeben und jedes Mal gewartet bis wir die verschiedenen Stellen angebetet haben. Platz 1 der seltsamsten Stellen zum Beten geht dabei an einen Buddha der von bunt blinkenden Hakenkreuzen umringt war! O.o Auch in Ho-Chi-Minh-Stadt wollten wir nicht so lang bleiben, die Atmosphäre mit Asia-Techno-Workouts morgens um 5:30 im Park und gebackenen ganzen Krokodilen war nicht so unser Ding. Dafür haben wir das Kind aus dem Disney-Film 'Oben' mit seinen Freunden getroffen.🐊🎈 Ort der Zuflucht war Mui Ne. Obwohl der Ort vollgestopft ist von russischen Touristen und auch hier die vietnamesische Hupregel gilt (fahre ich rechts, links, gerade aus, gebe gas, Bremse, oder so weiter wie bisher wird gehupt📢) konnten wir entspannt am Strand entspannen. Und wurden von unseren Gastgebern sogar auf vietnamesische Frühstück eingeladen. Die beiden waren mega stolz darauf uns zu zeigen, dass ihre Tochter mit einem Schweizer verheiratet ist. Es ist verdammt witzig wenn ein Vietnamese versucht den Namen 'Thierri Hausmann' auszusprechen.😍💑 Dann mussten wir Zwischenstopp in Russland machen (Nha Trang). Es gab wirklich so viele russische Touristen, dass die Vietnamesen russisch und kein englisch konnten. Was uns das Abwimmeln von Verkäufern aber sehr erleichtert hat 😅
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Chapter Fourty-Four
Die Befragung dauerte bis spät in den Nachmittag hinein, da Harry aber keine Uhr hatte und der Raum kein Fenster besaß, kam es ihm vor, als sei es schon mitten in der Nacht. Nach dem Kriminalpolizisten wollte eine Frau des Jugendamts mit ihm sprechen. Sie fragte, ob er irgendwelche Verwandten habe. Nein, sagte Harry. Er pflegte keinen Kontakt zu irgendwelchen Angehörigen. Seine Großmutter mütterlicherseits war kurz nach Harrys Mutter verstorben, sein Großvater im letzten Jahr. Seine Großmutter väterlicherseits war im Heim, da sie seit Längerem stationärer Pflege bedurfte, seinen Großvater hatte er nie kennen gelernt, denn er war jung gestorben. Seine Mutter hatte eine Schwester gehabt, die jedoch schon vor vielen Jahren ausgewandert war und damit auch nicht infrage kam. Sein Vater hatte noch zwei ältere Brüder, von denen Harry lediglich wusste, dass sie existierten. Er konnte sich allerdings nicht vorstellen, bei einem davon zu wohnen. Er wusste nicht, wie sie waren. Vielleicht wie sein Vater. Vielleicht auch nicht. Es musste jedoch Gründe gehabt haben, warum sein Vater den Kontakt zu seiner Familie abgebrochen hatte. Erbstreitigkeiten möglicherweise. „Falls sich keine andere Lösung finden sollte, bleibt keine andere Möglichkeit als das Jugendheim.“ Harry schraubte den Kugelschreiber in seiner Hand auf und zu. „Wo ist das nächste Jugendheim?“ „Das Nächste ist in der Nähe von Sheffield. Es gibt aber auch eins in Leeds.“ „Wie läuft das da ab?“ „Du bekommst ein Zimmer, das wirst du dir wahrscheinlich mit jemandem teilen, der etwa in deinem Alter ist. Ein Junge, selbstverständlich. Das kommt darauf an, wie voll besetzt das Jugendheim momentan ist. Wenn nur wenige Kinder da sind, wirst du vielleicht sogar ein Zimmer für dich allein bekommen. Auf jedem Stockwerk gibt es jeweils ein Gemeinschaftsbadezimmer für Jungen und Mädchen, das von allen auf dem Stockwerk genutzt wird. Gegessen wird in einem Gemeinschaftssaal, wo alle essen. Es gibt noch mehr Gemeinschaftsräume, zum Fernsehen, um Tischfußball oder Tischtennis zu spielen, Brettspiele und so weiter. Es ist aber kein Gefängnis, man kann auch ein- und ausgehen, wann man will. Natürlich muss man jemandem Bescheid sagen. Und wenn du dort einziehst, wird für dich nach einer passenden Pflegefamilie gesucht.“ „Ich will keine neue Familie. Kannst ich nicht für immer im Jugendheim wohnen?“ „Nein, es ist nicht dafür gedacht, dort für eine lange Zeit zu bleiben. Es ist bloß eine Übergangslösung. Man bleibt nur so lange, bis man an eine Pflegefamilie vermittelt wird. Im schlimmsten Fall ein Jahr, im besten Fall drei Monate. So lange dauert es in etwa, den ganzen Papierkram für eine Adoption zu erledigen.“ Es klopfte an der Tür. „Herein“, rief die Vertreterin des Jugendamts. Es war Johannah. „Haben Sie noch irgendwelche Fragen an Harry?“, fragte die Blondine vom Jugendamt. „Was? Ach … nein, ich bin keine Beamte. Ich bin die Mutter von Louis. Sie sind bestimmt vom Jugendamt.“ „Ja, hallo. Miss Brenton.“ „Misses Tomlinson.“ Sie schüttelten einander die Hände. Johannah trat ein. „Ich weiß, dass Harry heute Nacht keinen Platz zum schlafen hat – oder überhaupt. Harry, ich möchte, dass du bei uns schläfst. Du kannst bleiben, solange du willst. Du weißt, du bist immer willkommen.“ „Gibt es keine Chance, dass ich allein zuhause wohnen kann?“ Harry redete an Johannah vorbei an Miss Brenton gewandt. „Es ist möglich, sich vorzeitig als volljährig erklären zu lassen, aber deine Chancen, das durchzusetzen, sind ziemlich gering. Du hast keinen Schulabschluss, keine Arbeit, kannst deine Unterkunft somit nicht selbst bezahlen. Es wird eine gewisse Selbstständigkeit von dir erwartet, wenn du das beantragst. Noch dazu bist du überhaupt nicht in der psychischen Verfassung, allein zu wohnen.“ „Harry, denk doch bitte darüber nach.“ „Ich will auf keinen Fall unter dem selben Dach wohnen wie Louis!“ „Harry...“ „Kommt überhaupt nicht infrage!“ „Hör mir doch bitte zu. Das Haus ist groß genug, um sich aus dem Weg zu gehen. Wir müssen nicht gemeinsam essen, du hast dein eigenes Zimmer, ihr müsstet kein Wort miteinander wechseln, ihr müsstet euch nicht sehen. Schließ es doch nicht sofort aus.“ Sie ging neben ihm in die Hocke. „Du bist mir so ans Herz gewachsen, Harry. Du schläfst schon fast seit einem Monat jede Nacht in meinem Haus, jeden Abend hast du von mir eine warme Mahlzeit bekommen. In unserem Bad steht eine Zahnbürste für dich. Zweimal die Woche habe ich dich von der Schule abgeholt. Du bist schon fast wie ein Sohn für mich. Denk daran, dass sich im Jugendheim niemand so sehr um dich kümmern würde wie ich mich um dich.“ Ihr rollte eine Träne die Wange hinab. „Du kannst doch ein paar Nächte bei Misses Tomlinson bleiben, wenn es dir dort nicht gefällt, dann rufst du mich an und ich bringe dich ins Jugendheim.“ Harry hasste sich selbst dafür, einzuknicken, aber er sagte zu. Miss Brenton gab ihm eine Karte mit ihren Kontaktdaten, bevor sie sich verabschiedete. „Ich will nach Hause. Kannst du fragen, ob das alles war für heute?“ „Ja, mach ich.“ „Und frag nach meinem Vater.“ „Okay.“ Sie verließ das Zimmer ebenfalls. Harry schraubte den Kugelschreiber abermals auf. Miene raus, Feder raus, Feder rein, Miene rein, zuschrauben. Zwei Klicks, dann von vorn. Das tat er schon so lange, wie er hier war und bestimmt nervte es jeden zu Tode, aber niemand hatte sich bisher darüber beschwert. Johannah kam nach wenigen Minuten zurück. „Wir können jetzt gehen. Falls noch Fragen auftauchen, rufen sie an.“ „Was ist mit meinem Dad?“ „Er ist jetzt in Untersuchungshaft.“ Harrys Blick wanderte über den Tisch. Er legte den Kugelschreiber hin, stand auf und ging zusammen mit Johannah zu ihrem Auto. Er mied die Blicke aller Menschen, denen er auf dem Flur begegnete. Alle wussten sie Bescheid und alle starrten sie ihn an. Was sie wohl dachten? Harry war überrascht, als er aus dem Polizeipräsidium ging und die Sonne noch am Himmel stand. Es hätte genauso gut Mitternacht sein können. In dem kleinen Raum mit der Halogenröhre an der Decke verflossen die Sekunden, Minuten und Stunden. „Sollen wir zuerst zu dir fahren? Du brauchst doch bestimmt noch etwas Kleidung für die nächsten Tage und vielleicht auch ein paar andere Sachen oder?“ „Ich hab keinen Schlüssel.“ „Dann fahren wir erst zu uns und ich rufe einen Schlüsseldienst an. Da lässt sich bestimmt etwas machen.“ Harry schwieg eine Weile. „Louis darf nicht in mein Zimmer. Egal, ob ich drin bin oder nicht. Ich will, dass er nicht mit mir redet. Er soll mich auch nicht durch die Tür anreden. Ich will nicht mit ihm essen oder mit ihm fernsehen. Er soll nicht mal an meine Tür klopfen. Er soll mir aus dem Weg gehen, wenn er mich sieht. Ich möchte ihn nicht sehen, nicht hören und nichts von ihm wissen.“ Johannah suchte nach den richtigen Worten. „Ich weiß, du bist im Moment sehr wütend und du wirst leugnen, was ich gleich sagen werde, aber irgendwann wird dir klar werden, dass ich recht habe, wenn ich sage, dass du geschrien hast. Du hast geschrien, Harry. Mehrfach. Ich habe es mit eigenen Ohren gehört. Und du hättest es nicht getan, wenn du nicht ganz genau gewusst hättest, dass jemand in Hörweite ist, der dir helfen würde.“ „Das ist...“ Harry schnaubte. Er verschränkte die Arme vor der Brust. Obwohl er es nie zugegeben hätte, machten ihre Worte ihn nachdenklich. Er wollte jedoch nicht darüber nachdenken, ob er tatsächlich aus diesem Impuls heraus so gehandelt und geschrien hatte, was er sonst nicht tat. Das gab ihm nämlich das Gefühl, er würde die Verantwortung für die Verhaftung seines Vaters tragen und er wollte am liebsten Louis die Schuld geben. Er war sauer und er brauchte jemand anderen als sich selbst, auf den er sauer sein konnte. Objektiv betrachtet schien dies sinnlos, das war ihm auch selbst bewusst, aber es war nur allzu menschlich, die Schuld für etwas von sich weisen zu wollen. Er verbrachte den ganzen Abend im Bett. Ein Mann vom Schlüsseldienst hatte ihnen später am Nachmittag die Tür geöffnet. Er war etwas zögerlich gewesen, da Harry keinen Beweis vorzeigen konnte, dass er auch wirklich dort wohnte. Johannah hatte ihn schließlich davon überzeugen können, dass sie keine Einbrecher waren und er war einverstanden, die Tür zuerst zu öffnen und erst danach einen Nachweis dafür einzufordern, dass er dort wohnte. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass es tatsächlich Harrys Wohnsitz war, verabschiedete er sich. Harry hatte zunächst seinen Schulrucksack geleert, es war der einzige, den er auf die Schnelle gefunden hatte, und ihn mit Kleidung und Hygieneartikeln für die nächsten Tage gefüllt. Johannah hatte die verderblichen Lebensmittel aus dem Kühlschrank in einen Karton gepackt – etwas, woran Harry keinen Gedanken verschwendet hatte. Es wäre ihm wahrscheinlich frühestens dann aufgefallen, wenn die gesamte Küche von einem modrigen Geruch erfüllt war. Er hatte sich noch kurz in seinem Zimmer umgesehen, ob er irgendetwas gebrauchen konnte. Seine Entscheidung war auf seinen Block und sein Mäppchen gefallen. In letzteres hatte er vor ein paar Tagen Louis' Liebesbotschaften gestopft, um sie vor seinem Vater zu verstecken. Er hatte sie alle heraus genommen und sie zu seinem Handy, das er auch als unbrauchbar befunden hatte, in die Schatzkiste gestopft. Am liebsten hätte er alle Zettel zerrissen, zerknüllt, bespuckt oder drauf gepinkelt. Er war so wütend, dass er sich kaum beherrschen konnte, es nicht zu tun. Das Handy hätte er am liebsten an die Wand geworfen, die Kiste ebenso. Er tobte innerlich, die letzten Jahre hatten ihn jedoch gelehrt, seine Wut geschickt zu unterdrücken und sie in Enttäuschung oder Traurigkeit umzuwandeln. Johannah hatte ihn weinend über der Kiste mit den Zetteln gefunden, als sie mit dem Einpacken der Lebensmittel fertig geworden war. Harry hatte sie noch einmal gelesen und dabei so viel Wut und Hass empfunden, dass er nicht anders gekonnt hatte, als zu heulen. Nach der Rückkehr hatte er sich auf das Bett im Gästezimmer der Tomlinsons gelegt und war seitdem von einem so unbändigen Taubheitsgefühl erfasst, dass er nichts anderes tun konnte, als zu atmen. Er drängte alle Gedanken, alle Gefühle beiseite und konzentrierte sich einzig auf seinen Atem. Es war das einzige, was ihn beruhigen konnte. Auszurasten und alles kurz und klein zu schlagen, brachte ja doch nichts. Zu weinen, zu schreien und sich strampelnd auf dem Boden herum zu wälzen, brachte ebenso wenig. Johannah kam nach dem Abendessen, um nach ihm zu sehen. „Was möchtest du essen, Harry?“ Sie fragte bewusst, was er essen wollte und nicht ob er etwas essen wollte, weil sie sich davon eher eine Antwort erhoffte. „Ich hab aus ein paar Resten einen Eintopf gekocht, aber ich mache dir auch etwas anderes. Was du willst.“ Harry, der von ihr abgewandt da lag, hörte, dass sie näher kam. Als sie ihn an der Schulter berührte, zuckte er merklich zusammen, sodass sie ihre Hand wieder zurück zog. „Hörst du?“ Er nickte. Da ihm tatsächlich seit geraumer Zeit der Magen knurrte, bat er sie um ein gegrilltes Käsesandwich mit Schinken. Falls er ihr damit nicht zu viel abverlangte, fügte er hinzu. Sie verneinte und machte sich gleich daran, eins zuzubereiten. Dass er überhaupt etwas aß, freute sie so sehr, dass sie sich nicht daran störte, sich extra noch einmal für ihn an den Herd zu stellen. Die Wohnsituation war nicht optimal, das war ihm durchaus bewusst. Sie hoffte, dass sich in den nächsten Tagen die Wogen glätteten. Als Johannah später am Abend noch einmal in sein Zimmer ging, hatte Harry bereits aufgegessen. Sie nahm den leeren Teller und erkundigte sich, ob er noch Hunger hatte. Er verneinte. „Ich möchte jetzt duschen.“ „Okay.“ Johannah wusste mit dieser Information nichts anzufangen. „Sag Louis bitte, er soll in seinem Zimmer bleiben, bis ich zurück bin. Ich möchte ihn nicht sehen.“ „In Ordnung.“ Johannah war sich nicht sicher, wie lange sie dieses Spielchen mitmachen konnte, bis ihre Geduld ein Ende erreicht hatte. Jetzt musste sie schon ihrem Sohn verbieten, das Zimmer zu verlassen. Harry war so erleichtert davon, dass er das Badezimmer abschließen konnte, dass er sich zum ersten Mal seit einer Woche nicht beeilte, sich zu duschen. Er brauchte keine Angst haben, beobachtet zu werden. Er stand bestimmt noch eine halbe Stunde einfach unter dem prasselnden Wasser, nachdem er sich schon eingeseift hatte. Es war schlicht entspannend. Es half ihm, den Tag weiter in die Ferne rücken zu lassen.
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