Tumgik
mychinatales · 5 years
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Shanghai 3.2
Wir trafen uns am nächsten Morgen in einer kleinen Gruppe und schlenderten gemeinsam zum Unterrichtsgebäude auf dem Nebencampus. Der Weg dorthin dauerte vielleicht zwanzig bis dreißig Minuten, allerdings machten wir auch zwischendurch bei einem Supermarkt halt und kauften uns unser Frühstück, das meist aus Baozi (kleine dampfnudelartige Dinger, gefüllt mit süßem Pudding, Fleisch oder Gemüse) und Obst bestand. Kaffee war in China eher Mangelware, es gab Kaffee, es gab auch Starbucks und einige ähnlich klingende Kopie wie „Buckstar Coffee“ oder „Sunbucks Coffee“, alle mysteriöser Weise mit dem gleichen Layout Designer: rundes Logo in Grün und Weiß gehalten mit einer Figur in der Mitte. Aber ehrlich gesagt, war dieser Kaffee entweder völlig überteuert oder schmeckte schrecklich. Oder beides.
Wir beschränkten uns daher auf Wasser, Säfte und Softdrinks oder stiegen auf Milchtee um, der sich ein wenig so wie der morgendliche Kaffee anfühlte und an jeder Ecke zu bekommen war.
Nach dem alltäglichen Marsch in den Klassenraum durch die wüstenähnlichen Temperaturen erwarteten wir alle fieberhaft die Kühle, die uns dort empfing, auch wenn dies bedeutete, dass wir dem eher schlecht durchgeführten Unterricht folgen mussten.
Unsere Lehrerin war eine junge Chinesin. Mh, vielleicht war sie auch nicht jung, das ist bei Asiaten irgendwie immer sehr schwierig einzuschätzen. Vielleicht war sie Mitte 20, vielleicht aber auch schon Mitte 30. Oftmals trug sie ein rosafarbenes Kleidchen, auf dem viele Katzen abgebildet waren. Mag jetzt etwas exzentrisch klingen, zugegeben, sie war auch wahrscheinlich selbst für ihre Kultur eher gewöhnungsbedürftig gekleidet, aber so etwas war auch bei Erwachsenen keine Seltenheit. Vielleicht liegt dies an der Nähe zu Japan, die ja auch nur Extreme kennen und entweder totschick im Anzug rumlaufen oder in etwas das aussieht wie eine Kostümierung für Karneval.
Rüschen und Schleifen und bunte Muster sind nicht so ungewöhnlich hier.
Die erste Amtshandlung unserer Katzenlehrerin war uns allen chinesische Namen zu geben, auf die wir ab dann hören und mit denen wir unsere Tests und Hausaufgaben unterschreiben sollten. Dabei hörte sie uns zu, wie wir unsere Namen sagten und gab uns dann ähnlich klingende chinesische Gegenstücke, samt Nachnamen.
In China ist nicht nur der Vorname wichtig, sondern auch der Nachname, da dieser ja die Familienzugehörigkeit ausdrückte. Familie geht in China über alles. Man nennt den Familiennamen auch zuerst. Heißt jemand zum Beispiel mit Nachnamen Mao und mit Vornamen Zedong, würde er in Deutschland Zedong Mao heißen, in China allerdings Mao Zedong. Einfach ist es dann bei Namen wie Lang Lang, egal wie rum, immer richtig.
Überhaupt sind Namen und Nachnamen dabei im Besonderen in China recht eingeschränkt, es gibt nämlich nur eine Handvoll von ihnen. Eigentlich stimmt das nicht ganz, geschichtlich gibt es mehrere Hundert verschiedene Nachnamen, aber aus irgendeinem Grund – geschickte Heirat oder Bevorzugung einiger Namen vielleicht – teilen sich heute die meisten Chinesen etwa 20 verschiedene Namen. Wang, Chen, Li, Zhang und Liu sind die häufigsten.
Der Vorname besteht wahlweise aus einem oder aus zwei Zeichen, im Deutschen gut an Silben zu erkennen. Um zu unserem Mao Zedong Beispiel zurück zu kommen, da hätten wir Mao, den Nachnamen, erstaunlicherweise keiner der 5 häufigsten, vielleicht dachte sich der große Genosse, dass er bitte einen weniger häufigen Namen gern hätte und dazu Zedong, den Vornamen. Zedong besteht aus zwei Schriftzeichen Ze und Dong, im Deutschen aus zwei Silben. In chinesischen Schriftzeichen – vereinfachte Schriftzeichen – sieht das übrigens so aus: 毛泽东.
Der Vorname ist weniger begrenzt als der Nachname und kann, wie schon gesagt, aus einem oder zwei Zeichen bestehen. Dabei sind die Möglichkeiten zahllos, da es nicht wie hier einen Pool aus einigen beliebten Namen, wie Marie, Alexander oder Anna gibt, sondern man frei aus dem ganzen Wortschatz des chinesischen wählen könnte. Meistens wählen die Eltern einen Namen für ihr Kind, der gut klingt oder dem Kind bestimmte Wünsche mitgibt, wie Schönheit, Intelligenz oder Reichtum. Man kann auch etwas traditioneller vorgehen und seinem Kind bedeutungsvollere Namen geben, die ebenfalls Wünsche vermitteln, wie Phönix (feng) oder Drache (long) – langes Leben und Weisheit.
In unserem Beispiel haben wir ze 泽und dong 东, ze kann mehrere Bedeutungen haben, darunter Beispielsweise Glanz und Wohlwollen. Der zweite Teil dong bedeuteten Osten. Ein weiteres Beispiel, um bei berühmten Politikern zu bleiben, wäre Deng Xiaoping (邓小平). Deng ist, wie wir gelernt haben, der Nachname, Xiaoping besteht aus zwei Silben beziehungsweise zwei Schriftzeichen und ist der Vorname. Xiao bedeutet klein und ist eine häufig genutzte Vorsilbe für Name, ping bedeuteten Frieden.
Sehr beliebt in China und ein erneutes Beispiel dafür, wie wichtig die Familie ist, sind sogenannte Generationennamen, dabei erhalten alle Söhne einer Familie die gleiche erste Silbe ihres Namens. Mao Zedong zum Beispiel hatte zwei Brüder, die Mao Zetan und Mao Zemin hießen. Der Nachname und das ze ist allen Namen gleich, lediglich der zweite Teil hat sich geändert. Bei Mädchen ist dieser Brauch so gut wie gar nicht verbreitete. Man kann dies ein bisschen damit vergleichen, wenn Eltern sich dazu entscheiden, dass ihre Kinder alle mit demselben Anfangsbuchstaben beginnen. Ein sehr extremes Beispiel wäre die amerikanische Reality-Familie Duggar, deren 19 Kinder alle mit J anfangen – Josh, Jessa und Josie, um nur einige zu nennen.
Interessanterweise ist es in China verpönt Kinder nach Großeltern oder anderen Vorfahren zu nennen, was ja ein beliebter Brauch für Zweitnamen besonders im anglophonen Sprachraum ist.
Bei einer Hochzeit übrigens behält die Frau ihren Mädchennamen, heißt sie zum Beispiel Zhang Mengling und ihr Ehemann Chen Haoming, heißt sie auch weiterhin Zhang Mengling und ändert ihren Namen nicht etwa zu Chen Mengling. Die Kinder des Paares erhalten den Nachnamen des Vaters und heißen somit ebenfalls Chen und nicht etwa Zhang.
Es gibt noch viel interessantes, skurriles und wissenswertes zu chinesischen Namen zu sagen, aber vielleicht bleibt später noch Gelegenheit dazu.
Aber zurück in den Klassenraum. Unsere Lehrerin war in Punkto Nachname nicht besonders kreativ und so bekamen fast alle den Nachnamen Li verpasst. Wahrscheinlich war das auch für sie einfach, musste sie sich nur unterschiedliche Vornamen merken und für sie waren wir eine große Familie. Jedenfalls nehme ich an, dass ersteres ihre Motivation war.
So hießen wir also alle Li irgendwas, was so ähnlich wie unser richtiger Name klang, oder auch nicht. Meine Kommilitonin Sarah hieß nun Li Shala, Chris bekam das wohlklingende Li Keyi und die einzige unter uns, die tatsächlich mit richtigem Nachnamen Li hieß, da ihre Eltern ursprünglich aus Hong Kong kamen, bekam den Nachnamen Zhang verpasst.
So mussten wir also alle lernen auf unsere neuen Namen zu hören.
Wie sich herausstellte war der Vorname, den Frau Katzenlehrerin mir gab ein tatsächlich oft genutzter und beliebter chinesischer Vorname, allerdings aus einer anderen Generation, sodass alle Menschen mit diesem Namen nun gut in ihren 50ern oder 60ern waren.
Besten Dank auch.
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mychinatales · 5 years
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Seegurkensuppe
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mychinatales · 5 years
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Shanghai 3.1
Kapitel 3: Eine ganze Klasse namens Li
Aber wir waren ja nicht nur fürs Urlaubmachen hier. Am kommenden Montagmorgen um kurz nach sieben trafen wir uns mit unserem Betreuer, der in einer wahnsinnig faszinierenden Mischung aus Chinesisch und Englisch – oder das, was er für Englisch hielt – mit uns sprach und uns erst mal über allerlei Gefahren dieser Stadt aufklärte. Regel Nummer eins war ironischerweise: Seid, wenn es dunkel wird, nicht in kleinen Gassen unterwegs und fahrt bloß nicht mit privaten Taxis.
Ja, machen wir jetzt dann wohl lieber nicht mehr.
Er führte uns vom Gästehaus weg, über die Straße (sicherheitshalber über die Ampel, so wie es sich gehörte) und auf den Universitätscampus, dessen Allee uns mit Schatten begrüßte. Der Schatten war allerdings nicht das einzige, das uns willkommen hieß, einige Meter weiter, aufgestellt vor dem großen Gebäude winkte uns der große Genosse Mao höchstpersönlich in Stein gemeißelt zu, sanftmütig lächelnd und mit wehender Kluft.
Wir bogen nach links ab, kamen am Deutsch-Chinesischen-Forschungszentrum vorbei und passierten einen riesigen Sportplatz, dessen dünne Gitterzäune uns gnadenlos der immer heißer werdenden Sonne aussetzten. Ich übertreibe nicht. Ein Sommer in Deutschland ist nichts dagegen. Hier kann man morgens um halb acht noch mit einem dünnen Jäckchen und ohne Sonnenschutz auf die Straße wagen. Es war auch kaum ein anderer Student zu sehen. Wir waren die einzigen, die in einer Gruppe hinter unserem Betreuer herdackelten, unsere Augen vor dem grellen Licht abgeschirmt.
Wir verließen den Hauptcampus, passierten eine weitere Straße und betraten einen der Nebenplätze der Universität, hier stand nur eine Hand voll Gebäude, alle relativ neu und innen mit Klimaanlage und diversen Getränke- und Snackautomaten ausgestattet. In der ersten Etage fanden wir unseren zukünftigen Klassenraum, zwölf Doppeltische mit kleinen Fächern darunter montiert, was den großen Nachteil hatte, das damit die Tischhöhe sehr niedrig war und man mit den Knien dagegen stieß. Die Beine übereinander zu schlagen war praktisch unmöglich.
Einige von uns stellten sich genüsslich und mit geschlossenen Augen vor die Klimaanlage und badeten einen Moment in der kalten Luft.
Wir erhielten unsere Unterrichtsbücher und verließen den Campus wieder. Den Weg zu unserem Raum für die nächsten zwei Monate würden wir am kommenden Morgen selbst finden müssen. Auf dem Rückweg deckten einige von uns sich noch schnell mit Büroutensilien ein, sowie T-Shirts auf denen der Name unserer Gastuniversität stand. Nur um zu beweisen, dass wir auch wirklich dort waren und um ein bisschen anzugeben. Der dunkelblaue Pullover mit dem Logo und Namen hängt seitdem in meinem Kleiderschrank. Ich trage ihn nur selten, denn trotz der Tatsache, dass er mit die größte in China kaufbarer Größe hatte, waren mir die Ärmel einige Zentimeter zu kurz.
Den Nachmittag verbrachten wir wieder in der Innenstadt Shanghais, mittlerweile hatten wir uns an einem Touristenbüro Karten und Stadtpläne besorgt und kreisten mit roten Filzstiften die Orte ein, die wir unbedingt und sofort besichtigen mussten.
Shanghai hat viel zu bieten. Vor allen Dingen viel Teures und viel Westliches. Es ist das Finanzzentrum Chinas und beherbergt riesige Geschäfts- und Bankenviertel, in denen nur Geschäftsmenschen in Anzügen und Blazern herumeilten.
Wir fuhren zum sogenannten Bund. Keine Ahnung, wo der Name herkam, er klingt seltsam …Deutsch. Wenn man es sich genau überlegte, war es auch wie ein Bund, wie ein Hosenbund, so wie sich das Ufer ums Wasser schmiegt. Dort gab es eine Promenade, die sich am Ufer des Huangpu-Flusses entlang schlängelte, auf der anderen Seite thronten Prachtbauten, wunderschön beleuchtet bei Nacht, mit antik aussehenden Fassaden und Steinsäulen. Auch eine Filiale der Deutschen Bank war darunter.
Von dieser Seite aus hatte man einen atemberaubenden Blick auf das, was typischerweise als Skyline von Shanghai bezeichnet wird. Große, verglaste Hochhäuser darunter auch das Ding, das wie ein gigantischer Flaschenöffner aussah und ein futuristischer Turm, der entfernt wie eine Ufo-Version des Eifelturms wirkte und jeweils eine dicke, rosa Murmel in seiner Mitter und an der Spitze trug. Den Turm, auch „Perle des Ostens“ genannt, konnte man besichtigen, unten drin gab es ein Museum, das die Stadtgeschichte Shanghais darstellte.
Von weiter oben hatte man einen atemberaubenden Blick über die Stadt.
Ging man vom Bund aus die große Hauptstraße entlang, die östliche Straße Nanjing, verwandelte sich dieser in eine große Einkaufspassage, in der sich in Ufernähe einige teure Läden widerfanden, weiter entfernt vom Wasser normale Geschäfte. Es wimmelte nur so von Menschen. Zwischen ihnen wuselten Verkäufer von Fake-Produkten, sie liefen mit Katalogen in der Hand herum und waren beim Anblick eines Polizisten schneller verschwunden als man schauen konnte. Man lief gemütlich die Straße entlang, bestaunte links und rechts die vielen bunten Eindrücke und hörte wie permanentes Rauschen „DVDs, watches, handbags“ dauernd jemanden zischen.
Wir gingen nicht auf dieses unglaublich verlockende Angebot ein mit einem schmierigen Katalogtypen in irgendwelche Seitengassen zu schleichen um dort gefälschte Billiguhren oder sonstiges zu erstehen. Stattdessen gingen wir in normale Geschäfte und begutachteten die Kleidungsstücke dort. H&M, Zara und wie sie alle heißen, gibt es in China ebenfalls an jeder Ecke und auch das Sortiment gleicht dem anderer Länder. Daneben gibt es aber auch andere Läden, meist recht klein, gerade mal wenige Quadratmeter groß, an deren Wänden lange Kleiderstangen hingen, querbeet Röcke, Mäntel, Blazer, Pullover und Hosen, alle irgendwie anders und nichts schien auch nur zweimal vorhanden zu sein, nicht mal in verschiedenen Größen.
Mich verwirrt dieses Konzept von Größenlosigkeit, als hätten alle Menschen auf der Welt die gleiche Figur und die gleichen Körpermaße. Durchschnittlich sind natürlich die Frauen und Männer in China kleiner und schmaler als in Europa, aber das hieß ja trotzdem nicht, dass alle wie aus einem Guss identisch waren.
Für mich, die bereits für den europäischen Durchschnitt ein paar Zentimeter zu groß ist, war das die Shopping-Hölle auf Erden. Kaum etwas passte richtig. T-Shirts und Tops waren nicht so das Problem, aber alles, was länge Ärmel oder Beine hatte. Hosen gingen gar nicht. Schuhe erst recht nicht. Zum Glück hatte ich ein zweites Paar aus meiner Heimat mitgenommen, aber bei einem längeren Aufenthalt sollte ich darauf vorbereitet sein.
In der Zeit in Shanghai kaufte ich so gut wie keine Kleidung, sondern beschränkte mich lieber auf Modeschmuck, Armbänder und Tee.
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mychinatales · 6 years
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Rote Wunsch- und Glücksbanner in einem Tempel in der chinesischen Provinz Fujian.
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mychinatales · 6 years
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Shanghai 2.4
Es war dunkel als wir das Restaurant verließen, unsere Uhren zeigten kurz nach zehn an und wir trotteten zurück zur U-Bahn-Haltestelle, um zum Gästehaus zurückzukehren, nur um eine unangenehme Überraschung zu erleben: die Haltestelle war geschlossen. Stahlgitter versperrten uns den Weg und wir sahen uns mit großen Augen an.
Hier sperrte man ja auch für die Nacht die Station ab, wohl damit keine liebestollen Pärchen sich dort unten vergnügten oder Obdachlose dort schliefen, aber doch nicht schon um zehn Uhr! Wir waren empört!
Aber trotz der Empörung blieb uns nichts anderes übrig als uns eine andere Möglichkeit zu überlegen zurück in unsere Betten zu kommen und liefen wir die, noch immer belebten, Straßen entlang, streckten immer mal wieder die Hand aus, in der Hoffnung ein Taxi würde für uns anhalten. Leider hatten wir kein Glück und die Taxis waren alle schon besetzt und sausten einfach an uns vorbei ohne uns auch nur zu beachten. Etwas verzweifelt verließen wir die Hauptstraße, in dem Glauben hier etwas weniger Konkurrenz zu haben und in einer Seitenstraße auf ein leeres Taxi zu treffen, um das sich nicht bereits fünf andere Fahrgäste stritten.
Es dauerte über eine Stunde.
Es waren kaum noch Menschen auf den Straßen.
Schlussendlich saßen wir auf einem Taxiroller, klammerten uns am Fahrer fest und tuckerten zurück zum Gästehaus, oder besser zur Universität, da der Fahrer das Gästehaus leider nicht kannte. Aber da es nur etwa zwanzig Minuten Fußweg von dort entfernt war, lotsten wir den Fahrer dorthin.
In China gibt es verschiedene Arten von Taxis. Es gibt die offiziellen Taxis, dadurch erkennbar, dass sie ein großes Schild auf dem Dach montiert haben, meist blaue, rote oder goldene Streifen aufgemalt sind und sie festgelegte Preise haben, die man leicht dadurch erkennen kann, das ein Taximeter mitläuft. Dann gibt es noch diese Velo oder Fahrradtaxis, oder wie die heißen, also ein Fahrrad vorne montiert, auf dem der Fahrer strampelte und dahinter gebaut eine Art Minikutsche, in der sich zwei oder drei Gäste zusammendrängen konnten. Dann gibt es noch private Taxis. Das sind Menschen in ganz normalen Autos, die sich ohne Lizenz (aber hoffentlich mit Führerschein) etwas Geld dazu verdienten und nach der Arbeit Menschen bei sich mitnehmen. Preise waren hier zumeist verhandelbar. Zu diesen kamen noch die Taxiroller, Menschen auf Motorrollern, die ebenfalls kreativ Fahrgäste transportierten. Bei einem späteren Chinaaufenthalt sollte ich diese noch mal genauer kennenlernen, als einer von ihnen uns zwei Gäste und einen riesigen Koffer mitnahm und in halsbrecherischer Geschwindigkeit über schmale Feldwege bretterte. Ob Taxiroller nun zu den offiziellen oder privaten Taxis gehörten, habe ich bis heute nicht herausgefunden.  
Wir kamen weit nach Mitternacht endlich wieder im Gästehaus an, um einige Yuan ärmer, aber dafür um viele Einkäufe und noch mehr Erfahrungen reicher.
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mychinatales · 6 years
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Baozi mit Hackfleisch-Möhren-Füllung.
Hefeteig aus Mehl, Salz, Wasser, Milch und etwas Zucker.
Mit Füllung aus Schweinehack, Soja, Ei, Zwiebeln und geraspelten Möhren.
Gedämpft im Bambuskorb für etwa 25 Minuten.
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mychinatales · 6 years
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Shanghai 2.3
Gestärkt und voller Tatendrang etwas mehr Geld aus unseren Portemonnaies loszuwerden zogen wir weiter und machte bei diesem Vorhaben nun auch zum ersten Mal Bekanntschaft mit einem Taschenrechner, der uns unter die Nase gehalten wurde. Warum? Na zum Feilschen natürlich! Da das Feilschen mit Ausländern allerdings den Nachteil mit sich brachte, dass man sich permanent gegenseitig missverstand, sind findige Geschäftsleute auf die Idee gekommen handelsübliche Taschenrechner zu benutzte, auf denen abwechselnd Gebote eingetippt werden konnten. Zahlen waren eben glücklicherweise unmissverständlich und international.
Ich muss gestehen, dass ich wirklich nicht gerne feilschte. Man tut dies hier ja nun nicht besonders oft, vielleicht auf dem Markt oder so, aber normalerweise nicht und mir jedenfalls ist es auch irgendwie unangenehm. Als hätte ich es nötig, oder so. Die ersten Male war es vielleicht noch ganz lustig, aber auf Dauer immer wieder um jeden Preis feilschen zu müssen war echt anstrengend und hielt dann doch des Öfteren vom Kauf ab.
Zum Glück schienen viele andere Menschen das mittlerweile ähnlich zu sehen, weswegen die meisten Geschäfte (besonders wenn sie größer waren) Preise auf ihre Waren klebten, die eigentlich nicht verhandelbar waren. Traf man jedoch auf Geschäfte und Verkäufer die ihre Produkte nicht gekennzeichnet hatten, war man eigentlich schon verloren. Sie machten ihre Preise selbst und – seien wir ehrlich, welche Nation macht das nicht? – zockten Touristen ab. Es war also völlig egal welchen Preis sie dir nannten und egal wie tief du ihn am Ende herunterhandeln konntest, eine kleine fiese Stimme in deinem Hinterkopf hat immer boshaft gefragt, ob du nicht eben doch über den Tisch gezogen worden warst.
Es nervte wirklich. Aber für alle die, die gerne feilschen, hier ein paar Tipps, wie es einigermaßen bei uns funktioniert hat. Sicherlich gibt es noch viel bessere Anleitungen, aber mit unserer Methode kamen wir eigentlich ganz gut zurecht.
Das allerwichtigste und somit Regel Nummer eins: Gib dich uninteressiert. Eigentlich ein bisschen bescheuert, immerhin zeigst du durch das Fragen nach dem Preis ja geradezu, dass du das Produkt willst, aber tu trotzdem so, als wäre es dir egal. Sobald der Verkäufer wittert, dass du bereits dein Herz an diesen kleinen, niedlichen Jadeanhänger verloren hast, greifst du bereits zu tief dafür in die Tasche.
Regel Nummer zwei: Gehe immer mindestens knapp unter die Hälfte des Preises, die der Händler dir nennt. Sagt der dir zum Beispiel, dass das kleine Schmuckstück 500 Yuan kostet, kontere mit 220 Yuan. Gehst du zu tief, winkt er direkt ab, weil er wittert dabei dich nicht hoch genug treiben zu können um ordentlich Profit zu machen. Leider verhalten sich hier auch alle Menschen anders, bei einigen funktioniert der Trick, bei anderen nicht.
Regel Nummer drei: Egal, was du hörst, gib erst mal ein empörtes tai gui zurück, das bedeutet: zu teuer.
Regel Nummer vier: Gehe langsam weg, wenn er sich nicht auf deinen letzten Preis (und bitte, überleg dir vorher welches dein letztes Angebot ist) einlassen will. Manchmal schreit er dir dann hinterher und geht doch noch auf deinen Preis ein, immerhin will er den Kram ja verkaufen, ansonsten könntest du ihn dir in einem Geschäft einige Meter weiter leisten.
Regel Nummer fünf und das ist für Fortgeschrittene: Verklickere dem Händler, dass du genau dieselbe Ware bereits in einem dieser Geschäfte weiter hinter für einen viel niedrigeren Preis angeboten bekommen hast. Zeige dabei vage in diese Richtung und mache einen Schritt darauf zu.
Allerdings fallen nicht alle auf diesen Trick rein.
Mein Rekord beim Feilschen war für ein grünes Jadearmband (natürlich keine lupenreine und hochwertige Jade, eher Modeschmuck, aber doch robust und schön), auf dessen Preisschild 480 Yuan stand und das ich am Ende mit langem hin und her und dank vielen Drohungen einfach wegzugehen für 120 Yuan erstanden habe. An diesen Erfolg konnte ich bis heute nie wieder anknüpfen.
Es war bereits abends als wir nun endlich auch wieder Tageslicht sahen. Jedenfalls was von dem Tageslicht noch übrig war. Unsere Mägen hingen auf halb acht und wir suchten händeringend nach einem Restaurant, das einerseits aussah, dass wir es uns leisten konnten und andererseits, dass wir es nicht mit einer Lebensmittelvergiftung gratis zum Essen dazu wieder verließen. Wahrscheinlich hätten wir in kaum einem Restaurant in ganz Shanghai je eine Lebensmittelvergiftung bekommen, aber die ersten Tage dort waren wir noch übervorsichtig und aßen nicht alles, was uns vor die Nase kam.
Am Ende fanden wir ein nettes kleinere Restaurant, das etwa zwanzig Tische beherbergte, leider aber nur eine rein chinesische Karte hatte. Daher machten wir das, was in diesen Momenten wohl jeder tun würde, wir bestellten frei nach Bildern.
In China funktioniert essen gehen ebenfalls anders als in den meisten westlichen Ländern. Es bestellt nicht jeder nur einen Teller für sich, entscheidet selbst, was er will und teilt mit niemandem, sondern man bestellt für den ganzen Tisch. Jeder hat auf dem Tisch vor sich eine kleine Schüssel, Stäbchen und ein Glas stehen, in der Gruppe (oder der ranghöchste, oder wer auch immer) wählt das Essen für den ganzen Tisch aus, dabei wird viel Wert auf vielfältig gelegt, so bestellt man ein Gericht mit Fisch, eins mit Fleisch, eins mit Gemüse und eine Suppe.
Die Faustregel besagte, dass man immer ein Gericht mehr bestellt als Menschen am Tisch sitzen. Bei fünf Personen also sechs Gerichte. Auf Ausgewogenheit der Wahl wird dabei großen Wert gelegt und eine Suppe sollte idealerweise auch dabei sein, da man sagte, dass Suppe der letzte Gang eines Essens sein sollte, da diese auch noch die allerletzten kleinen freien Teile des Magens füllte und man so rundum satt war. Man bestellte also das Essen für den ganzen Tisch, jeder bekam etwas Reis und konnte sich dann nach Herzenslust aus allen Schüsseln und von allen Tellern bedienen.
Je nachdem mit dem man an Tisch saß und welche Vorlieben diese Person hatte, konnte das viele Vorteile aber auch Nachteile haben.
Wir bestellten uns drei verschiedene Gerichte und erhielten eine Schüssel Reis dazu. Gericht Nummer eins war gebratener Kohl in einer Sojasoße und schmeckte ganz lecker, nicht unbedingt aufregend oder besonders, aber genießbar. Das zweite Gericht bestand aus dünnen Streifen von Schweinefleisch, Karotten und schwammartigen Pilzen und war ganz schön scharf, schmeckte aber wirklich gut und gemeinsam mit dem Reis brannte es einem auch nicht sofort das Zäpfchen weg. Gericht Nummer drei allerdings war wohl ein Fehler gewesen. Es war fleischartig, zäh und kalt. Wir hatten gedacht es wäre einfach nur etwas Fleisch gebraten und aufgeschnitten aber das stimmte wohl nicht so ganz. Zum einen schien es am Vortag (wenn nicht schon im Vorjahr) gekocht worden zu sein, war kalt und in Scheiben geschnitten. Es schmeckte wie ein alter Radiergummi und bei näherer Betrachtung war die Überfläche seltsam rau und ...noppig.
„Ich weiß, was das ist! Das ist Zunge!“
„Igitt“
Es ist bei weitem nicht das seltsamste oder gewöhnungsbedürftigste, was ich in China je gegessen habe, aber es gehört definitiv zu den Dingen, die ich wohl nicht noch mal bestellen würde. Erneut schlug ich die Karte auf, suchte nach dem Gericht und schrieb mir die Schriftzeichen in ein Notizbuch ab, mit dem festen Vorsatz sie später in einem Wörterbuch oder im Internet nachzuschlagen und herauszufinden, welches davon wohl Zunge hieß, damit mir dieser Fehler nicht erneut unterlief.
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mychinatales · 6 years
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Ja… Klingt… Lecker?!?
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mychinatales · 6 years
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Shanghai 2.2
Gegen zehn Uhr war es bereits brütend heiß und schutzsuchend verschanzten wir uns erst mal in der U-Bahnstation in der Nähe des Gästehauses. Diese sah aus wie eine monströse und komplett verspiegelte Eingangshalle zu einer Nobelbank. Sie war natürlich nicht komplett verspiegelt, aber der Boden so sauber geschruppt, dass man sich darin spiegeln konnte, wenn man wollte. Damit dieser Zustand auch ja erhalten blieb liefen gleich drei uniformierte Putzkräfte hin und her, sammelten Staubkörnchen auf oder polierten Wassertröpfchen von den Glasoberflächen. In einer Ecke befand sich eine moderne Toilettenanlage und in der anderen eine weitläufige Sitzgruppe mit kleinen Sofas. An einer Wand hingen mehrere Fernseher, die nonstop und synchron Werbung zeigten.
Ich sollte vielleicht dazu sagen, dass diese Linie der Shanghaier U-Bahn erst kurz vor unserer Ankunft eröffnet worden war und auch noch die Expo in dieser Zeit anstand, sodass sich die ganze Stadt herausgeputzt hatte. Gewisse U-Bahn-Linien in Peking dagegen waren ein stickiges, überfülltes und abgewracktes Moloch, aber dazu später.
Da wir noch keine Idee hatten, wo in Shanghai was war, stiegen wir einfach in die erste Bahn ein und fuhren ins Zentrum, was sich leicht daran erkennen ließ, dass sich dort viele der Linien zu kreuzen schienen und wo viele Linien waren war dann auch bestimmt mehr los. Bevor wir allerdings die makellos sauberen Bahnen besteigen konnten, mussten wir noch durch eine Flughafenähnliche Personen- und Taschenkontrolle, die von gelangweilt aussehendem Personal durchgeführt wurde, das nicht mal auf den Bildschirm schaute, als unsere Taschen geröntgt wurden. So viel also zum Thema Sicherheit.
Wir stiegen am Platz des Volkes aus, an dem sich gleich drei Linien trafen und der damit das meiste Potenzial für „da ist was los“ versprach. Kaum hatten wir die Bahn verlassen, gingen wir schon beinah im Menschengedränge unter, aus allen Richtungen kamen sie, strömten an uns vorbei, rempelten uns an, schoben uns unsanft weiter. Grüne, blaue und lilafarbene Pfeiler auf dem Boden markierten die Wege zu den angrenzenden Linien. Selbst ohne Chinesisch Kenntnisse konnte man sich hier leicht zurechtfinden. U-Bahn-Linien in Metropolen auf der ganzen Welt schienen ähnlich einfach zu funktionieren.
Wir stolperten eine lange Treppe hinauf, dachte wir würden sicher bald wieder Tageslicht sehen, aber stattdessen standen wir zu Beginn einer Reihe langer Gänge, die verzweigt überall hinzuführen schienen und vollgestopft waren mit kleinen Läden, Verlaufskarren und Menschen.
„Ist das hier ein Einkaufszentrum?“
Nicht so ganz. Das hier war immer noch eine U-Bahn-Station, die allerdings zweckentfremdet worden war – vielleicht um Platz zu sparen. Immerhin waren die Räumlichkeiten hier eh vorhanden, warum nicht einfach ein paar Geschäfte hineinquetschen? Wir jedenfalls waren hellauf begeistert und flitzten von einem Geschäft ins nächste und bestaunten die vielen – zumeist kitschigen – Waren. Hier gab es wirklich alles, was das junge Mädchenherz begehrte: Massenhaft Modeschmuck, wie Ohrringe, Armbänder, Ketten und Haarspangen, Kleidung in allen erdenklichen Varianten, von schicken Anzügen, über Pyjamas mit großen gelben Spongebob Schwammkopf Fratzen darauf, Babykleidung von westlich bis traditionell, Pärchen-T-Shirts, eins peinlicher als das nächste und sogar Brautkleider in allen möglichen Graden des Bling-Bling und Kitsches, Elektronik und Millionen verschiedene IPhone Hülle, Make-up und Schuhgeschäfte, in denen leider Frauen nur bis Größe 37 fündig werden konnten.
An vielen angebotenen Produkten hingen kleine Preisschildchen, deren hohe Summen uns anfangs noch seltsam vorkamen, wenn man es noch nicht gewohnt war alles in Euro umzurechnen. Aus Faulheit streiche ich bis heute noch die letzte null weg, sodass eine Rechnung von beispielsweise 70 Yuan (auch Renminbi genannt) etwa sieben Euros entspricht. Das stimmte nicht ganz, gab einem aber das herrliche Gefühl noch günstiger eingekauft zu haben, sodass auch ja kein schlechtes Gewissen aufkommen konnte, warum man denn so viel Geld für billigen Schnickschnack rauswarf.
Zu der Zeit lag der Wechselkurs noch etwas höher, bei etwa 1:8, oder sogar 1:9, wenn man einen guten Tag erwischte. Bei meiner dritten Chinareise lag der Kurs bei 1:7. In der Zukunft und bei der momentanen wirtschaftlichen Lage würde er wahrscheinlich weiter sinken und sich immer weiter einer Balance annähern, auch wenn China schon jetzt kräftig die Preise drückte, damit der Import in den Westen sich auch weiterhin rentierte. Vielleicht hätte ich schon damals mein Geld statt in wertlosen Kram lieber in die Währung investieren sollen.
Ich frage mich, wer aus der U-Bahn tritt und sich überlegt: Mensch, jetzt kauf ich mir erst mal ein Brautkleid!
Mit großen Augen und allmählich durstig schlenderten wir weiterhin an den vielen Geschäften vorbei, zwischen die sich immer mal wieder ein Imbiss gedrängt hatte. Unsere Mägen, die nur Sandwiches und Äpfel bekommen hatten, machten sich bereits bemerkbar und hier und da erhaschten wir herrliche Frittiergerüche. Ein bisschen kühner als noch am Morgen gingen wir zu einem der kleinen Imbisse und bestellten das wohl einfachste Gericht auf der Karte Dan chao fan (wörtlich übersetzt: Ei braten Reis). Das sollte natürlich nicht ungrammatikalisch für „das Ei brät Reis“ sein oder so, nein. Wir würden es eher mit „gebratener Reis mit Ei“ übersetzen, aber das Chinesische ist, was seine Grammatik betrifft, dem Himmel sei Dank wirklich einfach gestrickt. Das gleicht die Gemeinheit mit den Tönen und Schriftzeichen ein wenig aus. Wer die ultimativ schwerste Sprache der Welt kreieren wollte, könnte es mal mit den Tönen des Kantonesischen, den drei ineinander verschmolzenen Schriftsystemen des Japanischen und der Grammatik des Finnischen ausprobieren.
Wir hockten uns mit unserem gebratenen Reis und einem Milchtee (einem süßen Getränk aus Milchpulver, Schwarztee und Wasser – wahlweise auch mit einer Geschmacksrichtung wie Honigmelone, Erdbeere oder rote Bohnen) auf eine Gruppe Plastiksitze und beobachteten essend die Menschen, die an uns vorbei hasteten.
Eigentlich war es tatsächlich ganz gemütlich und wir blieben auch größtenteils ungestört. Hin und wieder blieben mal kichernde Jugendliche etwas länger in unserer Nähe stehen, um mit ihren Handys offen oder verdeckt Fotos von uns zu machen. Das hielt sich allerdings in Grenzen, wir waren schließlich in Shanghai und da war man an den Anblick von langnasigen Menschen mit komischen Haar- und Augenfarben bereits gewöhnt.
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mychinatales · 6 years
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Faszinierende Übersetzung dieser Wuhan-Spezialität
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mychinatales · 6 years
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Shanghai 2.1
Kapitel 2: Shanghai – das westliche China
Wir flogen Anfang August nach Shanghai, vierundzwanzig aus unserem Sinologiejahrgang. Na ja, nicht alle – wie eine Dozentin von mir es so herrlich ausdrückte – Edelsinologen, sondern auch ein paar aus der Wirtschaft und Politik Asiens, die mit uns in den Chinesischkursen abhingen. Ganz ehrlich, was für eine bescheuerte Zeit um in den Süden zu fliegen. Wir kamen nach Mitternacht am Pudong Flughafen von Shanghai an und dachten wir wären in einem tropischen Gewächshaus gelandet. Die Luft war zu feucht und zu warm zum Atmen und das nach Mitternacht, als schon seit Stunden keine Sonne mehr schien. Man konnte zusehen, wie sich Schweißflecken auf der Kleidung bildeten.
Mit unseren riesigen Koffern quetschten wir uns in Taxis und gaben den Namen der Universität an, in der wir die nächsten neun Wochen verbringen würden. Den Namen hatten wir uns zuvor in chinesischen Schriftzeichen auf einer Karte notiert, aus Angst bei der ersten wirklich echten Feuertaufe und einem Gespräch mit einem richtigen Chinesen in China kein Wort herauszubekommen. Na ja, oder versehentlich den Ton nicht zu treffen und statt „Fahren Sie uns bitte dorthin“ zu sagen „Dunkler Schlamm an der Mutter deiner Schildkröte“ oder so ähnlich. Die Dozentinnen, die chinesische Muttersprachler waren, hatten uns zu Beginn des Kurses verboten „Guten Morgen“ zu sagen, da wir, wenn wir den Ton nicht trafen – und das taten wir fast nie – ein nettes „Fuck you“ zur Begrüßung von uns gaben.
Chinesisch ist eine schizophrene Sprache.
Die Straßen Shanghais waren verhältnismäßig leer in den wirklich frühen Morgenstunden, sodass unser Taxifahrer gechillt die Betonautobahnen entlang bretterte, alle fünf Sekunden hupend, um zu signalisieren, dass er Vorfahrt hatte. In China gibt es nämlich keine Straßenverkehrsordnung, wie in Deutschland, die genau festlegt, wer wann fahren darf. Nein. Hier fährt wer das dickste und schnellste Auto hat, oder wer zuerst hupt. Dementsprechend klingt dann auch eine Hauptstraße. Ich wette, das erste, das an einem chinesischen Auto kaputt geht ist nicht etwa die Bremse sondern die Hupe.
Unsere Bleibe in Shanghai war eine Art Hotel oder Gästehaus, die meisten von uns bekamen ein Einzelzimmer, das etwa fünfzehn Quadratmeter hatte, ein Bett, ein Fernseher, ein Wasserkocher, ein kleines Badezimmer mit Dusche und – dem Himmel sei Dank – eine westliche Toilette. Warum ich das extra erwähne? Lasst es mich so ausdrücken, in China verrichtet man sein Geschäft ein bisschen anders. Die gängigen, öffentlichen Toiletten bestehen meistens aus einem rechteckigen Stück Porzellan, das entfernt an einen Töpfchenaufsatz für Kleinkinder erinnert – mit einem Loch im Boden. Allerdings sitzt man nicht gemütlich, wie auf einem Stuhl, sondern hockt sich über das Loch, wie beim Wildpinkeln im Wald. Man ist immer darum bemüht nicht seine Schuhe einzusauen oder das Gleichgewicht zu verlieren und einfach umzufallen. Aber mehr zu wirklich abenteuerlichen Erlebnissen mit chinesischen Toiletten später.
Dank der Klimaanlage war die erste Nacht auf der steinharten Matratze erträglich, wenn auch sehr kurz. Um acht Uhr klopfte meine Kommilitonin an die Tür und wir stromerten los in die Fremde, um uns etwas zum Frühstück zu suchen. Obwohl unsere Behausung als Hotel deklariert war, gab es nämlich keinen Speiseraum mit Verköstigung. Die Straßen waren relativ belebt, gemächlich wackelten ältere Frauen an uns vorbei, die uns kurz neugierige Blicke zuwarfen, Herren in mittlerem Alter standen in schönstem Feinrippunterhemdchen am Straßenrand und präsentierten uns etwas, das in Deutschland ein Bierbauch genannt wurde, hier aber wohl eher auf übermäßigen Reiskonsum zurückzuführen war. Autos und Motorroller rasten hupend vorbei, wobei letztere gerne mal mit mehr als nur einer Person beladen waren.
In China gibt es über einer Milliarde Menschen und gefühlt mehr als doppelt so viele Motorroller. Jeder besitzt einen; die Jugendlichen düsen damit zur Oberschule, das ihre Schuluniform nur so flattert, die todschicken Businessfrauen haben den ihren farblich zum Outfit abgestimmt – es ist keine Seltenheit rosafarbene Flitzer zu sehen – Mütter erledigen ihren Einkauf, die Taschen geschickt zwischen ihren Füßen balanciert, Männer mit Sonnenbrille fahren lässig über den Bürgersteig um einer roten Ampel auszuweichen. Aber was sag ich, Bürgersteig. So mag das in anderen Ländern heißen, aber hier gibt es so etwas nicht unbedingt überall. Wenn doch ist dieser mit allerlei Kram, wie Autos, Rollern, Müll, Imbisskarren oder Verkaufsdecken, zugestellt, sodass man entweder einen Hindernislauf veranstalten konnte, oder doch resignierte und auf der Straße lief, wie alle anderen auch.
Aus allen Himmelsrichtungen drangen die verschiedensten Essensgerüche zu uns, Dampf stieg alle paar Meter aus einem Kochtopf, einer großen Pfanne oder aus riesigen Körben in die Luft. Blechende Lautsprecherstimmen mischten sich unter die menschlichen Rufe, die ihre Ware bewarben und die wir allesamt nicht verstanden. Daher versuchten wir uns eher auf unsere Augen und eingeschränkten Kenntnisse der Schriftzeichen zu verlassen um zu enträtseln an welchen Köstlichkeiten wir gerade vorbeiliefen. Vielleicht hätten unsere Dozenten uns besser auf den Alltag vorbeireiten sollen, statt nutzlose Vokabeln wie Verwaltungssonderzone und Katalysator, wären Namen von Fleisch- und Gemüsesorten wohl angebrachter gewesen. Wir jedenfalls waren so absolut überfordert.
Aber Hilfe wird denjenigen gewährt, die verzweifelt genug suchten und so stolperten wir erleichtert in einen kleinen Supermarkt, wobei die Bezeichnung „klein“ nicht unbedingt die richtige Bezeichnung war, „winzig“ hätte es eher getroffen. Der Laden hatte geschätzt zwanzig Quadratmeter, aber gefühlt ein größeres Warensortiment als ein Metromarkt. Auf engstem Raum fand man hier alles, was das Herz begehrte, von Getränken, über Toilettenartikeln, Obst, Zigaretten und Kinderspielzeug hin zu hundert Sorten Chips in den faszinierendsten Geschmacksrichtungen. Currywurst und Pommes Schranke sollen komische Sorten sein? Wie wäre es mit Gurke, Limette oder sauerscharfem Fischtopf? Wir wählten völlig überteuerte Sandwichs aus, ein paar Äpfel und Wasserflaschen. Mit draufgängerischem Verhalten bei der Speiseauswahl warteten wir lieber noch ein wenig.
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mychinatales · 6 years
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Shanghai 1.3
Glücklicherweise war mein Fall nicht allzu tief, aber ich musste doch feststellen, dass mein Kenntnisstand etwa nach vier Wochen eingeholt war und ich wie alle anderen pro Woche etwa dreißig neue Schriftzeichen lernen musste. Zu allem Übel waren es auch noch traditionelle Schriftzeichen, wie sie noch heute in Hong Kong oder Taiwan verwendet werden, nicht aber in dem Rest von China.
China hat schon vor einigen Tausend Jahren Schriften entwickelt, damals noch wurden die Zeichen als Bilder auf Knochen oder Schildkrötenpanzern eingeritzt und damit wurde die Zukunft vorhergesagt. Aus einigen der Bilder sind dann die Schriftzeichen entstanden, die mit anderen Zeichen erweitert wurden um ein kompliziertes System zu entwickeln. Die Zeichen selbst waren in vielen Fällen sehr kompliziert, hatten viele einzelne Teile und Striche und waren wahrlich kein Kinderspiel auswendig zu lernen. Ich gehörte nun zu den glücklichen, die ebenfalls dieses Schriftsystem lernen durfte.
Die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika verbrachte ich größtenteils damit mit einem Auge auf den Fernseher zu schauen und mit dem anderen Vokabelkärtchen zu studieren und in Endlosschleife immer dasselbe Zeichen zu schreiben. Sinologiestudenten sind immer ein lustiger Anblick in öffentlichen Verkehrsmitteln. Sieht man in der Bahn jemanden, der mit einem vor Konzentration rotem Gesicht dasitzt und mit dem Finger gedankenverloren Figuren in die Luft malt, kann man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass derjenige gerade Vokabeln lernt und innerlich über dieses verdammte Strichsystem flucht.
Mein erster richtiger Kontakt mit China folgte dann nach dem zweiten Chinesischkurs: Shanghai. Natürlich hatte ich auch vorher schon mit Chinesen Kontakt, seit dem Kurs an der Universität Plan B hatte ich immer wieder, teilweise auch über einen längeren Zeitraum hinweg, Tandem-Partnerschaften mit Chinesinnen. Das hat nichts mit Fahrrädern zu tun. Meistens trafen wir uns an der Uni, zum Beispiel in der Cafeteria oder im Studentenwohnheim. Ich weiß nicht mehr, wie viele Hausarbeiten und Bachelorarbeiten zu den abstrusesten Themen ich gelesen und korrigiert habe, besonders schön eine über Plasma und Auftreffwinkel oder so ähnlich. Hatte irgendwas mit Experimentalphysik zu tun und ich habe nichts von dem verstanden, was ich da gelesen habe. Das lag nicht nur am Thema, möchte ich hinzufügen. Meistens gestalteten sich solche Arbeiten äußerst spaßig, der Großteil der Sätze war entweder einfach gehalten und folgte den simpelsten Strukturen oder war derartig kompliziert, dass man einen Doktor in diesem Fachbereich brauchte, um das zu verstehen. Ich möchte dazu anmerken, dass Chinesen ein anderes Konzept von Plagiaten haben. Na gut, gerechterweise muss man sagen, dass so einige bekannte Politiker offenbar dieselben Ansichten vertreten – vielleicht sind sie heimlich Chinesen? Wer weiß das schon. So fing ein Satz sehr holprig und grammatikalisch nicht korrekt an und wechselte plötzlich in schönstes Fachdeutsch. Erstaunlich wie gut sie immer versucht hatte das Abschreiben zu vertuschen. Aber in China denkt man nicht so. Alles, was irgendwer jemals geschrieben hat, gilt als Allgemeingut für die Öffentlichkeit und kann fröhlich genutzt werden. Geistiges Eigentum ist gänzlich unbekannt. Ganz im Gegenteil, von jemandem Ideen abzuschreiben gilt als größtes Kompliment und Lob an diese Person, da man seine oder ihre Ideen für gut hält und sie deswegen nutzt.
Liebe Politiker, wie wäre es denn mit einem Doktortitel in China?
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mychinatales · 6 years
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Aussicht auf Hong Kong vom Peak aus.
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mychinatales · 6 years
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Kleiner Pavillon und Sonnenschutz
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mychinatales · 6 years
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Shanghai 1.2
So kam ich also in den kleinen Semesterferienkurs Chinesisch Grundkurs I. Insgesamt hatten wir nur zwei Wochen Unterricht, jeden Tag von neun bis zwölf. Die Reise jeden Morgen zur Uni in derselben Bahn war schon nicht schön, zumal es gerade Februar war. Ich traf jeden Morgen dieselben müden Menschen, sah in der Bahn zu, wie die Sonne sich langsam weiter erhob und es hell wurde. Trotz der schrecklichen Zeit war der Kurs das Beste, das mir je passiert ist. Wir waren nur ein paar Studierende, vielleicht fünfzehn oder so, nicht so viele und einige sprangen schon nach wenigen Tagen ab, da ihnen die Sprache doch etwas zu schwer war. Chinesisch ist schwer. Chinesisch hat Schriftzeichen, klar, aber die gehen ehrlich gesagt noch, weil es da so eine darunterliegende Logik gibt. Aber was einen wirklich fertig macht, ist das: Chinesisch hat Töne. Das Japanische hat übrigens keine Töne. Töne, dabei denkt man erst mal an Musik und irgendwie hat es sicher damit auch etwas zu tun, aber das heißt nicht, dass man Chinesisch singt. Das läuft in etwa so ab, das Chinesische hat nur eine begrenzte Möglichkeit an Wörtern, die überhaupt gebildet werden können, meistens beginnen diese mit einem Konsonanten und enden auf einen Vokal oder auf eine Vokalkombination. Mehrere Konsonanten hintereinander, wie Beispielsweise das „STR“ in Straße ist nicht möglich. Die Wortbildungsmöglichkeiten sind also begrenzt und beschränken sich auf gerade einmal ein paar Hundert Alternativen. Hier kommen die Töne ins Spiel. Sie erweitern die Möglichkeiten auf das Vierfache, da es vier Töne gibt (streng genommen gibt es noch einen tonlosen Ton, den zählen wir hier aber nicht mit, da er für Partikel verwendet wird). Wenn ich von Chinesisch spreche, beziehe ich mich übrigens auf das sogenannte Mandarin, das Hochchinesisch, nicht etwa auf einen der vielen Dialekte, wie beispielsweise Kantonesisch. Das ist auch gut so, da Kantonesisch gefühlt zweitausend Töne hat. Na gut, offizielle Aussagen schwanken zwischen sechs und neun Tönen. Jedenfalls gibt es vier Töne und die entscheiden auch darüber, welche Bedeutung das Wort am Ende hat. Zu Abstrakt? Hier ein Beispiel, nehmen wir das Wort ma (das ist wohl das gängigste Beispiel überhaupt), ohne Ton (also mit tonlosem Ton) bedeutet ma am Ende eines Satzes, das dieser Satz eine Frage ist. Ohne-Ton-ma ist also eine Art gesprochenes Fragezeichen. Ton-eins-ma bedeutet Mutter, jedenfalls ist das je nach Schriftzeichen eine Möglichkeit. Genauer gesagt mama bedeutet Mama, da sind sich Babys auf der ganzen Welt wohl mehr oder weniger einig geworden. Ton-eins wird mit einem vertikalen Strich über dem ā signalisiert, der Ton sollte gleichbleibend (monoton) ausgesprochen werden – sozusagen einen Ton halten. Darauf folgt Ton-zwei, dieser würde bei unserem ma-Beispiel wieder auf dem á platziert, diesmal aber wie ein diagonaler Strich von links unten nach rechts oben, wie bei einem französischen accent aigu. Das bedeutet, dass man bei diesem Ton tiefer beginnt und höher endet, ein bisschen, wie bei einer Frage. Wenn man im deutschen eine Frage stellt, geht man am Ende des Satzes auch mit der Stimme automatisch höher, das auf das Wort ma angepasst und voila: Ton-zwei. Ton-zwei-ma könnte zum Beispiel bedeuten uneben oder rau, je nach Schriftzeichen natürlich. Kommt nun Ton-drei-ma, in unserem Beispiel, Pferd. Hierbei wird über dem ǎ ein umgedrehtes Dach platziert, der Ton sollte hoch beginnen, tiefer werden und wieder hoch ausklingen. Ein bisschen so, wenn man etwas genervt auf die Frage „kannst du dein Zimmer aufräumen?“ mit „Ja-a“ antwortet und dabei die Augen rollt. Kommt der Sache recht nahe, oder wenigstens nah genug, dass die Chinesen nicht in haltloses Gekicher ausbrechen. Folgt noch Ton-vier, der ein bisschen wie das Gegenteil von Ton-zwei ist, da er hoch beginnt und dann tief ausklingt, in unserem Beispiel hätte das à nun diesen Strich und könnte schimpfen bedeuten. 妈  骂  麻  马  吗 ? mā mà má mǎ ma? Dieser sehr konstruierte Satz ist natürlich nur ein humoristisches Beispiel, kein Mensch würde den tatsächlich so sagen, aber für unseren Fall reicht er vollkommen aus. Hier haben wir also das mehrfache ma, mit der ungefähren (wenn auch recht stümperhaft umgesetzten) Bedeutung: Schimpft die Mutter mit dem rauen Pferd? Wie gesagt, die Grammatik des Satzes stimmt nicht hundertprozentig und kein Mensch würde dieses ma mit der Bedeutung rau, uneben und noch vielen weiteren Bedeutungen als Adjektiv für die Beschreibung eines Pferdes verwenden, aber ich hoffe es reicht trotzdem um meine These: Chinesische Töne sind echt schwer! durchzukriegen. Wenn man sich die Schriftzeichen genauer ansieht, finde ich, erkennt man auch eine gewisse Logik, nicht wahr? Aber dazu später, bislang genug der Lehrstunden. Saß ich also zwei Wochen lang jeden Tag brav im Chinesischunterricht und lernte die Töne auswendig, setzte mich Zuhause an den Schreibtisch, steckte Lernmaterial in den CD-Player und lauschte über Kopfhörer den vielen Tönen und Wörtern des Chinesischen. Brav sprach ich sie nach, in der Hoffnung den Ton halbwegs zu treffen und nichts zu schlimmes von mir zu geben, während meine Mutter mich entgeistert fragte, ob ich mich mit der Katze unterhielte… Dabei fiel mir viel zu langsam auf, dass ich eigentlich viel mehr Zeit und Lust auf das Chinesische verwandte als für mein zweites Fach. Damit nahm das Schicksal schleichend seinen Lauf. In den nächsten zwei Semestern konzentrierte ich mich auf Fach Nummer eins, das mir wirklich Spaß bereitete und in dem ich auch in der regulären Zeit und Planung lag, während bei Fach Nummer zwei alles irgendwie chaotisch und frustrierend war. Fairerweise muss ich sagen, dass das nicht alleine an der Tatsache lag, dass ich dank des Systems nie in Kurse kam, nein, die Kurse langweilten mich mitunter ebenfalls und ich machte nicht genug Scheine und Punkte in diesen, damit es nennenswert ins Gewicht fiel. Stattdessen hatte ich nun auch Chinesisch Grundkurs II absolviert und befand mich bereits in Grundkurs III, mittlerweile waren wir gerade mal acht Studierende, die bis jetzt durchgehalten haben, aber es begann immer mehr Spaß zu machen. Erst Mitte des dritten Semesters, als mir wirklich bewusst wurde, dass ich in Fach Nummer zwei festhing und mehr Zeit für Chinesisch aufbrachte als für alles andere, dämmerte es mir, dass ich wohl etwas ändern sollte, um nicht zu einem frustrierten Langzeitstudierenden zu werden. Um schon mal vorweg zu greifen, ich habe in etwa doppelt so lange studiert, wie es die Regelstudienzeit vorgibt, aber bevor ich hier deswegen verurteilt werde, bitte ich doch weiter meiner Geschichte zu lauschen, danach darf sich jeder sein Urteil bilden. Ich ging also wieder zu meiner Universität Plan A und versuchte es mit einer Anrechnung und Anerkennung für Fach Nummer eins, was erstaunlich gut funktionierte, da mir bis auf zwei Kurse tatsächlich alles angerechnet wurde und ich den blöden Numerus Clausus nun umgehen und direkt in ein höheren Semester eingestuft werden konnte. Eilig bewarb ich mich für ein volles Studium des Chinesischen, das im Fachjargon Sinologie heißt und nicht nur die Sprache, sondern auch Geschichte, Philosophie und Literatur umfasst. Stolz und selbstsicher setzte mich also zu den frisch gebackenen Erstsemestern, heimlich erfreut, dass ich bereits Vorkenntnisse hatte und ganz sicher einen leichteren Start haben würde als sie. Immerhin hatte ich Chinesisch Grundstufe III absolviert, ich beherrschte das Chinesische also schon fast fließend! Wer konnte mir da noch was vormachen? Ja, Hochmut kommt vor dem Fall, was?
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mychinatales · 6 years
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Shanghai 1.1.
Kapitel 1: Chinesisch oder Japanisch? Wo ist da der Unterschied?
China denkt anders. Vielleicht nicht China allgemein, aber die meisten Menschen, die dort leben. Die denken anders. Am Anfang glaubte ich, das wäre nur so ein Spruch, so von wegen, ja, alle Menschen sind anders und es gibt ja so viele kulturelle Unterschiede. Aber nachdem ich dort war, ich meine, richtig dort war, nicht nur bloß mal schnell auf Durchreise, vorbeigescheucht an den Sehenswürdigkeiten – die große Mauer, die Verbotene Stadt, die Kanäle von Suzhou, dieses Gebäude, das aussieht wie ein übergroßer Flaschenöffner – sondern dort gelebt habe, unter den Chinesen, habe ich festgestellt, dass das stimmt. Ist man jünger glaubt man irgendwie noch alle Menschen wären im Kern gleich. Alle Familien sind gleich, jede Mama steht mit gekochtem Abendessen vor einem, wenn man nach Hause kommt. Na gut, das ist in China tatsächlich auch so, nur nicht, dass es bloß das gekochte Abendessen ist, sondern auch ein gekochtes Frühstück und Mittagessen. Aber von Anfang an.
Meine Faszination mit China war purer Zufall. Kein Scherz, als ich etwa zwölf war, begann die Flut von Mangas und Animes nach Deutschland zu schwappen, das Fernsehen war voll davon, japanische Schulmädchen mit ihren Streichholzbeinen, der Wespentaille und den für den Körper viel zu großen Brüsten und Augen. Mal von den Haaren in allen erdenklichen Farben ganz abgesehen. Lustig eigentlich, das gerade Haare in Regenbogenfarben aus einem Land hervorgegangen waren, in dem jeder eigentlich schwarze Haare besaß. Aber wahrscheinlich musste das so kommen, so von wegen das Gegenteil von einem selbst suchen und anziehend finden. Na ja, jedenfalls war auch ich vom Manga Virus infiziert, begann ebenfalls seltsame Menschen mit Megaaugen zu zeichnen, probierte Sushi und ergötzte mich an den japanischen Geschäften in Düsseldorf. Als dann in der Oberstufe die Frage nach einem Weitergang aufkam, war ich perplex. Viel zu schnell für meinen Geschmack, dabei hatte ich mich die letzten neun Jahre doch so herrlich in den kuscheligen Mauern unserer Betonschule eingelebt. Wieso die jetzt schon verlassen?
Also ging ich den nächstbesten Schritt und besuchte die Universität. Hin- und hergerissen zwischen der eher bürgerlichen Realität auf Lehramt zu studieren und dem ausgefallenen Wunsch Japan näher zu kommen, bewarb ich mich gleich für beide Optionen. Doch dank des geburtenreichen Jahrgangs in dem ich mich befand, rutschte der Notendurchschnitt zu hoch, sodass ich gleich für beide Optionen eine Absage erhielt. Verdammt. Dabei wäre es doch so schön gewesen einfach das Schicksal entscheiden zu lassen, statt selbst quälend und mit der Zukunft vor Augen eine Entscheidung fällen zu müssen. So blieb mir nicht viel und ich schrieb mich eilig an einer anderen Universität im Umfeld ein, die allerdings kein Japanisch anbot, erst recht nicht als vollwertigen Studiengang. So landete ich sicher auf dem Weg zum Lehramt, pendelte fröhlich jeden Morgen – natürlich als würde ein Student tatsächlich jeden Tag zur Uni fahren – mit der Bummelbahn über die Dörfer zu meiner neuen Uni, überfordert von der schieren Größe und den Massen an Menschen.
Ich muss wohl nicht dazu sagen, dass natürlich kurz nach der Einschreibung an der Plan B Universität sich Universität Plan A mit einer Zulassung gemeldet hat – für beide Optionen.
Na ja, ich hatte die Entscheidung getroffen, oder besser, sie war mir geschickt abgenommen worden und nun war ich eben hier. Das erste Semester war das reine Chaos. Auch diese Uni war vom geburtenstarken Jahrgang überrascht worden und hatte mal locker dreimal mehr Anmeldungen als sonst – leider hatten sie den Fehler gemacht alle zuzulassen, statt wie Uni A erst mal Absagen rauszuhauen. Pech für das Unisystem, Glück für mich. So saß ich in überfüllten Seminaren im Kinosaal und gab mir Mühe bei dem herrlichen Popcorngeruch und den weichen Sitzen nicht vollends einzuschlafen, während der Typ vorne etwas von stimmhaften und stimmlosen Konsonanten erzählte. Das klingt jetzt wieder sehr negativ, nein, ich habe die Linguistik geliebt, eine der wenigen, glaube ich, die meisten haben sie gehasst. Aber das mit dem Kino stimmt tatsächlich. Ich habe sogar von anderen Kursen gehört, die in Kirchengebäuden stattgefunden haben. Da ziehe ich nun wirklich eher das Kino vor, bei Kirchen herrscht ja eine ganz andere Akustik und die Bänke sind ja auch nicht unbedingt das bequemste auf dem man seinen Hintern betten kann. Immerhin droht man dort nicht einzuschlafen. Ob sie wohl auch die Fußbänkchen zum Hinknien und das Gebet beibehalten haben? Nun schauen Sie sich dieses herrliche Differenzial an. Oh, du wunderbares Differenzial, Mathematik wir danken dir dafür! Unsere täglichen Zahlen gib uns heute…
Ich schweife schon wieder ab.
Die Linguistik und Literaturwissenschaften gefielen mir wirklich, aber mein zweites Fach machte mir weniger Freude. Man muss dazu sagen, dass die Fakultät meines zweiten Faches ebenfalls ein wenig überfordert war, da sie nicht nur die Studierenden ihres Bereiches – von denen auch viel zu viele da waren – versorgen mussten, sondern auch die ganzen fortgeschrittenen Masterstudierenden, die ebenfalls Kurse belegten. Dabei half ihnen ein Anmeldesystem, das offenbar so programmiert war, dass es voreingenommen Plätze verteilte. Studierende, die bereits ein hohes Semester erreicht hatten, wurden bevorzugt. Erstsemester oder generell alles unter der Regelstudienzeit wurde benachteiligt und nur in Kurse gestopft, in denen irgendwie noch ein Plätz frei war. Das war wirklich weniger lustig und ich als kleiner nervöser Erstsemester war völlig fertig mit der Welt, weil ich dauernd abgelehnt wurde.
Ich hatte das große Glück in dieser schweren Zeit eine zufällige Treppenbekanntschaft zu machen, die ähnliche Probleme hatte. Wir haben nicht ganz das gleiche studiert, aber immerhin eines unserer Fächer war dasselbe und wir strebten beide die Lehrerschaft an. Wir trafen uns auch nicht auf irgendeiner x-beliebigen Treppe irgendwo in den Untiefen der Universität, sondern auf den Treppenstufen eines Hörsaals. Warum genau dort? Sie saß dort, da im Rest des Raumes bereits alle Stühle belegt waren und ich setzte mich neben sie. Sie liebte Mangas und eifrig tauschten wir uns über unsere Lieblingscharaktere aus, während wir uns die Hintern auf den ungemütlichen Treppenstufen platt saßen und immer mal wieder Platz machen mussten, damit sich ein paar lange Beine an uns vorbeischieben konnte.
„Schade, dass es hier keine Kurse für Japanisch gibt“
„Stimmt. Das wäre so cool. Würde ich sofort belegen. Hab gehört, man kann sich das sogar für den Optionalbereich anrechnen lassen“
„Die haben Chinesisch hier. Ich würde den Kurs gerne in den Semesterferien machen. Hast du Lust?“
„Klar! Chinesisch und Japanisch, das ist ja auch fast gleich. Ich meine, die haben beide Schriftzeichen und so.“
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