Tumgik
#Adam hingegen wird offensichtlich in die Mitte des Plots gestellt und ist dementsprechend unumgänglich
mona-liar · 2 years
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Okay, ich versuche jetzt einfach mal meine Gedanken zu der Frage, ob bzw. warum Leo "leerer" charakterisiert ist als Adam, halbwegs geordnet und verständlich von der Seele runterzuschreiben.
Und der Punkt, an dem ich letztendlich jedes Mal ankomme, ist, dass Adam durch seine Beziehung mit und Verhalten gegenüber einem ganzen Figuren-Netz charakterisiert ist, Leo hingegen fast ausschließlich durch seine Beziehung zu Adam. Und das vermittelt nun einmal einen sehr unausgeglichenen Eindruck bzgl. der Tiefe der Figur und wie viel wir über die beiden als Menschen wissen.
Wenn ich jetzt die drei ersten Folgen überschlage, mit wie vielen Personen Adam vs. Leo aussagekräftige Interaktionen hatten, die mir im Gedächtnis geblieben sind, dann hat man (und für Leo bin ich hier recht großzügig weil die Beziehungen qualitativ eigentlich nicht vergleichbar sind)
Adam -> Leo, Esther, Roland (seinen Vater als Kind und Erwachsener), Heide (seine Mutter, Kind & Erwachsen), Lida Tellmann, Bernhard Hofer, Boris (Patenonkel und Kindheits-Vertrauensperson) [7] Leo -> Adam, Esther&Pia, Roland & Heide - beide größtenteils in ihrem Verhältnis zu Adam und nur als Erwachsene (bzw. für Roland ist die Beziehung einseitig), Caro [3-6]
Mit Ausnahme von Caro (von der man in den drei Folgen nicht direkt erfährt, in was für einer Beziehung sie zu Leo steht), sind das alles Figuren-Konstellationen, in denen er sozusagen mit Adam konkurriert - und Adam bleibt stärker im Gedächtnis, weil er entweder die direktere Beziehung oder die emotionalere Reaktion hat.
Außerdem sind die charakerisierungs-Szenen von Adam in einen größeren Kontext eingebettet, Leos dagegen hängen (mit Ausnahme von Adam) etwas leer im Raum rum. Rückblickend kann man das schon an ihren jeweiligen ersten Szenen erkennen. Adams gewaltätige Reaktion gegenüber dem fremden Vater im Bus führt uns in die nächsten drei Folgen und seine komplette Backstory ein, Leos Auseinandersetzung mit Weniger und das Disziplinarverfahren sind a) so auswendiggelernt runtergerattert, dass sie nicht hervorstechen + haben an sich keine weitere Relevanz und b) sind neben seinem Wiedersehen mit Adam sofort vergessen. Außerdem stellt das auch schon eine gewisse Dynamik auf, dass Adam selbstständig agiert, Leo hingegen tendenziell nur auf andere Ereignisse reagiert.
Schließlich fehlt uns Leos komplette Backstory ohne Adam. Keine Info über seine Familie (ich erinnere daran, dass wir offiziel nicht wissen, dass die Frau aus der ersten Folge seine Schwester Caro ist), wie er sonst zwischenmenschlich in der Schule war (Adam hatte ja Lausch als Lehrer und wir wissen dadurch, wie ein bisschen breiter über den "Verlust" von Roland gedacht wurde) oder wie er eigenständig reagiert, wenn es parallelen zu seiner eigener Kindheit gibt, z. B. wenn er mit während eines Falls einem misshandelte/gemobbten Kind konfrontiert wird. Über Adam in den letzten 15 Jahren hingegen wissen wir recht viel und für mich persönlich wissen wir sogar genug. Ich habe irgendwo mal gelesen, dass Adams Verweigerung, Leo im Detail zu erklären, was er alles gemacht hat, sehr viele Fragen aufwerden und in dadurch ein wenig im Nichts herumstehen lassen, weil der Gedankenstrang nie zu Ende geführt wird und wir auch nie erfahren, warum Adam plötzlich aus Berlin abgehauen ist. Aber für meine Verhältnisse reicht die Szene in DfL vollkommen aus, denn 1. ist Adams Verweigerung Leo detailliert zu antworten ist ein sehr starkes Stück Charakterisierung an sich und 2. wissen wir sehr wohl, warum er nach Saarbrücken zurückgekommen ist: weil er Leo vermisst hat und ihn wiedersehen wollte (dass er dafür aus Berlin wegmusste ist eher eine Nebenwirkung).
Zum Schluss hat jemand gesagt, dass Leo als Figur ja bemüht unauffällig ist, was sich auch auf das Zuschauen ausprägt. Und dann können wir als sehr engagierte Zuschauende da natürlich sehr viel mehr aus einer sehr gedämpften Rolle rauslesen, als der Otto-normal-verbraucher. Und für die hinterlässt m. M. nach definitiv Adam den stärkeren Eindruck.
[Mini-Exkurs: Wir sind nicht das 0815-Tatort-Publikum und sind teilweise bis größtenteils unfähig uns noch in dieses hineinzuversetzen. Selbst wenn man nicht alles bis ins kleinste Detail analysiert, allein durch das wiederhohlte schauen einer Folge achtet man auf ganz andere Details, die normalen Sonntagabend-Zuschauenden gar nicht auffallen können. Und da weder Adam noch Leo mit individuellen, Wink-mit-dem-Zaunpfahl charakterisierungsszenen überheuft werden, bleibt quantitativ und plot-mäßig von Adam einfach mehr hängen. Es ist schließlich immer noch ein Tatort und das Drehbuch hat andere Hühnchen zu rupfen.]
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