Tumgik
#Schnellhören
techniktagebuch · 3 months
Text
22. Januar 2024
grblpp grblpp grblpp: Hörbücher mit 730 Wörtern pro Minute
Kristin: Ich habe eine App, die heißt Bookshare, kennst du die?
Kathrin: Nein.
Kristin: Die hat sehr viele Bücher und ich kann mir die alle anhören, das ist sehr gut für mich. Ich hör mir die Bücher da an mit 730 Wörtern pro Minute. Aber es ist eine Roboterstimme, die die vorliest. Das ist gut, weil es sich dann nicht komisch anhört, wenn es so schnell ist. Also nicht komischer als es sich sowieso schon anhört.
Kristin öffnet die App und startet ein Buch. Ich höre nur "grblpp grblpp grblpp" und verstehe nicht ein einziges Wort. Vielleicht, sage ich mir, liegt es daran, dass es Englisch ist. Aber wahrscheinlicher ist es, dass ich auch auf Deutsch nichts verstehen würde. Meine Zuhörfähigkeiten sind auch in meiner Muttersprache und schon im normalen Tempo gering. Ich könnte mir zwar auch vorstellen, dass mir das Zuhören nur zu langsam geht, bin der Frage aber nie nachgegangen, weil ich eben einfach nicht gern zuhöre. Wenn es zu einem Podcast oder einem Video ein Transkript gibt, lese ich das Transkript, das geht noch schneller als das Anhören einer beschleunigten Aufnahme. Glaube ich jedenfalls.
Kristin: Ich mach das seit sechs Jahren so. Am Anfang hab ich die Bücher ungefähr im normalen Tempo gehört, 230 Wörter pro Minute oder so. Und dann immer ein bisschen schneller. Ich kann fast alle Bücher auf Englisch mit 730 Wörtern pro Minute hören.
Kathrin: Auch die, die du zum Spaß liest? Oder nur die für die Uni?
Kristin: Beides. Wenn du das so oft machst, hört es sich ganz normal an. Das ist mehr als doppelt so schnell wie die Lesegeschwindigkeit der meisten Leute.
Ich erzähle aus dem Gedächtnis das, was ich von Thomas Kapielski über seine Arbeit in der Filmbranche weiß. Ich kenne den Text nur von einer 25 Jahre zurückliegenden Lesung und er ist deshalb in meinem Gedächtnis an einigen Stellen verfälscht. Ich erzähle also: Videobänder mit Filmen drauf, zum Kaufen, als es so was noch gab. In Wirklichkeit, ich habe das für diesen Beitrag noch mal nachgelesen, hat Kapielski für Geld Filmrollen kontrolliert, keine Videobänder. Mitte der 1970er Jahre muss das ungefähr gewesen sein. Kapielski hat dabei die gleiche Erfahrung gemacht: Das Gehirn passt sich an die neue Geschwindigkeit an. Die ausführlichere Version der Geschichte kann man in der Open Library nachlesen (nach Anmeldung, S. 281–283), es lohnt sich, sie ist sehr lustig.
Kristin: Das Problem, seit ich angefangen habe, die Bücher schneller und schneller zu hören, sind meine Lehrer. Die sind SO langsam. Ich langweile mich jetzt, weil die Lehrer so laaaaangsam sind. Ich würde dann gern sagen: Ein bisschen schneller bitte!
Kathrin: Wie schnell ist dein YouTube eingestellt?
Kristin: Bei jedem Video anders, weil die Leute unterschiedlich schnell reden. Aber meistens: doppelte Geschwindigkeit. Es ärgert mich ein bisschen, dass es nicht noch schneller geht, weil manche Leute so langsam reden.
Kathrin: Ich habe so ein Firefox-Add-on für YouTube, mit dem geht das, glaube ich. (Stimmt: Das Add-on "Improve YouTube!" kann noch schnellere Abspielgeschwindigkeiten.) Ich lese lieber, weil ich das beim Videogucken nicht so leicht überspringen kann, wenn die Leute erst langwierig anfangen mit "Hallo, ich bin die Soundso und ich erzähle euch heute das und das ..."
Kristin: Ich überspring das alles. Ich habe dafür Tastaturshortcuts, da springe ich zehn Sekunden weiter und finde raus, ob sie da was Interessanteres sagen. Ich kann selber nicht so schnell sprechen, wie ich zuhören kann, aber wenn andere Leute sehr schnell sprechen, zum Beispiel weil sie nervös sind, dann kann ich alles immer noch sehr gut verstehen. Das geht auch mit PDFs für die Uni. Ich nehme Adobe Acrobat für die Texterkennung und dann habe ich eine App, "Natural Reader", damit kann ich mir PDFs und Websites vorlesen lassen. Das geht mit fünffacher Geschwindigkeit, aber das ist ist mir oft zu langsam, weil es das Fünffache von einer ziemlich langsamen Ausgangsgeschwindigkeit ist. Früher ging es bis zu drei Mal so schnell, dann gab es ein Update und jetzt sind es fünf Mal. So mach ich das mit allem, was ich für die Uni lesen muss, ich höre das dann beim Autofahren oder beim Abendessen. Das einzige Problem: Ich kann nichts überfliegen wie bei Lesetexten. Das geht nicht, aber wenn ich es dreimal so schnell hören kann, ist das auch nicht langsamer als Lesen mit Überfliegen. Ich habe damit angefangen, weil ich eine Lese-Rechtschreibschwäche habe. Ich finde Lesen und Schreiben auf Englisch sehr schwer und auf Deutsch noch schwerer, weil es meine zweite Sprache ist. Aber das mit den Hörbüchern geht sehr gut für mich.
(Kristin C., im Gespräch mit Kathrin Passig)
7 notes · View notes