Tumgik
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Im Jahr 2018 verbreitete die rechtspopulistische Wochenzeitschrift Die Junge Freiheit eine Broschüre mit dem Titel „Gender Mainstreaming: Der neue Mensch oder wie Kinderseelen gebrochen werden“. Diese Broschüre ist Teil der Kampagne „Gender Mich Nicht!“, die zumindest auf Facebook weiterhin unbehelligt Misogynie, Trans- und Homophobie predigt, und mit ihrer exzellent gewählten Messenger-Id („@nullgender“) direkt ausdrückt, wie viel Ahnung sie eigentlich vom Thema hat.
Die Broschüre wurde unter anderem an Universitäten verteilt, so etwa im Oktober 2018 in der Mensa der Universität des Saarlandes. Dank eines wachsamen AStAs und eines politisch engagierten Gender Studies Kurses (siehe: https://www.uni-saarland.de/forschung/gender.html) hat sie es bei uns nicht sehr weit gebracht – und das obwohl sie angeblich ein Riesenerfolg ist! „Bereits über 1,7 mio. Broschüren verteilt“!
Rechtspopulist*innen sind fanatische Gegner*innen einer auf Akzeptanz und Vielfalt basierenden Gesellschaft. Sie operieren mit irreführenden Worthülsen wie „Gender-Ideologie“ und benutzen überproportional viele Anführungs- und Ausrufezeichen, sowie Photostock-Bilder von Kindern und Schulranzen, um ihren Hass zu verteilen.
Deshalb machen wir hier einen schnellen Faktencheck zu vier Behauptungen der Jungen Freiheit, mit korrekten Quellenangaben und fehlerfreier Orthographie (dafür ohne Dildos oder Gruppensex). Alle Zitate wurden, wenn nicht durch Fußnoten anders gekennzeichnet, der Broschüre entnommen.
 1. Politisches Gender Mainstreaming
Gender Mainstreaming ist seit 1997 eine gemeinsam beschlossene Handlungsmaxime der Europäischen Union für die aktive Umsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Im Jahr 2000 wurde diese Agenda per Kabinettsbeschluss auch für das Deutsche Grundgesetz festgelegt.[1] Das Kabinett bestand zu diesem Zeitpunkt aus 10 Männern und 5 Frauen.[2]
Dieser politische Leitsatz hat eher wenig mit den Interessen „lesbischer Feministinnen“ zu tun, sondern richtet sich nach Artikel 3 im Grundgesetz: Jeder Mensch (egal welches Geschlecht, egal welche Religion, egal welche Herkunft) genießt die gleichen Rechte.[3]
Dieses Privileg, auf dem unsere demokratische Gemeinschaft aufgebaut ist, nutzen rechte Extremist*innen besonders gerne, wenn sie auf ihr Recht zur freien Meinungsäußerung aufmerksam machen. Dass die Festigung dieses Grundsatzes in der Broschüre der Jungen Freiheit gleichzeitig aber als „widernatürliche Politik-Agenda“ bezeichnet wird, ist durchaus ironisch.
2. Soziales und wissenschaftliches Gender Mainstreaming
Gender Mainstreaming im gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Rahmen bezieht sich in der Tat auf das soziale Geschlecht (= Gender). Dieses wird in verschiedenen Kulturen und Regionen unterschiedlich konstruiert – daher ist es vor allem für junge Menschen und Kinder spannend, Geschlechterdarstellungen in verschiedensten Lebensbereichen zu hinterfragen:
-        Warum färbt unser zeitgenössisches Marketing und deren Produktgestaltung beispielsweise alle Artikel für Mädchen in Pink, während Rosa im antiken Rom noch als männliche Farbe („das kleine Blutrot“) galt?[4]
 -        Weshalb wird Gott, „der Vater“, als männlicher Schöpfer gedacht, obwohl die Geburt doch etwas intrinsisch Weibliches ist?[5]
 -        Warum ist immer noch in vielen Schulbüchern ausschließlich von Ärzten, Automechanikern und Wissenschaftlern die Rede, und nicht von Ärzt*innen, Automechaniker*innen und Wissenschaftler*innen?[6]
3. Endlich: Sexuelle Vielfalt in Bildungsplänen
Kinder sind leicht zu manipulieren. Daher ist es die Aufgabe von Staat und Bildungssystem, Weltoffenheit und Toleranz zu lehren und Kindern zu vermitteln, dass sie ihre Gefühle frei ausleben dürfen. Love is Love. Wer Kindern hingegen beibringt, dass die Zuneigung bei gleichgeschlechtlichen Paaren weniger Wert sei, als die in heterosexuellen Beziehungen, fördert das Heranwachsen eines „seelisch verkrüppelte[n] Mensch[en], der ein schlechtes Selbstbewußtsein hat […] [und] keine Solidarität üben kann“ – zitiert nach Prof. Dr. Wolfgang Leisenberg – der diese Aussage in der Broschüre der Jungen Freiheit mit Sicherheit ganz anders gemeint hat.
4. Kindgerechte Annäherung an Sexualität und Pluralität
Dass diese Grundgedanken zur sexuellen Freiheit anders verpackt werden müssen als in einem Format für ältere Jugendliche oder Erwachsene (z.B. die Fernsehsendung „Fickt euch!“, die keine Verbindung zum Kinderprogramm KiKa aufweist, so wie es in der Broschüre der Jungen Freiheit nahegelegt wird), steht außer Frage.
Daher arbeiten qualifizierte Sexualpädagog*innen (unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung oder eigenen, sexuellen Ausrichtungen und Vorlieben) an altersgerechten Vermittlungsformen und Maßstäben zur Orientierung der Lehrkräfte: für eine kindgerechte Aufklärung ganz ohne Lederpeitschen und Grenzüberschreitungen. Wer sich in diesem Kontext jedoch Konzepte wie „einen ‚Puff für alle‘ […], in dem in jedem Raum andere sexuelle Praktiken gegen Geld angeboten werden“ ausdenkt, so wie es die Junge Freiheit tut, sollte wohl besser keine Ratschläge an Eltern erteilen.
 In der Tat: „Eine absurde Ideologie erobert unseren Alltag! Was ist zu tun?“
Stoppt Rechtspopulismus. Gendert die Junge Freiheit. Hart.
1. Teilt diesen Text
2. Meldet bei Facebook die „Gender-mich-nicht“ Seite wegen Hassrede
Quellen:
[1] Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/gesellschaft/gender/gender-mainstreaming/
[2] Deutscher Bundestag: https://www.bundestag.de/blob/196242/123a040bbef9d55887b7ae37330b8672/kapitel_06_02_zusammensetzung_der_bundeskabinette_-_namensliste-data.pdf S. 5f.
[3] Deutscher Bundestag: https://www.bundestag.de/parlament/aufgaben/rechtsgrundlagen/grundgesetz/gg_01/245122
[4] Heller, Eva: Wie Farben wirken. Farbpsychologie, Farbsymbolik, kreative Farbgestaltung. Hamburg 1999. S. 116-119.
[5] Die Bibel: 1.Mose 1,1-2,3 (Schöpfungsgeschichte) und Die Bibel: Johannes 10,30 (Gott als „Vater“).
[6] Studie der FU Berlin: http://psycnet.apa.org/record/2015-14261-001
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