Tumgik
#anon stellt 1 frage lala schreibt buch
lalalaugenbrot · 7 months
Note
Ich versuche gerade mich wegen den Wahlergebnissen nicht in einen Flummi der Verzweiflung zu verwandeln und die Frustration zu irgendwas zu nutzen. Fällt dir eine sinnvolle Stelle ein, wo man aktiv werden kann? Oder Organisationen, denen eine Spende was bringen würde
Tja, was für eine gute Frage.
Also als allererstes: das ist eine Frage, die ich mir selbst auch stelle und eine Antwort darauf habe ich leider auch nicht so richtig.
Plus, was den konkreten Fall Landtagswahlen 2024 angeht: sofern man nicht in einem der drei Bundesländer lebt, in denen nächstes Jahr gewählt wird oder zumindest enge Kontakte dahin hat, ist man da ein bisschen zum Zuschauen verdonnert, befürchte ich. Man könnte höchstens die anderen Parteien in den betreffenden Bundesländern direkt finanziell unterstützen, damit sie einen guten Wahlkampf machen können. Und darüber hinaus natürlich auch so an Vereine/Organisationen vor Ort spenden, die sich gegen Rechts bzw. für ein gutes, offenes Zusammenleben einsetzen.
Aber allgemeiner betrachtet (weil AfD ist ja überall und übernächstes Jahr ja auch schon wieder Bundestagswahl): ich kann zuerst nur mal sagen, dass ich persönlich als Konsequenz aus der BTW 2017 (AfD erstmals im Bundestag), den Grünen beigetreten bin. Einfach um zumindest irgendwie einen ersten Schritt zu tun, politisch aktiv zu werden. Das müssen natürlich nicht die Grünen sein, aber eine von den "großen" Parteien sollte es schon sein, finde ich. Ich mag zwar grundsätzlich die Parteienvielfalt in Deutschland, aber mit Miniparteien hat man halt gegen die AfD auch nichts in der Hand. Außerdem ist Demokratie eben Kompromiss und ich würde behaupten, dass bei den 4-5 großen, demokratischen Parteien schon eine dabei sein wird, mit der man sich arrangieren kann, zumal man ja als Mitglied dann auch alle Möglichkeiten zum aktiven Mitgestalten hat. (Ich hab es leider bisher nicht wirklich über eine stumme Parteimitgliedschaft hinausgebracht, aber das kann man gerne besser machen als ich!)
Aber man kann natürlich, wenn man nicht gleich wo beitreten will, auch hier ja einfach erstmal an eine oder mehrere Parteien spenden (es geht hier ja konkret um die Wahlen und man sollte vielleicht nicht vergessen, dass die AfD teils ganz horrende Summen an Parteispenden bekommt und so ein Wahlkampf – Plakate, Wahlwerbespots, Veranstaltungen, Durchs-Land-Reisen, Klinkenputzen – kostet eben Geld).
Und was ansonsten das "Menschen dazu bringen, nicht die AfD zu wählen" angeht, bin ich mittlerweile ehrlich gesagt der Überzeugung, dass das (jetzt aus einer privaten, d.h. nicht politischen Position heraus) nur 1:1 funktioniert. Das heißt über den direkten, persönlichen Kontakt zu einem Menschen, den man kennt. Auch wenn es nervt, auch wenn es anstrengend ist. Auch wenn ich die Reaktion verstehe, abzublocken, Kontakt abzubrechen, wütend zu werden, die Welt in Freund und Feind, Gut und Böse, Wir und Die aufzuteilen — ich glaube aber, dass das nur die Fronten verhärtet, gegenseitige Vorurteile bestätigt, spaltet und letztlich alle extremer macht. Und eine Gesellschaft, um Claire Waldoff zu zitieren, in der keiner mehr weiß, wer er ist, Nazi oder Kommunist, halte ich für nicht besonders erstrebenswert (vgl. Entstehungszeitraum des zitierten Liedes – Es gibt nur ein Berlin, 1932). Und mit dem persönlichen, direkten Kontakt meine ich übrigens keine Faktendiskussionen, keine Überzeugungsarbeit, ganz im Gegenteil: die komplette Ausblendung von allen Themen, die trennen, auch wenn es schwer fällt, auch wenn es vielleicht gegen das Gerechtigskeitsempfinden geht. Das heißt natürlich nicht, dass man etwaige rechte Meinungen und Einstellungen von den besagten Leuten gut finden oder tolerieren sollte. Keine Zukunfstangst und keine Unsicherheit der Welt rechtfertigen Rassismus, Xenophobie, Queerfeindlichkeit und ganz allgemein Menschenhass. Aber das alles geht halt auch durch Gegenrede nicht weg, weil die immer nur die Symptome bekämpft und dadurch die Ursachen womöglich sogar noch verstärkt. Aber wenn ich irgendeine gemeinsame Basis mit meinem Cousin oder meinem Nachbarn oder meiner Tante oder Arbeitskollegin finde, auf die wir uns einigen können, sei es irgendeine Art von Hobby oder Sport oder anderes Interesse, bei dem wir zusammen Zeit verbringen können – vielleicht bin ich dann am Ende die einzige Person im Leben meines Cousins oder Nachbarn, meiner Tante oder Arbeitskollegin, die nicht die immer gleichen Parolen wiederholt. Vielleicht bin ich dann die Person, an die sie denkt, wenn das nächste Mal im Telegramchat von linksgrünversifften Gendergagaisten die Rede ist und vielleicht denkt sie dann, dass ich doch eigentlich fast ganz ok bin trotz allem und vielleicht ist da dann ein ganz kleiner grauer Punkt im schwarz-weißen Weltbild.
Und vielleicht hilft am Ende auch einfach die Demut, sich einzugestehen, dass wir alle – hätten wir andere Sachen erlebt, andere Menschen getroffen, oder wären woanders auf die Welt gekommen – irgendwo im rechten Spektrum hätten landen können. Und sich dann zu fragen, warum das eben nicht passiert ist. Wenn ich zurückgucke in meinem Leben, waren es eigentlich immer gute Freunde, die Familie, vielleicht hier und da noch ein Lehrer oder eine Lieblingsband, die mich ganz grundsätzlich politisch und menschlich geprägt haben und mich zu dem gemacht haben, der ich bin. Und vielleicht kann ich selbst also auch für jemand anderen so ein Mensch sein.
Aber ja... ich weiß, es ist ein weites Feld. Wenn es doch alles bloß so einfach wäre!
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