Tumgik
#elternkarenz
astridexner · 4 years
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Und deswegen werde ich nie wieder eine Frau anstellen
Gender Gap #13 – Letztens hatte ich beruflich in Paris zu tun. Die Kathedrale Notre-Dame stand noch unversehrt auf der Île de la Cité, das Frühlingswetter war prächtig, die Locals saßen beim Roséwein am sonnigen Trottoir, und ich hörte in einem Meetingraum dem dänischen Gründer eines Startups dabei zu, wie er sein berufliches Baby einer Gruppe von potentiellen Geschäftspartnern schmackhaft zu machen versuchte. Er zeigte uns stolz die Belegschaft, die er um sich versammelt hatte. Ihr ahnt es: Es waren ausschließlich Männer, die von der Projektionsfläche zu uns herunterschauten. Ich stellte also interessiert die Frage: “Do you have any women on your team?”
Ich kann das nur weiterempfehlen, denn wie auf die Frage reagiert wird, spricht Bände. Was dem dänischen Firmengründer als angemessene Wortwahl schien, war zum Beispiel nicht bloß strunzdumm, sondern auch höchst illegal.
Er sagte: “Nein, aber ich hatte mal eine Frau als Mitarbeiterin. Die ist allerdings nach zwei Monaten schwanger geworden. Das hat meine junge Firma finanziell fast in den Ruin getrieben.” Und dann: “Deswegen werde ich nie wieder eine Frau anstellen.” Nach ein paar perplexen Augenblicken erkundigte ich mich: Ob er wisse, dass seine Personalpolitik in vielen Ländern gegen Gleichbehandlungsgesetze verstoße. Daraufhin legte der Kerl nach, das sei einfach seine Meinung und alles andere sei ihm egal.
There’s a lot to unpack here. Erstens: Warum behauptet ein Firmenchef, die Schwangerschaft einer Mitarbeiterin habe ihm Geld gekostet? Derartige Gerüchte halten sich auch in Österreich hartnäckig. Wer noch nie in Mutterschutz oder Elternkarenz war, musste vielleicht auch noch nicht darüber nachdenken, wer das Geld während dieser Zeit aufs Konto überweist. Aber genauso wie beim Arbeitslosengeld oder einer Bildungskarenz springt auch während des Mutterschutzes und der Elternkarenz hierzulande die öffentliche Hand ein – aus gutem Grund.
Auf Nachfrage stellen Bianca Schrittwieser und Ingrid Moritz von der Abteilung Frauen und Familie der Arbeiterkammer Wien klar: “Während der Elternkarenz entstehen dem Arbeitgeber keine Kosten für die karenzierte Arbeitnehmerin, das Kinderbetreuuungsgeld wird durch die öffentliche Hand (Familienlastenausgleichsfonds) finanziert. Während des Beschäftigungsverbotes wird Wochengeld aus Mitteln des FLAF und der Sozialversicherung bezahlt, auch hier fallen für den Arbeitgeber keine Kosten an.” Einzige Ausnahme: “Lediglich im Fall einer Freistellung aus arbeitsplatzbezogenen Gründen, weil die Tätigkeit oder der Arbeitsplatz für Mutter und/oder Kind eine Gefahr darstellen könnte und wenn der Arbeitgeber keinen Ersatzarbeitsplatz hat, dann muss der Lohn fortgezahlt werden.” Die Work-Life-Balance-Richtlinie, die Anfang April im EU-Parlament beschlossen wurde, sieht Mindestrechte für Eltern auf europäischer Ebene vor. Sie stellt aber auch fest, dass sich die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung bemühen sollen, keine Auflagen vorzuschreiben, “die der Gründung und dem Ausbau von KMU entgegenstehen oder Arbeitgeber einer unverhältnismäßigen Belastung aussetzen.”
Das Angstgespenst der “unverhältnismäßigen Belastung” von vor allem kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) hat spürbare und pauschale Auswirkungen auf diejenigen Personen, die aufgrund ihres biologischen Geschlechts als “gebärfähig” schubladisiert werden. Und da geht es noch nicht einmal um den Gender Pay Gap, sondern allein um die Chance, überhaupt einen Job zu bekommen, der dann niedriger bezahlt ist als der eines gleichqualifizierten Mannes. Da geht es um Frauen, die schon im ersten Vorstellungsgespräch vorauseilend betonen, dass sie keine Kinder wollen, weil sie spüren, dass sie nur mit dieser Klarstellung im Rennen um den Job bleiben. Es geht auch um Frauen, die ohne Angabe des (wahren) Grundes gar nicht erst zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden.
Der dänische Startup-Gründer weicht der Möglichkeit einer schwangeren Mitarbeiterin so großflächig wie nur möglich aus, indem er es kategorisch ablehnt, jemals wieder eine Frau anzustellen. Jeder Uterus ist für ihn eine tickende Zeitbombe. Das ist wie gesagt schlicht illegal. Das ist aber leider auch weit verbreitet. Vor allem dort, wo die Entscheidungsträger männlich sind. Im EU Startup Monitor Report 2018 ist zu lesen, dass der durchschnittliche europäische Gründer (sic) 38 Jahre alt und männlich (82,8%) ist. In Österreich sind es sogar zu 88,5% Männer, die Startups gründen. EU-weit entscheiden diese Männer im Schnitt über siebeneinhalb neue Stellenbesetzungen pro Jahr in ihrem jungen Unternehmen.
Einzelfall? Ein Blick über den großen Teich zeigt: An der Wall Street ist die Situation ähnlich, wenn auch aufgrund einer anderen Ausgangslage. Weniger als 17% der Führungsspitzen in US-Investmentbanken und weniger als 10% aller US-Fondsmanager_innen sind weiblich, so CNBC. Und was überlegen sich die Chefs dort gerade? Richtig, nie wieder Frauen in ihr Team zu holen. Die Bloomberg-Reporterin Katia Porzecanski untersucht den Backlash zum #metoo-Movement, der an der über die Maßen männlich dominierten Wall Street brodelt. Sie sagt: “Männer scheinen zu glauben, dass es besser für sie ist, nicht mehr mit Kolleginnen zu interagieren.” Mehr noch: “Manche Männer denken sogar offen darüber nach, überhaupt keine Frauen mehr einzustellen.” 
Aus diesem Grund existieren Gleichbehandlungsgesetze. Zur Erinnerung im Wortlaut: “Auf Grund des Geschlechtes (...) darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, bei der Festsetzung des Entgelts, bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen, bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung, beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen, bei den sonstigen Arbeitsbedingungen, bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.”
Zuerst erschienen in The Gap 175.
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airborn64 · 7 years
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Aviso: Morgen Mittwoch Abschlusskonferenz des EU-Projekts „Männer und Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ im Sozialministerium
Bestehende Studien und Umfragen belegen den wachsenden Wunsch vieler Männer, stärker als bis dato an der Kindererziehungs- und Betreuungsarbeit teilzuhaben. Die Praxis zeigt jedoch, dass es bei der konkreten Realisierung des Wunsches, Elternkarenz oder Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen, bei Männern noch sehr viele Hindernisse gibt. Ein von der EU-gefördertes Projekt des Sozialministeriums in…
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astridexner · 4 years
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Ich investiere jetzt in mich selbst
Gender Gap #19 – Die Kontrolle über meine Finanzen zu haben, das bedeutet für mich lange, mir mein Gehalt aufs niedrigst verzinste Konto überweisen und alles dort herumliegen zu lassen, was nach Abzug der Lebenserhaltungskosten übrig bleibt. Dass das Geld dort inflationsangepasst immer mehr an Wert verliert, ahne ich zwar, halte ich aber stets für ein Problem für future me. Im Herbst 2018 allerdings bringen mich die ersten Etappen einer Sinnkrise dem Finanzthema näher. Vielleicht brauche ich die rationalen Zahlen und kalten Daten als Ausgleich für meinen verletzlichen Gefühlszustand, jedenfalls bin ich selbst überrascht über mein neuartiges Interesse für Geld.
Ungefähr zur gleichen Zeit hat Larissa Kravitz genug davon, als Aktionärin und in ihrem Job in der Finanzwirtschaft ständig nur von Männern umgeben zu sein. Über das feministische Netzwerk Sorority bietet sie einen Investment-Workshop an, der explizit auf die Lebenssituationen von Frauen zugeschnitten ist. Frisch getrennt von einer in jeder Hinsicht mittelmäßigen Dumpfbacke – manchmal sind stille Wasser auch einfach nur seicht – suche ich nach intellektuellen Herausforderungen und da kommt mir die Idee ganz gelegen, in einem Safe Space die Übernahme der Weltwirtschaft zu planen. So passiert es, dass ich in Kravitz’ Workshop sitze und sich mir völlig neue Methoden der Selbstbestimmung eröffnen. Ich beschließe, mir bis zum nächsten Börsencrash das nötige Know-How anzueignen und fett in den Aktienmarkt einzusteigen. Im März 2020 ist es soweit. Mein Depot füllt sich mit ETFs (und dieser Satz hört sich für mich nicht mehr wie eine Fremdsprache an).
Warum ist der Finanzmarkt eine Männerdomäne?
Auch Larissa Kravitz hat sich in der Zwischenzeit Ziele gesetzt. Sie will 100 Millionen Frauen dazu inspirieren, für die Pension vorzusorgen und nachhaltig zu investieren. Zu ihren Workshops haben sich mittlerweile ein Buch und ein Podcast namens “Investorella” gesellt, in dem sie beispielsweise darüber spricht, dass österreichische Frauen erst seit den 1970er Jahren ohne die Erlaubnis ihres Vaters oder Ehemannes ein eigene Bankkonto eröffnen dürfen.
Kein Wunder also bei der jungen finanziellen Autonomie und dem großen Aufholbedarf, dass viele Frauen sich nicht an das Thema herantrauen. Laut einer Umfrage der deutschen Postbank im Jahr 2018 kümmern sich 29 Prozent überhaupt nicht um ihre Finanzen. Dabei haben gerade Frauen oft nicht den nötigen Polster, sorglos mit Geld umzugehen. Ihr kennt die Statistiken: Wir verdienen schon beim Eintritt in die Berufswelt für die gleiche Arbeit weniger als Männer, landen häufiger in Teilzeitjobs, sind länger in Elternkarenz und haben es ungleich schwerer, die Karriereleiter hochzuklettern. Das Risiko der Altersarmut ist für Frauen aus all diesen Gründen viel höher. In ihrem Buch “Money, Honey!” zeigt Kravitz, dass Frauen in Österreich im Schnitt 38% weniger Pension bekommen und doppelt so oft von Altersarmut betroffen sind als der Rest der Bevölkerung. Diese sexistischen Strukturen können wir nur gesamtgesellschaftlich aufbrechen. Wo jedoch jede einzelne Frau einen Handlungsspielraum hat – solange ihr am Ende des Monats ein paar Euro übrig bleiben, und das ist bei Gott nicht immer der Fall – ist bei der Art, wie sie dieses Geld für sich arbeiten lässt.
Gibt es ein richtiges Leben im falschen?
Untersuchungen zeigen, dass Frauen tendentiell vorsichtiger und weniger risikofreudig als Männer sind. Für eine in der Fachpublikation Nature veröffentlichte Studie wurde jungen Männern Testosteron verabreicht, um den Einfluss des Hormons auf ihre Risikobereitschaft zu untersuchen. Es ließ sie optimistischer an zukünftige Preissteigerungen glauben, was sie anfällig für risikoreiche Investments machte. So wird auch der Aktienmarkt häufig von Außenstehenden wahrgenommen: Mit der Energie einer Ansammlung von Raufbolden am Schulhof oder koksbenebelt und moralisch enthemmt à la Wolf Of Wall Street. Wie passen Vorsicht, Feminismus und nachhaltiger Aktivismus mit dieser Bully-Attitüde zusammen? Gibt es überhaupt ein richtiges Investieren im falschen System?
Natascha Wegelin findet, dass Frauen sogar die besseren InvestorInnen sind. Ihr deutschsprachiger Blog “Madame Moneypenny” ist ein konstant guter Begleiter beim Weg zum ersten Investment und darüber hinaus. Sie ist eine Verfechterin von passiven Anlageformen wie ETF-Sparplänen und rät immer wieder dazu, möglichst breit den Weltmarkt abzudecken und dann idealerweise überhaupt nur einmal im Jahr ins Depot zu schauen, um sich nicht vom Auf und Ab der Märkte irritieren zu lassen.
Pragmatisch ist Wegelin auch beim Thema Nachhaltigkeit. Wenn ein vermeintlich ökologischer Fonds in Aktien des Wasserprivatisierungskonzerns Nestlé investiert, kann man sich als AnlegerIn schon einmal verarscht vorkommen und möchte am liebsten gar nicht wissen, ab wann etwas als böse gilt. Es ist nun einmal die Mission von Aktiengesellschaften, einen möglichst großen Gewinn für ihre ShareholderInnen zu erwirtschaften. Wenn es den CEOs in erster Linie nicht mehr um ein bestmögliches Produkt, sondern um eine fürstliche Dividende geht, können Unternehmenspraktiken schnell ethisch fragwürdig werden. Wem es nur um Nachhaltigkeit und nicht um Gewinne geht, dem empfiehlt Wegelin daher, das Geld ganz einfach an eine vertraute Organisation zu spenden, denn dann sei es am besten angelegt. “Investorella” Kravitz sieht hingegen auch innerhalb des Finanzmarkt-Systems aktivistisches Potential: Wer an Firmen beteiligt ist, hat das Recht, sich auf Hauptversammlungen Gehör zu verschaffen. In welcher Form auch immer, sich mit dem Machtinstrument Geld zu beschäftigen, kann für Frauen nur von Vorteil sein.
Wer jetzt loslegen will: Larissa Kravitz’ Podcast “Investorella” hört ihr auf Spotify, iTunes und Podigee.io. Natascha Wegelins Blog “Madame Moneypenny” gibt es auch in Form von YouTube-Livestreams und einer Facebook-Gruppe.
Zuerst erschienen in The Gap 182.
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surveycircle · 5 years
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Teilnehmer für Online-Studie gesucht! Thema: "Wiedereinstieg nach der Elternkarenz" https://t.co/C61oPObavq via @SurveyCircle #Elternkarenz #Karenz #Wiedereinstieg #Eltern #Beruf #Eltern #Job #Arbeiten #Umfrage pic.twitter.com/NNY1BiQl20
— Daily Research (@daily_research) March 15, 2019
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airborn64 · 7 years
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Aviso: Abschlusskonferenz des EU-Projekts „Männer und Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ am 18. Oktober im Sozialministerium
Bestehende Studien und Umfragen belegen den wachsenden Wunsch vieler Männer, stärker als bis dato an der Kindererziehungs- und Betreuungsarbeit teilzuhaben. Die Praxis zeigt jedoch, dass es bei der konkreten Realisierung des Wunsches, Elternkarenz oder Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen, bei Männern noch sehr viele Hindernisse gibt. Ein von der EU-gefördertes Projekt des Sozialministeriums in…
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