So friedlich soll es nicht bleiben heute Abend. Gewitter säumen unsere Route und schütteln uns durch. Da kommt einem die elfstündige Geiselhaft in der Economy noch länger vor. Aber was erwartet man auch wenn der Uralt Airbus schon "Gladbeck" heißt.
Dichter Nebel verhindert stundenlang das Anlegemanöver der Splendida. Als wir dann glücklich vertäut sind, trödelt die Grenzpolizei mit der Freigabe zur Ausschiffung. Wer im Vertrauen auf den Fahrplan einen Mittagsflug gebucht hat, ist gekniffen. Der champagnerselige Yacht Club ist eine komfortable Warteposition, aber auch eine Falle: Alle anderen Decks liegen näher an der Gangway. Und sind die Aufzüge erst mal voll, nützt die höchste Priorität nichts, so fordernd man auch mit der Club Karte wedelt. Gewarnt waren wir: Bei der Seenotübung stellt sich die Erste Klasse auch gefälligst hinten an. Wir sind ja nicht auf der Titanic.
Nudeln machen glücklich, heißt es völlig zu Recht. Am Abend vor der Ausschiffung streift der italienische Maitre d' das Sakko ab und greift selbst zum Kochlöffel. Was er aus der Pfanne zaubert, ist denkmalwürdig. Von Fritto misto über Minestrone, Pasta, Risotto, Ossobuco bis zu den Cannoli als Dessert ein Fest der Aromen. Zuverlässig begleitet von einem Spumante aus Julisch Venetien und dem unverwüstlichen Leopard's Leap Merlot aus Franschhoek. Gründe genug zum Wiedersehen.
Allgemeine Geschäftsbedingungen von Reedereien sind selten vergnügliche Lektüre, aber das hier bleibt haften. Der guten Ordnung halber sei gesagt, dass nicht MSC derart organisiertes Verbrechen plant, sondern Circe Launches, mit denen ich die Robbenfelsen vor Hout Bay besucht habe.
Am letzten Seetag lässt sich Kapitän Lorenzo Sapetti in der Aft Lounge huldigen (so heißt die halt). Nicht dass er selbst zu oder mit den versammelten Statuskunden spräche, das überlässt er dem öligen Kreuzfahrtdirektor, aber Sapetti prostet uns immerhin zu. Saluti! Eine klare Steigerung gegenüber dem letzten Mal. Dann singt die Primadonna des Bordensembles "Nessun dorma", bis die Algen von der Schiffsschraube fallen. Bei dem frostigen Dunst, der in diesem Teil des Atlantiks nicht selten vorkommt, vielleicht sicherer als das Nebelhorn.
In Japan gibt es Leute, die trinken Schnaps, in dem eine tote Schlange schwimmt. Die Giftmischer in der hiesigen Top Sail Lounge haben auch allerlei auf Lager, aber das überfordert sie. Für den Moment begnüge ich mich mit einem Salt Caramel Espresso Martini. Ebenso lecker.
Männliche Herero wurden umstandslos erschossen, bei Frauen und Kindern waren zumindest die ersten beiden Kugeln über Kopfhöhe abzugeben. Ritterlich war man als Kolonialoffizier zu Kaisers Zeiten, wie sich im Heimatmuseum von Swakopmund lernen lässt. Aber ja, zwischendurch bauten die Deutschen hier anheimelnde Hotels, eine Kirche, Apotheke, Brauerei, Buchhandlung und sogar ein Amtsgericht für allfällige Beurkundungen. Selbst der Karneval wurde gefeiert. Einmal im Monat kam das Postschiff aus Hamburg, und wenn die Passagiere nach vier Wochen auf See in Körben an Land gesetzt wurden, fehlte es an nichts. Vermutlich wurden sie auch nicht so penetrant von Andenkenverkäufern belästigt wie heute. Drumherum die trockenste Wüste der Erde. Abgehakt und Verzeihung noch einmal für unser gelegentliches Benehmen.
Walvis Bay ist erreicht, die vormals britische Enklave in der deutschen Kolonie Südwestafrika. Des Kaisers Schutztruppe hat in dieser Gegend bis 1915 eine breite Blutspur hinterlassen. Mit kornblumenblauer Hutkrempe hoch zu Kamel fotogen, aber nicht minder gewalttätig, wie man uns so kennt. Noch 30 Kilometer Sandwüste bis zu den Fachwerkhäusern von Swakopmund.
Kurz nach dem Fünf-Uhr-Tee, die ersten sind schon in Gala, wird es in der Conciergerie plötzlich unruhig. MIKE ECHO MIKE ECHO MIKE ECHO dröhnt es aus allen Lautsprechern, dann eine Kabinennummer. Medical Emergency, lasse ich mir erklären, da braucht jemand aber ganz dringend einen Arzt. Na hoffentlich ist der Einsatz nicht FOXTROTT ALPHA (für'n Arsch), sonst gibt es morgen eine Seebestattung unter der Panamaflagge am Heck.
Wie verwirrend es doch ist, auf einem nordwärts fahrenden Schiff in der Bugkabine den ganzen Tag Sonnenschein zu haben und die Sonne von rechts nach links wandern zu sehen. Liegt es an der Getränke Flatrate Easy Plus? Kurz bevor ich den Butler frage, fällt mir das mit der Südhalbkugel wieder ein. Puh.
3000 Gäste sind an Bord, heißt es. Mögen es 100 im Yacht Club sein. Gefühlt ein Drittel, beiderlei Geschlechts, LGBTD. Das bedeutet Party und Planschen am Heck, beschauliche Stunden am Bug. Für den Abend ist Gala angesagt. Da bin ich doch mal auf die Trachten gespannt.
Wenn alle weißen Südafrikaner so daherkommen wie der Pinot Blanc de noir aus Stellenbosch heute Abend zum Viergängemenu (Jakobsmuscheln, Ententerrine, Spargeltortelli, Profiteroles) - dann verstummt jede Kritik. Die kandierten Früchtchen, die der Butler in der Zwischenzeit beim Turndown hinterlassen hat, passen so gerade noch rein.
Für eine Art maritime Raststätte, wie sie einst die Amsterdamer Pfeffersäcke von der Vereinigten Ostindien-Compagnie im Sinn hatten, liegt Kapstadt wirklich traumhaft. Bei Sonnenuntergang stechen wir in See.
Kaum eingeschifft und schon Freunde gefunden. Die weißen Südafrikaner sind offensichtlich sehr aufgeschlossen... für Weiße. Eine schneidet mir unverdrossen den Braten klein, ihr Mann zittert auch. Von Howard Carpendale hat übrigens kein Mensch hier je gehört. Unterdessen bringt mir mein kongolesischer Butler Israel schonend bei, dass es keine Tageszeitung mehr gibt. Dafür gelingt es ihm auf Anhieb, die sperrangelweit offene Luke zum Nachbarbalkon zu schließen. Wer weiß was ich damit verpasse.
Kurz vor der Einschiffung ergibt sich doch noch eine Chance, den Tafelberg zu besuchen. Das Panorama ist schwer zu toppen, das Gedränge allerdings auch.
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