Tumgik
blogsandowofficial · 6 years
Text
Wald vor Potsdam
KUK, 20.01.2017
Vögel singen, der Wald duftet. Es ist so friedlich hier im Potsdamer Stadtforst. Aus der Ferne schieben sich Bässe durchs Gehölz. Wir sind zu viert. Kai Grehn, meine Schwester, Dr. Meineid und ich liegen im Gras. Ich schwebe in mir. Es ist ein wunderbarer Sommerabend im Jahre 1994 und wir sind angekommen. An einer Grenze. Die weit offenen Synapsen werden sich heute nicht mehr schließen. Ich weiß das und ich wollte das. Das Abendlicht flutet mich. Zwei Käfer ficken und alles scheint irgendeinen Sinn zu haben.
Die Grenze besteht aus einem kleinem Büdchen und einem Zaun, der sich links wie rechts davon in das Unterholz windet. Vier muskulöse Hirntote bewachen den Eingang. Wir sind abgewiesen worden. Von wegen wir stehen auf der Liste. Geld haben wir nicht, also dösen wir am Wegesrand. Ich habe kein schlechtes Gewissen, dass ich meine Freunde völlig umsonst hierher gelotst habe. Alles hat seine Bestimmung auf LSD und wir sind seit zwei Tagen auf dem Stoff und eines löst das andere ab. Zum Frühstück Hackepeter. Mit der Hand ins Maul gestopft. Die Offenbarung einer S-Bahn-Fahrt. Wodka darf nie alle sein. Die Käfer wissen das. Sie nehmen mit, was geht. Wie steht es um die Hirnis am Büdchen? Werden sie diese Welt je verstehen? Arme Krauter. Gehen arbeiten. Die Bässe aus der Ferne nehmen Kontur an. Eine schöne Melodie. Ich kenne sie! Es ist der ultimative Basslauf. Ich liebe ihn! Ich weiß auch, was ihm folgen wird. Komm in mein... Fuck die Scheiß Grenze! Fuck die Scheiß Hirntoten! Ich gehe jetzt da dadurch!!! Ein einziger Gedanke, als ich mich auf die Fleischpakete zu bewege. Ich gehe jetzt dadurch. Ein einziger Gedanke, fokussiert durch diese Basslinie...BÄNNNG!
Dreiundzwanzig Jahre später lese ich Flakes Buch „Heute hat die Welt Geburtstag“. Ich erreiche die Seite 83 und bekomme einen kurzen Lachkrampf. Dann überfällt mich Pein und Wehmut und erkenne, welche Paralleluniversen möglich sind. Auch er hat jenen Abend erlebt. Die noch fast unbekannte Band Rammstein hatte ein Konzert mit den Inchtabokatables organisiert, in jenem Potsdamer Stadtforst, dann geschah Bedauerliches. Es war nur wenig Publikum gekommen, dennoch war das Openair beträchtlich professionell aufgestellt. Weiträumige Absperrung, Ordner allenthalben.
BÄNNNG! Die Hirntoten hatten meinen Move nicht erwartet. Ich schlurfte teilnahmslos auf sie zu. Wie ein Kiffer. Wie ein Loser. Und das war ich vermutlich ja auch. Doch das Bassthema zerrte an den Synapsen und dann hörte ich es auch schon: „Komm in mein Boot!“ Ja sicher doch! Bin gleich da! BÄNNNG! Ich schnellte durch das tumbe Fleisch und hatte gut fünf Meter Vorsprung. Den konnte ich nicht groß ausbauen, aber ich hielt die Distanz. Das Testosteron hinter mir kämpfte. Der Pfad glich einem Schlauch durchs Unterholz. Ein schmaler Waldweg. Wie in Treblinka! Dachte ich! Ich schaffte mich in einen irren Sprint und zeigte Beinarbeit. Gut hundert Meter, dann tauchte die Bühne auf. Die Rammsteiner am Werkeln! In den letzten Wochen waren sie unsere Vorband gewesen und jetzt auf ihrem Weg zum Endsieg. Als kleines Dankeschön hatten sie uns auf die Gästeliste gesetzt. Ist wohl irgendwie untergegangen. Anyway. Zurück zum Showdown. Es ist nun so, dass solche Geschichten immer ein albernes Ende finden. Ich wußte das nicht. In mir tobte Aguirre. Ich wollte Eldorado erreichen. Den Indios der neue Gott sein! Und einfach nur dieses verdammte Lied hören!!! Zum Teufel mit den Hirntoten, die zwei Meter hinter mir ihrer sicheren Beute nachjagten. In einem hohen Bogen hechtete ich auf die Bühne. Der einzige sichere Ort. Was für ein grotesker Auftritt. Die Rammsteiner stutzten, aber spielten ihren „Seemann“ einfach weiter. Der erste Refrain war vorüber. Die Hirntoten standen vor der Bühne und niemand hatte mit ihnen diesen Ernstfall geübt. Sie trauten sich nicht herauf. Ihnen fehlte es an Mumm. Ich kauerte am Bassamp. Till brachte mir eine Flasche Wermut. Ich nahm einen ordentlichen Hieb. Er redete beruhigend auf mich ein. Dann mußte er die zweite Strophe bringen. Der Wermut schien mich melancholisch zu stimmen. Diese prächtigen Jungs waren schon ein paar harte Brocken, aber sie konnten auch klagen. Wunderbar. Nur der Sound war irgendwie räudig. Ich kann ja helfen, dachte ich. Wer mal gesehen hat, wie ein Speedfreak eine Glühbirne wechselt, wird sich eine Vorstellung davon machen können, was jetzt passierte. Ich justierte an sämtlichen Verstärkern der Gitarristen den Sound nach. Schraubte Höhen rein. Echos, Hall, remixte vor mich hin. Der Hass der Rammsteiner wird mir wohl entgangen sein. Ich wollte helfen.  Es geht doch immer noch etwas besser! Was für ein grotesker Wahn. Ich fühlte mich wohl dabei. Na geht doch. Dann packte mich Till am Schlawittchen und zog mich von den Verstärkern fort. Ich kann mich nicht erinnern, aber Flake schreibt „Wir wirkten wahrscheinlich alle wie unter Drogen, niemand konnte da genau wissen, wer dazugehört und wer nicht. Das war unserem Freund auch nicht ganz klar, und so griff er sich ein Mikrophon und fing an zu singen. Da er unsere Lieder nicht kannte, sang er die Texte seiner Band, um uns dann lauthals zu beschimpfen“. Es wird wohl so gewesen sein. Flake schreibt weiter, sie hätten mich dann in ihren Bus gesperrt, aber es lief etwas anders. Soviel weiß ich noch!  Ich spürte mich plötzlich fehl am Platz. Manchmal bemerkt man es ja auch, wenn man es verkackt hat. Ich wußte, ich muss von der Bühne runter, um die Peinlichkeit zu beenden und die Rammsteiner nicht mehr zu stören. Doch vor der Bühne lauerten die untoten Fleischpakete. Mich flutete Angst und Gewissheit. Dann sah ich den Bus der Inchtabokatables und Bäääng! Mit einem großen Sprung stürmte ich hinüber. Wieder die Idioten hinter mir. Hechelnd. Geistesgegenwärtig riss Robert Beckmann, der Sänger der Inchtabokatables die Bandbustür auf und schloß sie schnell hinter mir. Ich war in Sicherheit. NineteenNervousBreakdowns. Ich brach zusammen. Ich weinte, schluchzte, bibberte. Ein Kriegszitterer. Ich hatte Verdun überlebt. Ich hatte ganze fünf Minuten Rammstein hinter mir.
 Käptn kuk
0 notes
blogsandowofficial · 7 years
Text
This is a message from the future
Tillmann Baerber, 06.09.2017
Während der Arbeit an einem neuen Album befindet man sich in einer kreativen Blase, ist den Widrigkeiten dieser Welt ein wenig entrückt. Doch die Realität steht spätestens dann unerbittlich vor der Tür, wenn es gilt, das neue Werk „vermarkten“ zu müssen. Die entfernten Welten sind durch die Unterstützung unserer Crowdfunder sowie vieler weiterer Freunde der Band möglich geworden, schon deshalb war es uns eine Verpflichtung, diese Platte nicht nur mit einem leisen Piepsen im andauernden Medienrauschen sanft hinweg dämmern zu lassen!
Aber die Herren von Sandow hatten wirklich keine Ahnung mehr, wie es um das „Musikbusiness“ bestellt ist, als wir unsere kreative Blase verließen und der raue Wind der Realität zu wehen begann. Einer der wichtigsten Schritte ist immer die Media-Kampagne. Auf der Suche nach dem richtigen Media-Partner wird man sofort mit aufbauenden Sätzen beworfen. “Print ist eigentlich tot … Rolling Stone und Musikexpress haben bestimmt kein Interesse, vielleicht Schall und Sonic Seducer” (auf diese Erkenntnis wären wir gar nicht von allein gekommen) ... “na Ihr als Ostband …” (Wir dachten, wir leben im Deutschland von 2017)
Aber diese Platte bleibt eine emotionale Reise durch die Vergangenheit und Gegenwart. Alte Weggefährten aus dem Potsdamer Lindenpark ermöglichten uns eine komplette Probenwoche im großen Saal des Hauses. Und neue Weggefährten wie mein großartiger Drumtrainer Mesut Gürsoy haben uns letztendlich zur Mediaagentur von Kathrin Wagmüller in Hamburg geführt, ein wahrer Glücksfall für uns, vielleicht wird aus dem leisen medialen Piepsen doch noch ein lauteres Geräusch. Und unser SocialMedia Mann Andreas Klisch schaufelt sich sowieso unermüdlich durch alle Netze und Kanäle.
Ein anderer Teil der Realität sind die Plattenkritiken und in unserer 35-jährigen Geschichte erinnere ich mich als Schlagzeuger besonders gern an eine Kritik, die uns „müde schleppende Beats“ attestierte :-) (muß irgendwann in den Neunzigern gewesen sein). Laut aktuellen ersten Kritiken könnte man unsere Songs als die unbedingte und würdige Fortsetzung von „1/2 Mensch“ von den Einstürzenden Neubauten ansehen oder „... they are like a super calm Rammstein ... I don’t know what to compare them to“. Für einen Song wurden auch Keimzeit-Vergleiche bemüht (immerhin haben wir im ehemaligen Keimzeit-Studio in Lütte aufgenommen, da hat uns wohl der alte Leisegang-Hausgeist überrumpelt).
Ein besonders bizarres Stück der Realität sind die Backstages dieser Welt und wir haben bisher einige von Frankreich bis nach Rußland gesehen. Meist trübe und deprimierende Orte für die gilt: Es liegt stets ein Geruch aus kaltem Rauch, Schweiß, Essensresten und Reinigungsmitteln in der Luft, dazu Graffitis und Plakate an den Wänden, die von längst verschwundenen Bands erzählen.
Aber all das ist sofort vergessen, wenn wir die Bühne betreten, das Adrenalin durch den Körper schießt und wir ein Record-Release Konzert wie am letzten Freitag in Leipzig erleben durften. Wir sind noch ganz trunken vor Freude und verneigen uns in tiefer Dankbarkeit vor unseren Fans und Unterstützern. All die Arbeit der letzten Jahre hat sich gelohnt!
DANKE Euch da draußen!
P.S: Bizarre Orte der Realität sind auch Backstage-Klos, im Leipziger Klo haben wir diesen Spruch entdeckt: „This is a message from the future. Don’t play the new song” … :-)
Tumblr media
0 notes
blogsandowofficial · 7 years
Text
Brötchendiebe und vieles mehr
Nun ist es an mir, die letzten Zeilen zu schreiben und die passenden Worte zu finden. Obwohl uns der überwältigende Nachhall und der Erfolg unserer Kampagne nahezu sprachlos zurück läßt. Aber Kai-Uwe steckt schon wieder in der nächsten Film- und Hörspielproduktion, Chris schiebt ein neues Kunstprojekt an und Tilman F. unterrichtet Berliner Kids in Deutsch und Musik.
Im Rückblick erscheint es mir nahezu unbegreiflich, wie wir den alten Dampfer Sandow über die letzten Jahre weiter unter Dampf hielten und unser Wille zum Durchhalten nun mit so einem unglaublichen Echo da draußen belohnt wurde. Wir dachten, wir wären ziemlich allein und fast vergessen zurückgeblieben, aber das Leben schreibt immer die besten Geschichten, um einmal dieses etwas abgegriffene Bonmot zu bemühen. Für mich wird es das persönlichstes Album sein, welches wir jemals produziert haben, auch wenn das schon wieder wie eine tausend Mal gehörte Musiker Plattitüde klingt. In meinem Fall möchte ich es dennoch einfordern, denn die Entstehung dieser Platte über die letzten acht Jahre (!) war nicht nur schwierig, weil wir über die ganze Republik verstreut sind und kaum die Zeit fanden, um die bierselige gemeinsame Klassenfahrt in ein Probelager im einsamen Mecklenburg-Vorpommern antreten zu können.
Leider legten uns auch Rezidive, Metastasen, Strahlen- und Chemotherapien immer wieder Steine in den Weg. Ich bin immer ziemlich genervt, wenn jeder halbwegs mit C-Prominenz versehene Fernsehfuzzi ein Buch darüber schreibt, wie er den Krebs besiegt hat. Natürlich verstehe ich nur zu gut den emotionalen Überschwang, so ein Monster überlebt zu haben. Aber ich bin eher für die leisen Töne und nicht jedes Thema ist es wert, in Talkshows OBERFLÄCHLICH breitgetreten zu werden. Man kann den Krebs auch nicht besiegen, man kann ihn nur umzingeln, in Schach halten und als eine ziemlich schräge Art von trockenem Alkoholiker weiterleben! Auch wenn das nun in meinem Fall mit der Kampagne öffentlich wurde, möchte ich ein mitleidvolles „der jetzt auch noch“ vermeiden. Aber die Hoffnung auf diese Platte hat mich wirklich in der Spur gehalten und wer sieht schon, dass ich auf den Kampagnen Bildern der entfernten Welten kein Haar mehr am Körper hatte.
Überhaupt war und ist diese Platte eine emotionale Reise durch Vergangenheit und Gegenwart. Man trifft alte Weggefährten, gewinnt neue Freunde und schaut mit der Weisheit und Milde des Alters freudig auf die Dinge, die jetzt kommen. Das Dauer-Grinsen im Gesicht will tatsächlich gar nicht mehr verschwinden, alles erscheint nur noch wie eine ewig andauernde Kür. Nicht schlecht für die alten Pappnasen von Sandow, die in ihrem Künstlerdasein meist nur die Abwärtsbewegung kannten, wie Kai-Uwe in unserem Sandow-Blog so treffend schrieb.
Mein ehemaliger Chef aus dem Potsdamer Lindenpark, Andreas Klisch, betreut unsere SocialMedia Kampagne und Sandow könnte immer noch vor Freude im Kreis hüpfen, weil wir offensichtlich den richtigen Mann zur richtigen Zeit wieder entdeckt haben. Zu oft war Sandow nur mit den Verrückten, Selbstdarstellern und Egomanen auf der betreuenden Seite geschlagen, ganze Schweden- oder Amerikatouren wurden versprochen und fanden nie statt. Abwärts eben.
Als ich Hartmut Leisegang von Keimzeit seinerzeit für mein kleines Projekt VargaNova gewinnen konnte, ahnte ich nicht, daß sein fast nebenbei geäußerter Satz, schaut Euch doch mal das Studio von Jürgen Block an, eine solche Dynamik auslösen würde. Jürgen ist auch so ein Mann zur richtigen Zeit, ein Mensch mit der nötigen Ruhe und Gelassenheit, der unser digitales und analoges Chaos in einer von mir nie gehörten knackigen Symbiose miteinander verheiratet hat. Und wer erwartet schon in der Brandenburger Pampa - in Lütte - so einen Crack, der sich ein Mischpult aus London in sein Haus einbauen läßt, über das schon Nirvana aufgenommen hat! Mich beschleicht fast Wehmut, jetzt nicht mehr in Lütte bei Jürgen im Studio abhängen zu können, im Keimzeit-Land, wo es der ehemalige Keimzeit-Schlagzeuger inzwischen sogar zum Bürgermeister von Bad Belzig gebracht hat. In anderen Ländern werden Schauspieler Präsidenten, bei uns werden Schlagzeuger Bürgermeister, was sagt uns das wohl?
Fast hätte ich „Studio-Hund“ Juri vergessen, der jeden Tag pünktlich um 15 Uhr seine Spazierrunde einforderte und sich darauf hin von zu viel Kaffee oder Junkfood blasse Gestalten an die frische Luft bequemen mußten. Abgesehen davon ist Juri ein wahrer Meisterdieb, wenn es gilt, Kuchen oder Brötchen vom Tisch zu klauen oder einfach die letzten Krümel vom Teller zu lecken!
Und ein kleines Puzzlesteinchen kann ich sogar zu „Werner, Dirk und wir“ beitragen. 1988/89 hatte ich Schlagzeugunterricht bei einem Studenten der Hochschule für Musik „Hans Eisler“ in Berlin, ich denke es war Roger Heinrich. Jedenfalls kam „Flüstern und Schreien“ ins Rollen und irgendwann stellte sich heraus, dass Roger auch der Schlagzeuger von „Die Zöllner“ ist. Der andere Schlagzeugschüler von Roger war übrigens Christoph Schneider, der Drummer der später nicht ganz unbekannten Band Rammstein. Anekdoten eben und ich hoffe, es klingt nicht zu sehr nach „Opa erzählt vom Krieg“.
Sandow hat oft mit seinen Platten und Konzerten Fans, Zuhörer oder die versammelte Musik-Journaille etwas rat- oder sprachlos zurück gelassen oder Zitat Kai: “Wer sich davon unterhalten lassen kann, muß eine verdammt starke Seele haben.“ Alles muß formatiert, sortiert oder irgendwie zugewiesen werden, aber in welche Schublade soll man nur Sandow stecken? Nach unserem Theater-Projekt „Känguru“ waren wir zu viel Rock für das Theater und auf der anderen Seite zu viel Theater für den Rock. Welche Schublade also aufziehen? Nach dem Album „Der 13. Ton“ (1992) war „endlich“ ein Etikett als Ostkopie der Einstürzenden Neubauten gefunden. Ich meine, das geht auf eine seinerzeitige Plattenkritik der Melodie & Rhythmus zurück, die Lutz Schramm mit Kai, warum willst Du wie Blixa sein (oder so ähnlich) eröffnete.
Ja, die Platte begann mit einem Monolog und in „Harmonie und Zerstörung“ wird ein sprachliches Bild verwendet, welches sich ähnlich bei den Neubauten findet. Das wir Monologe und die meisten Songs vom 13. Ton schon seit 1989 auf Konzerten spielten, ohne als Neubauten-Kopie durchzugehen, half uns danach auch nicht mehr. Überhaupt hatte ich bis dahin noch nie eine Neubauten-Platte gehört, was ich dann mit „Haus der Lüge“ nachholte, die Neubauten sangen deutsch, wir sangen inzwischen auch in Deutsch und sonst? Ich konnte nichts finden. Aber kommen wir zu dem abgegriffenen Bonmot zurück, wonach das Leben die besten Geschichten schreibt .... Lutz Schramm findet sich auch auf unserer Crowdfunding Unterstützer-Liste :-)
Manchmal, so es meine Zeit zuläßt, tauche ich gern in das für heutige Ohren inzwischen etwas befremdlich klingende Deutsch eines Joseph Roth, Thomas Mann oder Franz Werfel ab – wenn ich eine Pause von den Adler Olsens oder Henning Mankells brauche. So fiel mir „Verdi – Roman einer Oper“ von Franz Werfel in die Hände (oder genauer gesagt als digitaler Download in meinen Ebook-Reader).
Ich wußte nicht, das Verdi vorgeworfen wurde, ein elendiger Kopist von Wagner zu sein („der Deutsche“), der endlich die Oper erneuert hätte, während Verdi billige Dreiklänge aneinander gereiht und schnulzige Arien in den Vordergrund gestellt habe. Verdi kämpft bereits mit einer 10-jährigen Schaffenskrise, in der er keine Oper mehr aufs Notenpapier bringen kann, seinen Entwurf für „König Lear“ verwirft er. Ständig verfolgt ihn der Geist Wagners, obwohl er bisher von Wagner wirklich nur einmal einen Klavierauszug vom Tristan („Tristan und Isolde“) überflogen hat und Wagners Werke überhaupt nicht kennt. Das klingt jetzt schräg, aber erst der Tod von Wagner erlöst ihn, danach entstehen noch Don Carlos, Otello und Falstaff. (Und bevor hier gleich wieder wilde Spekulationen in den Himmel schießen, nein, wir müssen von keinem Fluch, Dämonen oder Schaffenskrisen durch das Ableben anderer erlöst werden.) Trotzdem bin ich gespannt, welcher Geist in der Bewertung unseres neuen Albums aus der Flasche gelassen wird, einige Fragen nach der passenden Schublade tauchten auf Facebook schon auf, macht Ihr Elektropunk? Tja vielleicht, vielleicht nicht, vielleicht fällt in China auch gerade ein Sack Reis um .... vielleicht machen wir einfach nur Musik, die nicht wenige Menschen schätzen und gern hören, mehr brauche ich nicht zu meinem persönlichen Glück als Schlagzeuger von Sandow.
 Es gäbe noch viel zu erzählen, zum Beispiel die Geschichte von Dr. Birger, Subway to Sally und Sandow oder unsere Konzerte bei einem Moskauer Mafia Paten, aber bleibt einfach am Ball - oder auf unserer Facebook- oder Website. Ich bin dann mal weg, ich muß üben - für die Tour! :-)
0 notes
blogsandowofficial · 7 years
Text
Werner, Dirk und wir. Zweiter Teil.
Okay, wo waren wir stehen geblieben. 1987. Bei „Flüstern & Schreien”. Werner Karma, Dirk Zöllner, irgendwer noch und wir waren in einem Film gelandet. Das war eine gute Sache, besonders für uns unbekannte Pappnasen, besonders wenn das Werk so derartig reüssierte. Silly blieben den Folgeveranstaltungen gleich ganz fern. Sie kamen einfach schlecht weg. Der Kontrast neben den grölenden Nomaden von Feeling B und den Schlaumeiern auf Fahrrad von SANDOW desavouierte ihre toupierte Stadionrock-Sexyness. Der Wind im Land drehte sich und uns konnte es nur recht sein. Wir hatten eine Art Dachbalken unterm Arsch und begannen dennoch auf einer Welle zu surfen. Wir waren offenbar authentisch. Als Band oder Banda (wie ich in einem früherem Blog schrieb) ist man ja gnadenlos egoman. Es gibt nur wenig Empathie, Gelassenheit oder gar Gemeinschaftssinn. Überall lauert nur gespenstische Konkurrenz. Auch sogenannte Szenen wie die der „anderen Bands“ waren die reinsten Minenfelder. Alles behackte sich, intern. Für die Außenwahrnehmung war man irgendeine Musik-APO, kam man aber nach Neuruppin mit Freygang, den Skeptikern und der Firma, zerfleischte man sich mit Greiner-Pol oder Falco Richter um Startplätze und PA-Zuständigkeiten. Der Unbill und die Infights.  Die Dreifachzüngigkeit der schwarzen Individualisten, ob sie Spalda, Joswig oder Rompe hießen. Alle kochten ihr Süppchen. Man konnte eine Menge lernen in den Tagen. Einen Vorgeschmack auf bald kommende Zeiten finden. Anyway, wir kamen aus der Provinz und hatten Charme. Wir stammten von der Baustelle und waren unter Sorben aufgewachsen. In Suhl, nach der legendären Aquise-Fahrt mit Schumann und Wisotzki, lernten wir Wolf-Dietrich Fruck kennen. Er war Großmeister und Gralshüter der AMIGA-Plattenproduktionen. Wir eröffneten ihm, dass wir eine neue Musikrichtung erfunden hätten und das eine Platte fällig wäre. Wolf-Dietrich grinste uns an. Die Liste der Bands, die es auf den ersten Sampler „die anderen Bands“ schaffen wollten, war lang, doch der gemeine Prenzlauer Berger war nassforsch, arrogant und oft zu fordernd. Wolf-Dietrich hatte schon Schlagseite und wir plauderten die Geschichte nach Hause. Er sah uns wahrscheinlich als das geringere Übel. Mein Gott, die kamen aus Cottbus! Die Jungs waren doch nett, die wollten nix böses, die hatten Inhalte, na klar, aber im Grunde war das wirre Lyrik, kein nerviger Untergrund. Und die waren doch in diesem Film! Die Bands aus demselben sahen sich so gut wie nie. Einmal wurde der Film in Gera aufgeführt und wir spielten danach mit Dirk Zöllners Band. Wir hatten uns nichts zu sagen. Was auch. Wir ackerten alle an unseren Fronten rum. Nahmen mit, was ging. Bald ging für einige gar nichts mehr. Viele reisten aus. Herbst in Peking wurde verboten. Die Zone begann aus den Latschen zu kippen. September neunundachtzig. Görlitz. Ein Konzert mit Pankow. Andre Herzberg überreichte uns eine Resolution der etablierten Staatskünstler. Zum unterschreiben. Damit es im vergreisten Politbüro noch irgendein Einsehen hatte. Ein lamoyantes Pamphlet, dem man sich schwer entziehen konnte. Wir hatten uns gerade die Profipappe ergaunert und in der Backstage wimmelte es von Stasi. Wir sagten nein. Wir hatten Schiss, dass es wie bei Biermann lief. Die Kleinen hängen sie. Wir wollten autark und nicht Masse sein. Keine fremde Karren, egal mit welchem Kutscher, auch wenn es feige aussah. Und das war es wahrscheinlich auch. Aber es ist wie in Bukowskis Gedicht „Bettler versauen dir den Tag“. Gibst du nichts, fühlst du dich Scheiße, gibst du was, erst recht. Zu gewinnen gab es da nichts, nur zu verlieren. Nun wir wissen, worauf es hinaus lief. Die Zone implodierte und später sollte sich herausstellen, dass ein Viertel auf der Liste der Resolution bei der Stasi war. Wenn ich heute die Regime-Changes, die bunten Revolutionen, die vielen Frühlinge mir anschaue, frage ich mich, was seinerzeit in der DDR wirklich ablief. Damals hakten wir nicht groß nach, wir räumten den Senatsrockwettbewerb ab, spielten fröhlich in Frankreich, Holland, Russland. Und fuhren dennoch die Kiste gegen einen Baum. Und wer es weiß, der wird wissen, welchen ich meine. Die Leidenschaft, der Irrsinn, der Größenwahn schnitt uns auch das kommerzielle Glück und wir wurden langsam echte Künstler. Die bereit waren für die eine Idee, zu hungern. Die alten Staatsrocker hatten zwei, drei Jahre Flaute zu verdrücken, dann machte dem Ostler  die Melancholie zu schaffen und die Sillys und Karats waren wieder im Geschäft. Dem alten Reisekader Aljoscha, er hatte einen Schweizer Pass, war der Westen nicht mehr neu genug gewesen, er verpasste, was der Rest von Feeling B in die Zukunft hämmerte, Rammstein. Dirk Zöllner hingegen ging auf die harte lange Tour. Wenn der Osten nicht will, gehen wir eben in den Westen. Sich den Arsch abspielen. Ich hab das damals nicht gesehen, erst viel später. Es hätte mich auch nicht die Bohne interessiert. Für manchen Blick braucht man 30 Jahre. Musiker zu sein, ist überhaupt schon ein bedauerliches Schicksal. Du wohnst der Geburt von ganzen Sinfonien bei, bringst den Menschen Wahres und Gutes und musst doch immer wieder auf die Ochsentour, dich zum Gott Erbarmen abstrampeln. Aber du kannst es dir ohnehin nicht aussuchen, es hatte sich dich ausgesucht. Wechselhafte Jahre zogen ins Land. Rammstein hatte die Welt fest im Griff. Wir waren zwischenzeitlich aufgelöst. Dann war ein Jubiläum am Start. Zwanzig Jahre „Flüstern und Schreien“. Da war er wieder, der gute alte Film. In der NATO in Leipzig und anschließend ein Podiumsgespräch mit Rauhut, Wisotzki, Flake, Zöllner und icke. Flake kam erst gar nicht. Ein Stuhl wurde frei. Der Saal war brechend voll und wir entschieden uns am Tresen zu warten. Ich saß neben Dirk und wir hatten erstmal noch keinen Text. Wir bestellten Scotch. Ich war gerade vom Nanga Parbat gekommen und wir hatten einen Bergsteiger verloren, Günter Jung. Ich war in zweifelhafter Verfassung und eröffnete Dirk, dass wohl ein Fluch über dem Film läge. „Ein Fluch?“ – „Tamara hats erwischt. Aljoscha hats auch erwischt. Wie es aussieht, sind wir die beiden letzten Sänger.“ Dirk nahm sich sein Glas zur Brust. „Kai, hör auf mit sowas. Ich glaube an so einen Scheiß.“ – „Ja geht mir auch so.“  Wir ließen die Gläser auffüllen und hatten einen ordentlichen Schluck nötig. Ich nahm den Faden wieder auf. „Ich finde, man darf die Sache nicht auf die leichte Schulter nehmen.“ – „Meinst du.“ – „Das ist wie der Elefant im Zimmer, den keiner sehen will. Da hängt ein Fluch über dem Film.“ - „Kai, hör mir auf damit. Wer sowas denkt, dem passiert auch was.“ – „Wenn Du mich fragst, ist einer von uns der nächste.“ – „Ja darauf wird es wohl hinaus laufen.“ Wir lachten und ließen die Gläser vollmachen. Ich nippte, Dirk kippte. „Ich komme gerade vom Nanga Parbat, der Günter ist oben geblieben. Uns hat beinahe ein Erdbeben verschluckt. Könnte sein, dass ich so eine Art Karma-Vorsprung habe.“ – „ Schon möglich, aber red nicht mehr davon.“ – „Ich meine, es ist ja offensichtlich. Erst Tamara, dann Aljoscha. Das ist ein Scheiß-Fluch. Der über dem Film hängt.“ Dirk lachte. „Du kannst mich mal, mit Deinem Scheiß-Fluch.“  Er kippte sich den Scotch hinter die Binde. Ich bekam Gefallen an dem Sound des Dialoges, dem Swing des Westerns. Der Abend schien interessant zu werden. „Das kann man sich an vier Fingern abzählen. Wir sind die letzten beiden Sänger. Da beißt die Maus keinen Faden ab.“ Dirk orderte, wir tranken. Er schien Durst zu haben. Ich ging mit. Doch halbes Tempo. „Am Ende weiß man nie, ob da irgendein Sinn dahinter war.“ Wir starrten die Kellnerin an. Die traurigen Plakate an der Wand. Das ergab definitiv alles keinen Sinn. Das Glas war leer, das Glas war wieder voll, dann war es wieder leer. Was zum Teufel hatte es damit auf sich. Wir warteten und tranken noch einen. „Was ist das nur für ein Scheiß-Film, wo so ein Scheiß-Fluch drüber liegt.“ – „Einer von uns wird der nächste sein.“ – „Ich war am Nanga Parbat. Ich mach das nicht nochmal mit.“ Eine Brünette schob sich an Dirk ran, brachte ihren Smalltalk vor und alles was sie sonst noch so hatte. Der Meister war in sich gesunken. Black Dust. Ihre Aktien standen schlecht. Dunkle Wolken. Dunkler Soul. Sie trabte ab. Er nahm einen kräftigen Hieb aus dem Glas, wie jemand, der sich einen verdient hatte. Inzwischen stand die Liter-Flasche schon bei uns auf dem Tresen. „Wenn du mich fragst, wir wissen einfach zu wenig, von diesen Dingen.“ – „Genau, was wissen wir schon. Einen Furz wissen wir.“ – „Der Günter ist einfach oben geblieben. Wollte noch ne Pizza bestellen. Auf 8000 Meter Höhe.“ Die Minuten rannen, wir machten die Flasche nieder. Dirk mehr, ich weniger. Es tat sich nicht allzu viel, dann flog die Tür auf und Micha Rauhut holte uns aufs Podium. Dirk schlingerte zu seinem Stuhl und es sah nicht nach Karma-Vorsprung aus. Suff und Bühne, das alte Traumpaar würde gleich einen Walzer drehen. Im Saal hockten 200 Schwarzkittel, eher meine Fraktion, als Soulfans. Rauhut brachte den Dialog an den Start und ich erwischte eine gute erste Halbzeit mit Jochen Wisotzki. Wir erzählten vom Pferd und vom Film, schoben uns die Bälle zu. Ich war genau auf Betriebstemperatur. Die Dosis stimmte. Ich brachte den Fluch aufs Tapet. Die Leute hatten was zu lachen. Rauhut erinnerte sich an Dirk und moderierte in seine Richtung. „Wie hast du dich selbst politisch verortet damals?“ Dirks Zunge ging schwer. „Überhaupt nicht. Ich wollte eigentlich immer nur geliebt werden.“ Die Schwarzkittel grunzten missmutig. Dirk peilte die Lage. Irgendwie schienen die Vibes des Abends gegen ihn zu laufen. Das Problem beim Suff und Bühne - Spiel ist, man baut immer ab. Rauhut setzte nach „Aber du musst doch irgendeine politische Einstellung gehabt haben?“ – „Mensch Micha, das ist alles so lange her. Wenn ich ehrlich bin, wollte ich einfach nur geliebt werden.“ Irgendwie klang es jetzt schon nach Mielkes berühmten Worten. Die Meute begann ihn langsam zu hassen. Er tat mir leid, denn ich hatte ihn da schließlich reingeritten. Suff und Bühne, altes Monster, lass uns heute noch mal ziehen. Die alten Gebete. Wir surften weg vom Thema. Jochen und ich gerieten wieder in Fahrt. Die Bälle kamen, die zweite Halbzeit hatte auch noch einiges zu bieten. Dirk lehnte an meiner Schulter. Erst dämmerte er, dann war er eingeschlafen. Keep your head on my shoulder. Jessas, wie oft hatte es mich schon so erwischt. Die ewigen Peinlichkeiten. Ich hatte einige Echos auf dem Gewissen, war mitten in einem Gitarrensolo eingenickt, in verschiedene Schlagzeuge gefallen oder musste anderweitig evakuiert werden. Rauhut hatte genug gehört und nur noch eine letzte Frage. „Kai, wie war das dann 1994 mit dem zweiten Teil von Flüstern und Schreien“. Ich linste zu Dirk. Er schlief fest. „Nun wenn ich mich richtig erinnere, hatten wir Schumann ein Ultimatum gestellt. Entweder sind Silly und Die Zöllner draußen, oder wir sind nicht mehr dabei.“ Dirks Augen fuhren in slow motion hoch. Er sah mich ungläubig an und die Szene kippte ins private. „Kai, das hast du mir nie erzählt.“ Ich bereute meine alberne Indiskretion, der kleine, eitle Triumph. Es war so ein Moment, der einen verändert, da die Scham einen zur Milde führt. „Ja so war das damals. Wir waren finster drauf. Immer extrem. Das würde ich heute entspannter angehen.“ – „ Das hätte ich nie geglaubt von dir.“ Wir kannten uns eigentlich gar nicht, aber etwas schien uns zu verbinden. Der Fluch, der Film, der ganze Affenzirkus. Ich stammelte noch ein paar Unverbindlichkeiten, der Abend fand keine Pointe mehr. Und immer wächst Gras über solche Sachen. Macht ja auch Sinn. Nur die wenigsten halten durch und bleiben am Drücker. Ich ging mit Mangan25 und Mark Chaet in die Namib-Wüste und wir verloren beinahe unseren Kameramann Tom Franke im Nausgomab-Canyon. Als wir zurückkehrten, hatte Mark ein Konzert in Karlshorst beim Russenfest. Wir gingen hin. „Zöllner-Classic“ in einer Kammerbesetzung. Ich stand vor der Bühne und Dirk schaffte sich rein. Es war nicht unbedingt my cup of tea, aber er hatte ganz klar eine eigene Ansprache. Nach dem dritten Song hatte ich ein Dejavu. Vor ein paar Jahren ging mir Xavier Naidoo maximal auf den Zeiger. Man konnte kein Radio mehr anschalten, ohne dass Xavier einen zusalbte. Etwas in mir hasste den Schnulzenbruder aus Mannheim. Aber da war noch etwas. Wo Hass ist, gibt es immer eine zweite Seite der Medaille. Die lag in seiner Stimme. You can`t fake the funk. Dort war etwas brauchbares, ja wunderbares. Die alte Salieri-Frage, wieso schenkte Gott ausgerechnet Mozart so ein Talent. Nach ein paar Jahren SANDOW-Pause und ein paar weiteren Mangan25-Expeditionen hatte sich im Karma-Haushalt einiges aufgestaut. Ich beschloss, es mal mit Liebe zu versuchen und siehe da, ich konnte es genießen. Nicht alles, aber lass es ein Viertel sein. Frieden finden, Frieden schaffen ohne Waffen. Karlshorst, Hauptquartier der Russen. Mark ließ die Geige klagen. Und Scheiße auch, Dirk, Du warst ja ein richtig begnadeter Sänger, genau wie dieser Xavier. Ich blieb locker, wahrscheinlich war ich schon altersschwul. Nach der Show saßen wir alle auf einer Bierbank und hatten einiges zu lachen. Als wir nachts zurückfuhren, trat uns ein Wildschwein vors Blech. Totalschaden. Manchmal braucht man das. Die Erde drehte weiter ihre zweifelhaften Runden. Und ihr ahnt schon, was jetzt kommt. Letzten November gingen wir bei Startnext aufs Gleis und wen trafen wir dort? Dirk und sein Werner-Karma-Projekt. Und wenn sich Kreise schließen, ist meist eine elend lange Geschichte fast zu Ende. In unserer Unterstützer-Liste sah ich zwei Namen. Werner Karma und Dirk Zöllner. Ich war wirklich von Herzen gerührt. Ja irgendwie sprachlos. Was weiß man eigentlich über den anderen? Was weiß man von sich selbst? Wir würden es nie herausfinden. Nothing is older than yesterday. Und das war es auch schon. käptn kuk PS: Dirk und Werner gingen mit über 250% der Fundingsumme durchs Ziel. Lasst uns nicht allzu blass daneben aussehen. Oder man könnte auch sagen: Schwedter Initiative, weniger schaffen mehr.  
0 notes
blogsandowofficial · 7 years
Text
Werner, Dirk und wir.
Die letzten Tage der Kampagne gehen an den Start und es bleibt spannend. Ob wir das schaffen. Oder eben nicht. Wenn nicht, purzeln wir zurück auf die Schwelle von 8000,-€. Das wäre natürlich suboptimal, zu deutsch Scheiße. Ich glaube aber, es wird klappen. Irgendetwas sagt das mir. Diese Kampagne bei startnext hat mich verändert, hat mir Milde und Frohsinn beschert. Ich hatte nicht geahnt, wie viel Unterstützung und Breite wir entfachen können, wenn wir uns bemühen, lange und anhaltend in die vernetzte Runde zu rufen.
Als wir bei startnext einstiegen, war Dirk Zöllner und sein Werner Karma-Projekt im Ranking immer vor uns und das hat mich auch nie gewundert. Sie haben eine breite Fanbase, nur lustig fand ich, dass der Osten im Musik-Highscore generell immer vorne lag. Werner, Dirk und wir. Wir hatten Power und wie es aussah auch Zug zum Tor. Nach zwei Wochen kamen alte, fast schon begrabene Sympathien in mir hoch und ich drückte die Daumen für die Kollegen mit.
Was heißt eigentlich Kollegen? Das muss ich mal klarstellen. Ja da wird`s halbwegs kompliziert, aber nicht uninterressant. Urschleim. Oktoberrevolution. Man kommt auf die Welt (1968) und schaut sie sich noch nicht gleich mit eigenen Augen und Ohren an. Die gute alte Zone war ja erstmal völlig in Ordnung. Selbst der Gorilla in Kamerun weiß ja nicht, dass er in einem Käfig im Westberliner Zoo eine ruhigere Kugel schieben könnte, als im Stress eines afrikanischen Dschungels. Die Metapher hinkt, ich weiß, aber sie gefällt mir. (Arbeitsregel 1: es ist dem Poeten nicht erlaubt, eine in der Luft befindliche Pointe an der Landung zu hindern).  Ich wuchs also auf mit Karat, Rockhaus und Silly. Erstmal. Und ich erkannte in den Texten von Werner Karma, der für Silly die Texte schrieb, eine besondere Sprache und Kraft. Er war ganz klar der beste Texter (so hieß das im Osten). Er hatte Seele. Die sprach zu mir. Ich war vierzehn und gründete mit Chris unseren eigenen Laden. SANDOW. Im Ostradio gab es dann eine neue Band: Chickoree. Das war deutscher Funk, Dirk Zöllners erste Band und ich mochte das, es hatte Pep, auch die Texte hatten Tiefgang. Manchmal gingen wir zu den Konzerten der etablierten Bands. Wir studierten, wie sie es brachten und träumten uns selbst auf große Bühnen. Dann fuhren wir an die Ostsee zum campen. Wir waren Popper und hatten ordentlich was los. Nachts am Lagerfeuer hielten wir die Gitarren in den Wind und den Mädels gefiel das und uns gefiel, dass es den Mädels gefiel. Wir waren sechszehn und hatten schon unfassbare vierzig eigene Songs auf Tasche. Ich will es nicht verheimlichen, die waren noch auf Kindergartenniveau. Aber wir waren dran. Wir würden die Schallmauer schon durchbrechen. Es waren gute Tage. Doch nach drei Wochen auf einem Zonenzeltplatz sieht selbst der smarteste Popper wie eine Drecksau aus. Als wir zurück fuhren, wurden wir in Stralsund unsanft von der TraPo, die Bullen auf den Bahnhöfen, rausgezogen. Feststellung der Identitäten, peinliche Befragung. Gefoltert wurde nicht, aber der Ton war rau. Ich verstand das alles nicht. Waren wir Kriminelle? Was war hier los? Es war so ein unscheinbarer Tag, an dem man unbemerkt ein Gleis wechselte, auf einer unsichtbaren Weiche plötzlich zu einem anderen Leben abbog. Später wurde mir klar, dass wir wie räudige Punks aussahen und deshalb in die routinemäßige Rasterfahndung gerieten. Punks. Das waren diese geheimnisvollen Aussätzigen. In Cottbus gab es vielleicht zehn, fünfzehn Punks. Sie hörten auf so interessante Namen wie Siggi Suppe, Abfall, Titte und Mörder-Mario. Und Harriet gab es, eine außerordentliche Schönheit, immer barfuß und ein schwarzer Irokese schmückte ihr Haupt. Diese Gang sah man manchmal durchs Stadtbild wanken. Trunken und irgendwie sorglos. Abartig, aber bemerkenswert. Ein Jahr später waren wir wieder campen und diesmal landeten wir neben einem Punkerpärchen aus Zittau. Man muss wissen, dass die Punks in der Zone eher die Schlauesten, als die Faulsten waren. Da ging es immer ums Eingemachte. (Arbeitsregel 2: Bilde dich weiter!) Ich hatte inzwischen den halben Brecht gelesen und war durstig nach neuen Welten. Ich schaute anders hin, auf die Früchte der Revolution, die Spießer, den ganzen Zonenkreisverkehr. Die beiden Punks lebten vom Schmuck herstellen. Irgendwie war das halb geduldet. Man konnte im Osten bei billigen Mieten (meine erste Bude später kostete 23 Mark) sich erstaunliche Nischen erkämpfen. Ihre Geister waren frei und ihre Ideen waren anziehend. Aus dem Anett-Rekorder schallte Sham69 und einiges mehr. Wir waren inzwischen New Waver, doch unsere Spielkünste waren derartig beschränkt, das Equip so desolat, dass unser Sound immer ungewollt nach Punk klang. Langsam rutschten wir hinüber. In die schwarze Szene. Die Szene der Punks, der Gammler (ich liebe dieses Wort und Arbeitsregel 3 sagt: Liebe die Wörter!) Also hinein in die Szene der Freejazzverrückten, der Maler, der Ausreiseantragsteller, der Durchgeknallten. Dort pulsierte unbändiges Leben. Da konnte niemand mithalten. Die bedauerliche FDJ-Realität sowieso nicht, aber auch nicht die Bluesszene, die Metall-Heinze und auch nicht die Staatsmugger. Das waren sie inzwischen für uns. Mugger mit Handgelenktasche. Die örtlichen Profis, die Karats und die Sillys. Abgrenzung setzte ein. Die Kraft des Ghettos läuft ja immer über Abgrenzung. Silly heißt zu deutsch ja schon „albern“ und erst der ganze biedere Rest von Reform bis Berluc. Es verbot sich von selbst, sowas auch nur ansatzweise zu goutieren. Die gehörten zur anderen Seite. Abschaum. Maulhuren mit Reisepass. Armseelige Wichtel mit Haus am Müggelsee. Sorry Werner, so lief das damals. Mit uns. Und es fühlte sich gut an, zu einer neuen Bewegung zu gehören, bei der wir uns nur noch an die künstlerische Spitze setzen mussten. Hatten wir gedacht. (Arbeitsregel 4: Größenwahn gibt es umsonst. Täusche Bescheidenheit vor, räume auch mal Dinge ein!) Allright, ich hatte also immer noch mir jedes Silly-Album angehört und wusste, dass Werner nach wie vor eine gute Zeile schrieb. Aber in meinem äußeren Kosmos wäre der Vorgang, sich mit einem Silly-Album zu beschäftigen eine imageschädigende Bankrotterklärung. Darüber sprach man nicht. Meine Szene hörte Sister of Mercey, Joy Division, Tödliche Doris und The Birthday Party. Die schwarze Szene hatte auch gewisse verbindliche Etikette und wir waren jung, das Rückgrat noch nicht sehr ausgebildet. 
Dann kommt auch schon der nächste Sommer und wir fahren wieder campen nach Rügen. Diesmal aber ist ein DEFA-Team dabei. Wir hatten es mit unser typischen Unnachgiebigkeit den Winter zuvor in einem Zug nach Suhl aufgerissen. Beim Umsteigen in Leipzig hatten Chris und ich auf dem Bahnsteig zwei sehr heiße Bräute aufgetan. Sie stiegen in den Zug und wir dackelten hinterher. Sie verschwanden in einem Abteil. Wir drängelten uns dazu. Und dort saßen Dieter Schumann und Jürgen Wisotzki. Die Macher von „Flüstern & Schreien“. Auf Recherche für ihren DEFA-Rockreport. Wir konzentrierten uns nun auf Dieter und Jochen. Akquise! (Das A und O im Buisness und damit Regel Nummer 5). Sie hatten ihr Portfolio eigentlich schon vollständig. Dachten sie. Denn wir erzählten vom campen und mit dem Fahrrad an die Ostsee fahren und Inhalten und Fragen und Gekreisch am Lagerfeuer und existenzielles Geschwurbel und heiße Nacht und kalter Morgen. Na klar, das war filmisch! Das war kein öder Rockscheiß mit Proberaum und Pressefest. Wir erschienen als wunderbare Protagonisten mit filmischer Landschaft und bekamen einen Mainslot im Film. Junge Punkpoeten mit schwerem Hang zum SaufiSaufi, DenkiDenki und FickiFicki. Wunderbar. Die jungen Ebenbilder von Schumann und Wisotzki. Die Dreharbeiten gingen auch in die Richtung. Der Schnitt setzte uns dann ins richtige Licht. Und Vorhang auf, wer war denn noch im Film gelandet? Man wird es kaum glauben:  Silly und Chickoree. Werner, Dirk und wir. In einem Film. Logisch. Ja wer zum dramaturgischen Teufel denn sonst? Naja, Feeling B war auch noch dabei, die können wir hier aber vernachlässigen. Auch weil sie sich im Nachgang für die Wichtigsten hielten. Lächerlich. Geschenkt. 1,2 Millionen Zuschauer. Sicher, da will jeder der entscheidende Part gewesen sein. Aber wir wissen ja, wie wichtig SANDOW für den Film war. Unersetzlich! Und wie der ganze Wahnsinn weiterging (und er geht immer weiter, Regel Nummer 6) erzähle ich im nächsten Blog. And by the way: Macht mal endlich diese verdammte Kasse bei startnext voll! Himmel!  Käptn kuk          
0 notes
blogsandowofficial · 7 years
Text
Es geht abwärts
Sehr geehrte Crowds und Krauts . Einmal am Tag linse ich auf die Zahlen bei startnext.com/sandow. Der Balken im grünen Herz steigt. Es ist die befriedigende Beobachtung einer zwar ungewöhnlich langsamen, aber nicht enden wollenden Erektion der finanziellen Mittel, die Fieberkurve des Vertrauens in einen schon Totgesagten. Und dann plötzlich das. Wir schreiben den 4.1. 2017. Zum ersten mal fiel aus unerfindlichen Gründen unser Fundingbudget von 11713€ auf 11563€. Wie seltsam. Es geht also auch in die andere Richtung. Na klar! Es geht abwärts. Das grundlegende Gefühl, wenn man bei SANDOW Dienst tut. Es gibt immer noch ein Tal unter dem letzten. Die Berge werden höher, die Luft wird lauer und die Befindlichkeit einsamer. Es ist der Grundgroove der Bandseele. Seit wann eigentlich? Die Antwort ist recht einfach. Seitdem wir behaupten, Künstler zu sein. Seitdem wir das ernst nehmen. Seitdem die Leute immer nach den alten Stücken fragen. Seitdem wir störrisch wurden und nicht mehr alles bedienen wollten und das wollten wir ja nie.
Es ist seit Jesus Christus so. Kommst Du mit einer neuen Nummer hoch, nageln Dich die Leute ans Kreuz dafür, immer das Gleiche zu predigen, zu wiederholen, wiederzukäuen. Wir haben den Finger gezeigt und immer dafür bezahlt. „Er ist anders“ – ja das war unsere erste Hymne. Aber irgendwie stimmte das nach einer Weile nicht mehr, auch im Punk wohnt eine gewisse Spießigkeit und Unbeweglichkeit. Er ist nicht anders. Anders sind nur die wenigsten. Und die bilden keine Rudel. Also raus mit dem Stück aus dem Repertoire. Wir verloren zahlreiche Punks in unserem Publikum. „Born in the GDR“ – die perfekte Ansage zu Zonenzeiten, danach für uns Ballast und Pein, raus damit aus dem Programm. Scharenweise wandten sich die Leute ab. Egal. Wir sind Künstler. Mit uns geht’s abwärts, aber immer genial, immer Avantgarde, immer die, die vorne weg gehen, wenn es abwärts geht. Kommt die BRAVO in die Backstage reingeschneit, schmeiß sie raus, aber ein bisschen tzatziki. Dürfen es 30min beim Bizarre-Festival sein? Aber gerne! Zwanzig Minuten davon verbrauchten wir für unsere Ouvertüre. Dann konnten wir ja immerhin noch drei Titel spielen und die dreißigtausend Leute dachten, jetzt kommt der Hauptact. Irgendein „Die Ärzte“- Nachfolge-Projekt wurde danach gnadenlos ausgebuht. Logisch. Das Stadion wollte jetzt schließlich SANDOW sehen. Die versammelte Managementprominenz wusste nun, wie wir drauf waren. Stinker, für die es bald abwärts zu gehen hat. Oder die Nummer hier. Hat man aus Produzentensicht (Jor Mulder) für das neue SANDOW-Album einen einzigen Radiohit auf Tasche („NAC“ auf der Anschlag), fühlen sich die Herren Künstler plötzlich zu mainstreamig und müssen so ein schreckliches „Tronan Nitzo Dikanfas“ drüber orgeln und das Stück damit radiountauglich machen. Raus mit der Band aus dem Label. Die spinnen ja. Abwärts! Was fällt, das soll man stoßen. Sagte Nietzsche. Andere sagten anderes: „Ach komm, die sind aus dem Osten, lass sie uns zu dem tollen Kinofilm „Freispiel“ einladen. Gemeinsam mit Leuten von Can, Killing Joke, Element of Crime und noch vielen anderen. Das wird gut.“ Besonders wenn die Kollegen von SANDOW Durst haben und die Getränke frei sind. Dann darf sich der Regisseur vom Gitarristen schon mal ein paar Schmeicheleien einfangen: „Du Westarsch!!!“. Ach der ganze Tisch wurde leergefegt, die Flaschen, Aschenbecher, Gläser, auch das vom Regisseur flogen durch den Raum? Hatte der Gitarrist etwa schlechte Laune? Auweia – abwärts!  Wen Gott liebt, den prüft er. Und Gott prüfte. Diese großmäuligen, größenwahnsinnigen Kunstvollhorste. Schickte Syphilis, Tod und Alkohol, gute und weniger gute Drogen. Sandte wahnsinnige Manager aus, die angebliche Touren in Spanien und Schweden buchten, die dann in der Klapper landeten. Schickte auch lustige Vorbands, die lustige Sachen machten. Kabel durchschneiden und Gitarren vom Hauptact verstimmen, kurz bevor dieser die Bühne der ausverkauften Volksbühne betritt (Herbst in Peking) oder die alle Verstärker verstellen und den Filmprojektor unscharf drehen, bevor SANDOW loslegt (Rammstein). Die dafür auch noch Geld von SANDOW bekommen, in deren Hotelzimmern auf dem Fußboden schlafen dürfen und sich nie dafür revanchieren werden (schon wieder Rammstein). Schick die Burschen abwärts, lass sie Dreck schmecken, lass sie vor zehn Leuten spielen, lass sie Schulden haben. Lass sie all den Wahn gegen sich selbst richten. Sende Zwietracht, Missgunst, Eifersucht, auf das diese Scheißbande endlich auseinanderfliegt. 1999. Geschafft. Ein paar Jahre später krochen wir wieder aus unseren Löchern. Weil wir wussten, dass wir einmalig sind. Weil wir neuen Druck auf dem inneren Kessel hatten, der raus musste. Ganz gleich ob vor 10 Leuten oder nach Rammstein. Brachten die Kiong und uns selbst wieder an den Start. Mit Gelassenheit und diebischer Würde. Ha! Und ließen uns viel, viel Zeit für das nächste Album. Mit alter Freude und keinerlei Erwartung an irgendetwas. „Entfernte Welten“ – mal sehen wer soweit mit uns raus schwimmt. Gott wohl eher nicht. Er ließ die Studios nach wie vor viel Geld kosten. Wir schmissen die Geldmaschine bei Startnext an und siehe da, so viele alte Freunde zahlten in den Topf ein! Geht doch. Wo waren denn die geliebten Prüfungen, Herrgottnochmal !
Aber es kam der 4.1. 2017 und ihr ahnt schon, ab da ging es wieder abwärts. Von 11713€ auf 11563€. Kinder, sagen wir es mal so, wir werden das wegstecken. Aber vergesst nicht, den Sack könnt nur ihr zu machen. Bis zum 31.1. fehlen noch knapp 3500€, sonst geht es ganz klar a.....ahhhh! Oder wie Bukowski mal sagte „Baby, das Schlimmste kommt noch.“ Auf seinem Grabstein steht „Dont try“. Versuch es erst gar nicht. Ich glaube, wir und ihr schon.  kuk  
0 notes
blogsandowofficial · 7 years
Text
Fäns!
Auf Tuchfühlung gehen, mit den Menschen, die zum Konzert kommen, das war früher gang und gebe und hatte oft Happening-Charakter. Wenn man selbst nicht alle Tauben auf dem Dach hat, braucht man sich nicht wundern, wenn man anderen Leute mit Dachschaden begegnet oder diese gar anzieht. Magisch anzieht! Wir haben es so oft erlebt und sind nicht schlau draus geworden. Dresden in den frühen Neunzigern. In der Scheune auf dem Gang zur Bar. Ein Typ steht vor mir und zieht ein Messer. „Du Schwein hast meine Freundin geschwängert. Du bist fällig!“ „He mach mal langsam Kumpel“. Ich war Gottseidank betrunken und verspürte eine angenehme Gleichgültigkeit. „Ich mach überhaupt nicht langsam, Du Drecksau, Du hast meine Freundin geschwängert!!!“ Ich hatte mal in Ungarn einen Chuck Norris - Film gesehen. Die alberne Wirkung der ungarischen Synchronisation tat Chuck genauso wenig gut, wie der sächsische Akzent dem Anliegen meines rechtselbischen, neuen Freundes hier. Ich ließ meine Kommandostimme von der Leine, diabolisch und kalt. „Hör mir zu. Du bleibst jetzt exakt hier stehen. Ich hingegen komme gleich wieder. Hast Du das verstanden ?!“ Ich ging lässig an ihm vorbei, Richtung Bar. „Eh sag ma...Du Schwein, Du hast...“ Am Tresen erwischte ich Chris im Gespräch mit einer Brünetten. „Chris-Baby, da ist so ein Beknackter mit `nem Messer. Kannst Du da mal nach dem Rechten schauen?“ „Wo ist er, der gehört mir.“ Chris setzte sich in Bewegung. Im vorrüber gehen fischte er einen Feuerlöscher von der Wand. Man muss wissen, dass Chris in jener Zeit auf den Kosenamen „Kamerad Rottweiler“ hörte. Wir bogen in den Gang ein und da schau her, der Typ mit der schwangeren Freundin stand wie angewurzelt und unverändert mit dem Messer im Anschlag. Irgendwer musste ihn hypnotisiert haben. Dann wachte er auf. Er sah Kamerad Rottweiler auf sich zu eilen. An Entschlossenheit schien es diesem nicht zu mangeln. Der Feuerlöscher fauchte und spuckte Schaum. Der Sachse an sich mag tapfer sein, doch wenn ein irrer Preuße naht...Der Gehörnte ließ das Messer fallen und türmte. Chris war sauer. „Was für eine Pfeife war das denn?“
Ortswechsel. Irgendwann in ähnlichen Zeiten. Döbeln. Wir hatten einen Landgig hinter uns gebracht und waren auf Hausbesuch bei einem jungen Fan. Chris hatte was mit ihr zu bereden und wir brauchten Quartier. Es waren zwei kleine Zimmer in einem 50er Jahre Bau. Chris war schon im hinteren Zimmer am werkeln. Berber und ich hockten auf dem Fußboden und tranken billigen Wein aus der Pappe. Es war öde, aber wohltuend. Hier würden wir wohl irgendwie gleich einschlafen. An den Wänden hingen Wimpel von Chemie Leipzig. Aus dem Nebenzimmer erklang Gekicher, ich steckte mir eine Karo an. Das beengte Leben auf Tour ließ einen oft zwangsläufig das Intime der Kollegen miterleben. Das war bei Opa im Krieg wahrscheinlich auch so. Bei den Orchester -aufnahmen zur fatalia in Prag teilte ich mir mit Chris ein Zimmer und er hatte eine Amerikanerin aufgetan. Da Chris des Englischen nicht mächtig war, durfte ich den Smalltalk allabendlich übersetzen. Es langweilte mich und ich brachte ein paar interessante freie Interpretationen hinein, um die Sache etwas heißer ins Laufen...Peng!!! Die Tür krachte aus den Angeln. Ein Schnauzbarttyp mit einer riesigen Axt stand in der Döbelner Bude. „Wo ist das Luuder? Wo ist die Schlambbe?“ Kamerad Rottweiler linste um die Ecke und sondierte die Lage. Dann hörte man sie. „Du Blödmann, verpiss Dich! Du hast mir gar nichts zu sagen!“ Der Schnauzbart ging zwei langsame Schritte vorwärts, die Axt wedelte auf und ab. „Bist Du der Todeskandidat, der meine Schwester figgt?“ Chris pulte sich am Ohr rum und schien Zeit gewinnen zu wollen. „Kann schon sein.“ Die Schwester erschien auf der Bildfläche, nur notdürftig bekleidet. „Karschten, hau einfach ma ab und lass uns in Ruhe, Du Scheiß-Kunde!!“ Der Schnauzbart fuchtelte mit der Axt herum, brachte ein paar Turns wie ein Hammerwerfer, zeigte Beinarbeit. Gleich würde etwas geschehen. Die Zeit erstarrte und mir brannte der Schädel. Chris oder die Schwester oder gar beide. Oder wir alle zusammen waren gleich Hackfleisch. Warum gab es soviel Elend auf der Welt, Aggression und Krieg? Was war da los? Man konnte doch auch friedlich feiern und sich halbwegs nett finden. Eine Erinnerung fuhr in mir hoch. Salzwedel. Tag der Einheit. Genau genommen die Nacht davor. Wir spielten und plötzlich kamen hundert Leute mit Deutschlandfahnen grölend in den Saal. Gütige Scheiße. Die Einheit war angebrochen. Wir machten Feierabend und packten die Geige ein. Es kamen einige Fans nach Backstage. Ich beschloss dem Gelage beizuwohnen und ließ den Bandbus sausen. Plötzlich kam ein Banker aus Hamburg herein und bot tausend DM, wenn wir noch weiter machen würden. Meine Band war schon auf dem Heimweg. Ich aquirierte kurzerhand einen gemischten Chor im Cast der Backstagefans und kassierte den Tausender. Wir enterten die Bühne. In Front davor saß nun der Banker auf einem Sessel, hinter ihm der Mob mit den Deutschlandfahnen. Gewisse feierliche Erwartungen lagen im Raum. Wir gaben die „Internationale“ durch. Dann die „Moorsoldaten“. Bei „Partisanen von Amur“ hatten sie die Faxen dicke und schickten uns prügelnde Ordner auf den Hals. Wir gingen stiften, doch hatten den Tausender in der Tasche. Salzwedel, Perle der Altmark, Deine Schenken lagen uns zu Füßen. Wir zogen von einer zur nächsten, endeten an einem Kiosk und waren beizeiten sternhagelblau. Glück war möglich. Hart erarbeitetes Glück natürlich. Gesang sollte sich wieder lohnen in Deutschland. Der Film spulte sich runter und verlosch. Irgendwann wurde ich ins Hotel getragen. Ich soll noch versucht haben, es zu kaufen.  
Der Film, der permanente Film. Das war es in diesen Jahren. Man schwamm ständig in einer Art Film durch die unmöglich gewordene Realität. Es war eine Art Coucon im Kampf mit den Drachen. Das half zu überleben. So auch in Döbeln. Ich starrte an die Wand, auf die grünweißen Wimpel. „Karsten, bist Du Chemiker?“ – „Logisch bin ich Chemiker.“ – „Mein Cousin hat mal bei Chemie gespielt, linker Verteidiger.“- „Linker Verteidiger?“ Er nannte irgendwelche Namen. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, aber ich wusste, mein Cousin war bei der Kindermannschaft von Chemie ein paar Jahre zu Gange gewesen. „Nee, nee, Ronald Scharschmidt meine ich, linker Verteidiger, Außenbahn.“- „Nie gehört, Scharschmidt.“ - „Mensch, Scharschie haben wir den genannt. Anfang der Achtziger, musste doch wissen.“ –  „Du bist also ooch Chemiker?“ – „Logisch, bin ich Chemiker, sehe ich aus wie ein Lok-Schwein?“ Er ließ die Axt sinken, stellte sie an die Wand und setzte sich zu mir. Wir machten uns eine Karo an und er fingerte eine Flasche Wermut aus dem Regal. „Scheiß Weiber.“ – „Wem sagst Du das.“ Die Kinderzimmertür nebenan schloss sich lautlos. Der Wermut kreiste und wir hatten noch einiges zu bereden.    kuk
0 notes
blogsandowofficial · 7 years
Text
Die Nummer mit dem Hut
11113. Die Zahl sieht irgendwie magisch aus und sie bewegt sich nicht. Seit drei Tagen keine Frontbewegung an der Startnext-Flanke. Wenn man mal Lotto gespielt hat, kennt man das. Man glaubt felsenfest an den Gewinn, daran, dass sich schon etwas tun wird. Hundertpro. Dass es funzt, dass es explodiert. Wir stehen also bei diesen 11113,-€ und das ist soviel mehr als wir gedacht hatten, aber es ist auch schon eine Weile her, dass wir das gedacht hatten. Na klar, wir  sollten dankbar sein und sind es ja auch! Wie verrückt! Aber die Faszination jedes Erfolges macht einen schleichend unersättlich und nur mehr ist mehr! Auch irgendwie widerlich diese schamlose Gier, schlimm, aber wie sagt mein guter Freund Russ Marasus „I can get no fettes Säckchen“. Yeah. Uns hat es auf den Genfer Sporn gespült, den Second Step, den Silbersattel, auf die Grasslands. Orte, von denen wir nicht träumten, sie zu erreichen, doch jetzt sind wir schon mal da, nun wollen wir auch den Gipfel sehen. Die Sturmkoppe, den Nanga, die Trango.Towers.  Also jetzt bloß nicht schwächeln. Ich kenne das, diese Interimslähmungen, dieses Warten worauf nur, dieses in Frage stellen des Ganzen. Frieren und grübeln. Hermann Buhl hat Perventin eingeschmissen, Messner hat mit seinem Rucksack geredet und Scott schrieb Wichtiges ins Tagebuch, kurz vor seinem Tod, die Rettung nur ein paar Meilen weit.
Stop it Baby. Demütig sein, dankbar sein, die Emotionen professionell an die kurze Leine nehmen, das Wissen, wie schnell alles wieder vorbei sein kann. Und gerade jetzt, wo ich diesen Text schreibe, nimmt Walter Pinco einen guten Schein in die Hand und vermasselt mir das Lamento und die magische Zahl. Sie hat sich plötzlich auf 11163,-€ erhöht, doch nun ist der alte Rausch wieder da. Es gibt also noch Leute, die an unsere Mission glauben, wir sind nicht allein im All, wir werden auf dem Gipfel stehen. Jessas auch!  
Mich turnt es immer ab, mit dem Hut herum zu gehen. Das Gauklerleben ist schon okay, aber die Nummer mit dem Hut konnte ich nie leiden. Andern auf die Füße treten. Hey Sugar hau mal was rein. Dammich. Ich muss mich dann betrinken, meine aristokratischen Grundauffassungen über Bord kippen und an etwas anderes dabei denken, dann geht es, vielleicht. Diese elende Akquise-Nummer. Henry Miller schrieb, das erste Privileg des Künstlers ist der Selbstmord.
2001. Sandow gab es gerade nicht. Wir pausierten aus privaten Zwistigkeiten. Ich erinnere mich an ein Konzert mit Russ and the Velvets in Chemnitz. Wir spielten in einer Kneipe. Keine Gage, Getränke frei, keine Abendkasse, denn am Schluss sollte ein Hut rumgehen. Da käme immer mehr bei rum, als wenn man Eintritt nimmt, sagte uns der Veranstalter. Ja scheiß drauf, wir hatten Durst und legten einen kranken Set hin. Der Laden war rappelvoll. Ich dachte darüber nicht groß nach. Musik zu machen, war verkommen zu einem Bettelgeschäft, die ganze Branche kroch auf dem Zahnfleisch und wir spielten nun für den Hut in einer Schenke in Chemnitz. Wie tief waren wir gesunken. Jeder Stricher am Bahnhof Zoo brachte mehr Umsatz, als wir in den letzten Jahren.  Ich nahm die Getränke mit und hatte ab der Hälfte des Konzertes einen mittelmäßigen Blackout. Der Hut ging rum und wenn er die Spritkosten reinbrachte, war wahrscheinlich schon einiges los. Die Leute waren happy. Sie hatten es richtig günstig besorgt bekommen. Dann wurde es dunkel um mich herum.
Nach einer ungewissen Zeit kam ich wieder zu mir. Ein kleines, einem Büro ähnlichen Kabuff mit Neonröhren umgab mich und sollte wohl heute Nacht zu unser Übernachtung dienen. Matratzen lagen auf dem Boden. Schlafsäcke waren ausgerollt. Zu was für armseeligen Pennern waren die glorreichen Velvets verkommen. Die Kollegen beachteten mich nicht großartig. Sie hatten was zu besprechen, doch mich befiel der Heißhunger. Der gewiefte Veranstalter hatte uns nur mit ein paar beschissenen, gefüllten Champignons abgespeist, „was Gesundes für die Musiker“. Mir schoss die Wut aus der Wampe. „Ich will Gegrilltes! Gegrilltes!!!“ schrie ich und wankte aus dem Kabuff.  Ich irrte eine Stahltreppe hinab und fand mich plötzlich in einem hell erstrahlten Hangar wieder. Und dann sah ich sie. Eine gewaltige Segelyacht. Aufgebockt, makellos. „Ein Boot, ein Boot...“  Es war wie eine Vision. Das Gefühl, es mit den Augen Fitzcarraldos sehen zu dürfen. Eine betörende Erscheinung, Dalis Bild von Kolumbus Abfahrt schraubte sich innerlich hoch. Was für eine schöne Segelyacht, doch gestrandet in einer tristen Halle. Die große Anklage! Die unermessliche Sehnsucht,  das offene Meer erreichen zu müssen, endlich alles hinter sich zu lassen, Fahrt aufzunehmen, und am anderen Ende der Welt eine Oper in den Dschungel bauen. Teufel auch. „ Ein Boot...“. Es erschien als die Lösung für alles und zugleich das letzte große Problem, ein Boot ohne Meer...
Ich war wohl schon länger in Faszinationsstarre und auch zu Boden gesunken, als Fightclubandy und Dr. No mich endlich fanden. „Kaichen, hier bist Du ja, was machst Du denn hier? Komm mal schlafen“. „Meine Lieben seht nur, ein Boot.“ Sie lachten sich halb schlapp. „Wir dachten, Du willst Gegrilltes, na komm schon, wir gehen pennen“. Ich stammelte nur “Ein Boot...“ „Ja, ja ein Boot, na klar, hahaha...“ Ich wurde abgeführt.
11163. Die neue Zahl starrt mich an und ich weiß, es ist noch ein langer Weg, bis unser neues Sandow-Boot endlich genug Wasser unter dem Kiel hat. Notfalls wissen wir ja von Fitzcarraldo, was zu tun ist. Ein Berg ist letztlich auch nur eine Wasserscheide. Also auf geht’s. Auffi muß i. Die Vorproduktion in Lütte ist nun beendet und Ende Januar werden wir beginnen, die Aufnahmen zu mischen. Das Material klingt intensiv, roh und rau und alles fühlt sich neu an. Wir werden sie schon vom Stapel kriegen, die prächtige „Entfernte Welten“. Mit der Hilfe unser treuen Begleiter, unser Sandow-Community, die es ebenso wollen, wie wir.
Ich muß an ein weiteres Velvets-Konzert in Chemnitz denken. 2002. Ein Jahr später waren wir wieder da, diesmal hatten wir einen Clubdeal, Festgage und ein 5-Sterne-Hotel. Wir legten einen blitzsauberen Soundcheck hin, aber an der Abendkasse war Flaute. Vier zahlende Gäste. Unser Einsatz am Hut fand wenig Nachhall. Das Konzert wurde abgesagt. Der Clubchef blätterte uns die Gage hin und wir pflanzten uns in die 5-Sterne-Hotel-Lobby und brachten den Cash an den Mann, den Barkeeper. Wir hatten schon einiges intus, als die Drehtür ging und die drei Könige herein spazierten. Dirk Zöllner, Dirk Michaelis und Andre Herzberg. Wir begrüßten uns beiläufig. Sie nahmen Platz an einem runden Tisch. Wir waren am Tresen zu Gange. Daiquieries hieß die Platte, die jetzt schon drei Stunden für uns spielte. Am runden Tisch bekamen sich die drei Könige in die Wolle, wer in der Show wann dran war und wann wer dann eher sich zurückhalten sollte. Sie hatten gerade die Chemnitzer Stadthalle vollgemacht und wollten jetzt noch das eine oder andere optimieren. Wir saßen da und hatten zu allem keinen Text und keine Gedanken. Unser Boot war schon sehr weit hinaus gefahren und hatte die Ufer von Nirvana im Ausguck ausgemacht. Es fühlte sich gut an, nicht die Probleme von erfolgreichen Musikern zu haben. Wir waren die Velvets, lässig und verkommen. Russ kam vom pinkeln zurück. „Jungs, ihr glaubt nicht, was auf meinem Zimmer los war. Auf dem verdammten Fernseher stand „Herzlich Willkommen Herr Marasus“. Wir nickten. Die Sache schien zu laufen. Für uns. Als der Barkeeper Feierabend machte, blieben wir sitzen und schenkten selbst anständig nach. Seine Regale waren gut bestückt. Wir hatten es uns verdient.     
kuk
0 notes
blogsandowofficial · 7 years
Text
Berber
Ich kenne Berber, unseren unverwüstlichen und doch hochsensiblen Schlagzeuger jetzt beinahe 30 Jahre. Er hat die letzten sieben Jahre einen Höllenritt hinter sich und ich bete dafür, dass er es wirklich hinter sich hat. Es macht den stärksten Papua-Indianer porös, wenn das Damokles-Schwert einer Krebsdiagnose über einem Kreise und Krise zieht.
Berbers Martyrium und dem angeschlossen drei Chemotherapien begleiteten die Arbeit am Album. Eine entsetzliche Melange aus nervöser Freude, es vielleicht überstanden zu haben und den dann auftretenden Rückschlägen. Niemand von uns weiß, was das wirklich bedeutet, das Surfen am frühen Tod. Wir wollen da sein für ihn und sind auch manchmal gar nicht da, verpassen OP-Termine, Anrufe, verschlampen Anteilnahme. Diese über die Jahre sich entwickelnde, beschissene Routine der Nachrichten des Leidens auf der einen, der schmerzlich vermissten Nähe der Kollegen auf der andere Seite, die mich bis heute mit Scham befüllt.
Und dann gibt es unsere Musik. Die Fluchtinsel, für die wir und allen voran Berber alles gibt. Im italienischen heißt Band ja „Banda“. Das entspricht meiner Vorstellung davon recht gut. Man plant einen Raubzug und schmeißt alles rein. Jeder kann etwas, was der andere nicht kann. Messer-Piet, Lasso-Django, Kartentrick-Billy und Slow-Hand-Frank. Der Western kann losgehen und wir ahnen, dass es nur gut geht, wenn alle ihre Tricks an den Mann bringen werden. Bei uns ist das ähnlich, es gibt viele verschiedene Talente, aber Berber hat uns die letzten Jahre den Marsch geblasen, dass der nächste Raubzug mal langsam fällig wird. Zuviel Sundowner auf der Abendveranda, zu viele Geschichten von der guten alten Zeit, zu viel Realitätsstau, besonders natürlich bei ihm. Berber hat das richtige Studio mit Jürgen Block recherchiert und die Crowdfunding-Idee dazu, es zu finanzieren und er hat uns Druck gemacht, dass wir die vielen Ideen der letzten Jahre jetzt konsequent zu Ende denken.
Das beeindruckt mich. Er hat das manchmal aus dem Krankenbett gemacht, aus der Reha, von den Molukken im Entspannungsurlaub und wir hatten das auch nötig, da wir auf vielen anderen Baustellen unterwegs sind. Ich selbst hatte seit dem letzten SANDOW-Album zehn Filmmusiken geschrieben und fünfzehn Hörspiele und Features produziert. Für letzteres war ich immer wieder mit Mangan25 zum Anus mundi gereist, weit entfernte Gegenden, die besondere Geschichten für mich verborgen hielten. Aus diesen Erfahrungen entstanden die Texte für das neue SANDOW-Album. Und doch ist das natürlich kein Reisebilderbogen sondern eine Auseinandersetzung mit der Welt, ihrem und unserem Zustand, ein Labyrinth des Denkens über den Wahnsinn, der uns umgibt. „Entfernte Welten“ sind eben nicht nur seltsame Habitate, in denen wir Entdeckungen unternehmen und Gefahren meistern, sondern sie finden auch genau hier in uns statt. Da muss ich gar nicht Gottfried Benn bemühen, um über Krebs an sich nachzudenken, als Spiegel unser Fragilität, als Fiebermoment unser jederzeit erlöschenden Einzigartigkeit. Mein alter Freund Berber wird darüber mehr wissen. Ich ahne nur, ich schreibe, ich sauge auf und schreibe um, weil alles für mich wichtig ist. Makrokosmos, Mikrokosmos, Minuskosmos. Schreiben heißt umschreiben. Wie Thomas Wendrich sagt. Wir diskutieren das im verqualmten Pensionszimmer in Fredersdorf, nahe Lütte, wo unser Studio auf unsere täglichen Entscheidungen wartet. Jürgen, der Geduldige…Und am nächsten Tag peitscht Berber den Beat zu „Eis“ wie ein gnadenlos junger Gott ins Auditive. Er fliegt, ist genau in seinem Tempo, ist da, ist jetzt in dieser Musik. Er ist jetzt diese Musik.
Es war wohl 1987, als ein junger Baustudent in Cottbus ins Stadtkabinett für Kulturarbeit ging, um zu fragen, ob denn wohl in der Stadt ein Schlagzeuger gesucht wird. Die Abende im Bauwohnheim waren ihm all zu lang geworden und die Zeit atmete Beton. Keine zehn Minuten später spazierte ein sehr schmaler, aschfahler und noch jüngerer Herr ins Kabinett, um den Mitarbeiter in Kenntnis zu setzen, dass SANDOW einen Schlagzeuger sucht. Berber saß grinsend auf einem Stuhl und wir sahen uns das erste mal. Drei Tage später machte er seine Aufwartung in der Villa Sandow, unserem Domezil im Puschkinpark und war schockiert über die Müllberge, die zwischen unserem Equip sich auftürmten. Zu Hause hat man`s schön und Berber blieb bei uns. Bei der Banda Sandow.  kuk
0 notes
blogsandowofficial · 7 years
Text
Neue Gaben
Es ist Dezember. Wir sind im Studio in Lütte, unsere Vorproduktion zu „Entfernte Welten“ beginnt. Seit einigen Wochen ballern wir auf allen social-media-chanels SOS – und SMS-Greetings in die Welt und erleben, wie unsere Community sich eindrucksvoll zurückmeldet. Zu uns, die sich bisher eigentlich wie selbstverständlich als einsam empfanden. Woche für Woche wird klar, wie breitgefächert, die Leute hinter uns stehen. Es berührt uns sehr. Das hatten wir nicht gewusst, nicht empfunden, dass wir nicht alleine sind mit unserem Tun. Cool Shit. Wir schauen rein in die Liste unser Unterstützer und finden manch vertrauten Namen. Nach über 30 Jahren Sandow fühlt man sich oft „überkontaktet“. Man weiß dann gar nicht mehr, mit wem man eine Wodka-Hochzeit auf den Weg gebracht, mit wem man fast eine halbe Zahnreihe im Infight mit Skinheads riskiert und mit wem man sich gesagt hat: „ Friedrich Nietzsche verstehen nur zwei Menschen auf der Welt, Du und ich.“ Zwischen den Recordings checken wir unser Startnext-Profil und können auch sehen, welche Rewards sich besonderer Beliebtheit erfreuen. Na klar, am besten geht die Musik selbst über den Tisch, aber auch der Sandow-Salon scheint eine gewisse Anziehung zu haben. Deshalb legen wir noch ein paar smarte neue Köder aus, um das Fundingziel von 15000 zu erreichen. Da gibt es große Kunst für wenig Geld von Chris Hinze (Ha Weihnachten naht!), Fetische wie die erste Drumgitarre (absolut einmalig, auf dem Prügel wurde „Tour de lose“ erfunden) sowie eine SANDOW-Expedition, bei der man die Möglichkeit hat, sich mit uns im Brandenburger Busch anständig zu verlaufen. (festes Schuhwerk und eine dicke Haut wegen SANDOW-Humor mitbringen). Die Trommeln rufen, Berber hat die Drums von Cupidus aufs Band gespielt. Laborzeit naht. Chris macht sich über seine erfundenen Gerätschaften her. Ein halber aufgerissener Klavierflügel z.B., den er mit Eisenschalen bearbeitet. Es klingt, als wenn...besser man beschreibt das nicht, es klingt einfach nach SANDOW. Wenn Chris das Labor betritt, erschafft er immer diese speziellen Sounds, die keine Samplebank der Welt besitzt. Es ist wunderbares Spielmaterial, um die „Entfernten Welten“ anzureichern und auch als solche klingen zu lassen. Studiozeit ist auch immer Reisezeit. Man weiß zwar in welche Richtung das Album gehen soll, aber es kommen viele Entdeckungen und Überraschungen dazu, wenn der Klang anfängt sich vollumfänglich zu mischen. Mit Jürgen Block haben wir einen kongenialen Partner und Co-Produzenten gefunden. Sein Studio verfügt über eine lange Reihe wunderbarer Gitarren und Amps, eine prächtige Sammlung guter Mikes und Kompressoren und als Flagschiff ein riesiges SL4048-Pult, dass mal im Londoner BBC 3-Studio stand, auf dem Nirvana ihre Unplugged-Session aufgenommen hatte, seinerzeit. Der Sound ist warm und Jürgen ist unseren Experimenten sehr zugetan. Er gibt uns ein vertrautes Gefühl, das alles richtig ist, jetzt und hier. Wir nehmen Fahrt auf, operieren auch mit Sounddesign und Aufnahmen der Mangan25-Expeditionen. Lawinenabgänge, Brüllaffen und Funkgespräche eines vermissten Bergsteigers am Nanga Parbat. Wir glauben, ein solches Album hat es noch nicht gegeben und freuen uns auf jeden neuen Tag hier, auch wenn der Weg noch lang ist.
0 notes
blogsandowofficial · 7 years
Text
Die rote Suppe läuft
Aus: Tillmann Baerber “Die rote Suppe läuft – ein unvollständiges Krebstagebuch”
6. August 2016
Wandern
Bereits vor 4 Jahren war ich auf der Suche nach irgendeiner Art der Selbsterfahrung oder Herausforderung, um den Krebs verarbeiten zu können. Damals habe ich im Krankenzimmer meist an das Meer, Wind und Sonne gedacht und mein Wunsch wurde stärker, wieder mit dem Windsurfen anzufangen, was ich bis dahin sporadisch betrieben hatte… 
Auch an das Wandern dachte ich, nachdem ich einige Folgen der RBB Dokumentation “Mit einem Esel an die Ostsee” von Michael Kessler gesehen hatte. Doch das blieb eher eine verblassende Idee bis Kai-Uwe mir während der Sandow Foto-Session erzählte, dass er seit einiger Zeit ausgiebige Wanderungen in der Umgebung seines Brandenburger Dorfes unternimmt, um die Wanderschuhe für seine nächste Expedition nach Papua Neuguinea einzulaufen. Genau, warum gleich an den Jakobsweg oder eine Wanderung über 200 km von Potsdam an die Ostsee (mit oder ohne Esel) denken, wenn ich Wanderwege vor der Haustür finde.
Letzten Montag war es dann soweit. Entgegen meinen Befürchtungen konnte ich den 5. Chemotherapie Zyklus mit IFOSFAMID gut wegstecken und kam sehr schnell in “Form”. Im Internet fand ich "66 Wanderwege durch Brandenburg” und der 1. der 66 Wanderwege startete am Potsdamer Luisenplatz und führte über rund 20 km zum Schloß Marquardt.
Inzwischen sind wir wohl alle zu sehr in einem technologischen Denken verfangen, das heißt, zunächst brauchen wir stets eine perfekte Ausrüstung und ein wirklich großes Ziel, damit irgend eines unserer Vorhaben die Zustimmung und Anerkennung unserer Freunde oder Facebook Gemeinde findet, also mindestens das Wandern über den Jakobsweg oder Fahrradfahren über die Alpen. Auch meine Gedanken kreisten sofort um mein altes GPS Gerät und die sieben Jahre alten Wanderstiefel, aber gesagt und getan, eine Karte in die Hand nehmen und loslaufen. In meinem Fall war es eine digitale Karte auf meinem iPhone, aber das ich als IT-Administrator nicht zum vollständigen analogen Purismus neige, sei mir in diesem Fall verziehen. Sollte ich den 6. Chemo-Zyklus auch gut verkraften, wird mich meine nächste Wanderung von Potsdam-Babelsberg nach Werder führen.
22.08.2016
Sterben
Zu oft hört man allgemeine Plattitüden über das Sterben, die in Sätzen wie “dann ist es eben soweit” und ähnlichem münden. Natürlich wird hier die Angst vor dem Sterben verdrängt, aber was es wirklich bedeutet, einem Menschen beim Sterben zuschauen zu müssen, wissen die wenigsten. Das gedankenlose Dahinplappern würde sofort verstummen. Jeder Mensch will leben und nicht sterben, Sterben ist ein Kampf zwischen dem Geist, der den Tod nicht akzeptieren will und dem Körper, dessen Organismus irgendwann versagt. Selbstverständlich kann es schnell und unerwartet passieren, bei einem Verkehrsunfall, bei einem Flugzeugabsturz oder im Schlaf. Im Schlaf ohne Schmerzen zu sterben, wünschen wir uns alle. Aber Sterben ist in den meisten Fällen wirklich ein Kampf zwischen Körper und Geist und inzwischen weiß ich, dass die Aussage “Der Tod war eine Erlösung” leider stimmt.
Während des letzten Chemo Zyklus mußte ich einem 25-jährigem fünf Tage beim Sterben zuschauen. Sein Körper war schon voller Metastasen, am Kopf, in der Leber und an der Wirbelsäule. Dazu noch ein Bruch des Oberschenkelknochens verursacht durch seinen Knochenkrebs. Bei seiner kombinierten Chemo- und Strahlentherapie ging es nur noch darum, Symptome und Schmerzen zu lindern. Über zwei Jahre hatte jede Therapie versagt und eine Heilung erwartete niemand mehr. Die Ärzte und Schwestern wußten es - und ich wußte es nach den 5 gemeinsamen Tagen im Zweibettzimmer. Aber er konnte es immer noch nicht akzeptieren und seine Eltern verstummten an seinem Bett in regelrechter Ratlosigkeit, ohne begreifen zu wollen, dass ihr 25-jähriger Sohn sterben wird.
In vier Nächten fast ohne Schlaf habe ich miterlebt, wie mehrere Körperfunktionen bei einem Menschen regelrecht Amok liefen und nach und nach versagten, obwohl er sich mit aller Kraft dagegen stemmte. Die erste Nacht war bestimmt von ständigen Schweißattacken meines Mitpatienten, die auf die Gabe von Opiaten zurück zu führen sind. In der zweiten Nacht kamen die Rückenschmerzen, die von seinen Schreien begleitet wurden. Nach mehrmaligem Klingeln erschien die Nachtschwester endlich und meinte, er müsse sich eben eine bequemere Position im Bett suchen. Mir fehlten die Worte! Schmerzen, möglicherweise verursacht durch eine Metastase an der Wirbelsäule und eine bequemere Position im Bett suchen? Ich bestand darauf, etwas gegen seine Schmerzen zu unternehmen, vielleicht einen Bereitschafts-Arzt zu rufen, der die Schmerzpatienten in der Nachtschicht betreut. Mein Wunsch nach einem Arzt verhallte im Nichts der Nachtschwester, aber sie würde jetzt nach dem Schmerz-Infusionsapperat suchen (!) und bis dahin einen Tropf legen, um die Zeit zu überbrücken. Gesagt, getan. Leider tropfte die Infusion zunächst nicht und ich hörte nur “Ich kann hier sterben und klingeln, aber es kommt keiner mehr”. Erfahrene Patienten kennen den Trick mit dem Tropf, manchmal hilft es, ihn einfach etwas höher zu hängen, zum Beispiel an eine Schranktür. Somit konnte ich helfen. Nach einigen Minuten kam die Schwester tatsächlich mit der Apparatur und die Schreie gingen bald in ein leichtes Stöhnen und Schnarchen über. Doch gegen 6.30 Uhr waren die Schmerzen zurück. Diesmal bin ich mit meinem Chemo-Apparat gleich zum Stationstresen gerollert und habe mir das Klingeln gespart. Die erfahrene Schwester C. aus der Frühschicht ließ sofort alles liegen und stehen, 2 weitere Schwestern kamen hinzu, um zu helfen und innerhalb der nächsten 30 Minuten war ein Schmerzmediziner am Bett meines Zimmernachbarn. 
Ich glaube, die dritte Nacht war nur ein Dahindämmern unter leichtem Stöhnen, aber in der vierten Nacht wurde ich von einem “Ich spüre meine Beine nicht mehr” geweckt. Mehrmalige Versuche aufzustehen, scheiterten unter Tränen. In der fünften Nacht versagte die Blase, ein Katheter mußte gelegt werden. Am Morgen des fünften Tages wurde mein Zimmernachbar in ein Einzelzimmer verlegt.
23.08.2016
Laufen, Laufen
Meine zweite Wanderung am letzten Freitag hat mich wie geplant von Potsdam nach Werder geführt. Die ersten Kilometer bin ich förmlich losgerannt in der Hoffnung, endlich die immer noch präsenten Erinnerungen an meinen sterbenden Zimmernachbarn aus dem Kopf zu bekommen. Nach einer ersten kurzen Pause am Zeltplatz Pirschheide waren die Bilder tatsächlich verschwunden und ich habe die Umgebung meines Wanderweges überhaupt erst wahrgenommen, davor war es nur ein Laufen, Laufen, Laufen …. Diesmal hatte ich auch auf jegliche Navigation oder Routenplanung verzichtet, der Weg schien mir einfach. In Potsdam geradewegs entlang der Havel bis nach Pirschheide, dann ein Stück durch Glindow, von dort in den Wildpark West, Ankunft am Bahnhof Werder und von dort noch bis zur Insel Werder und dann mit dem Regionalexpress zurück nach Potsdam. Im Wildpark West stand ich dann plötzlich im Nichts einer Waldlichtung, nicht einmal ein Waldweg war mehr zu entdecken und ich mußte mich durch ein Gestrüpp wilder Himbeeren schlagen, die im übrigen aber wunderbar schmeckten. Ich hatte mich in einer Umgebung verlaufen, die nicht tausende Kilometer entfernt in einem unbekannten Dschungel lag, sondern fast vor der Haustür, Orte von denen wir gewöhnlich meinen, sie wären uns vertraut und bekannt. Aber ein Pfad führt herein und ein anderer führt heraus und so fand ich nach kurzer Zeit auf den richtigen Weg zurück.
Die neue Sandow Platte soll “Entfernte Welten” heißen und diese entfernten Welten liegen wohl nicht immer in der Ferne, wir können sie oft in unmittelbarer Nähe entdecken, wir haben es nur vergessen oder verlernt. Auch das Sterben ist so eine verdrängte und vergessene entfernte Welt, die ich jedoch nicht zu schnell erneut betreten möchte!
0 notes
blogsandowofficial · 8 years
Text
Neue Ziele - neues Handeln
Liebe SANDOW-Freunde, wir stehen bei über 9000€ und haben unser Hauptziel die Finanzierung des Albums erreicht. Wir hätten nicht geglaubt, dass das so schnell geht und waren in unseren Träumen vor der Kampagne auch eher bescheiden. Nun haben wir beinahe noch 60 Tage und wir haben nicht vor, die Füße hochzulegen und zu warten, ob es einfach von selbst noch mehr wird, als Sahnehäubchen für Catering, Hotelkosten und was sonst noch so für eine Studioproduktion anfällt. Wir haben nun vor allem die Möglichkeit, länger im Studio zu arbeiten. Genauer, ausführlicher, auch mal die ein oder andere Sache hinterfragen und auszuprobieren. Mehr Budget = mehr Studiozeit = besseres Album. Bei der Veröffentlichung eines Albums gibt es immer noch eine zweite sehr wichtige Komponente, die des Marketings. Bei unseren Alben Stachelhaut oder Anschlag hatten wir dafür keinerlei Budget. Von der Kritik hochgelobt, gingen sie dennoch beinahe unter. Das wollen wir diesmal anders machen. Mit Euer Hilfe wollen wir hier weiter sammeln für ein Promobudget, das unbedingt nötig sein wird. Heutzutage muss man sämtliche Promo nämlich kaufen. Was viele für normalen und freien Journalismus halten, ganz gleich ob Radio oder Print, ist fast immer gekaufter Mediencontent. Nur das weckt die schlafenden Geister in einer Welt der Überschwemmung und Lautschreierei. Also auf zu neuen Zielen, das Fundingziel angepasst und dann erledigen wir diesen Drachen gemeinsam mit Euch gleich mit, wo wir gerade solch einen Lauf haben. Deshalb gehen wir jetzt auf 15000,-€, um alles auf eine optimale Veröffentlichung vorzubereiten. Lasst es uns gemeinsam rocken! Liebe Grüße, Eure Sandowianer!
0 notes
blogsandowofficial · 8 years
Text
Das Shooting
Der Lehm wärmt nur wenig. Die Junisonne spendet noch keine sommerlichen Temperaturen und wir beziehen Stellung im Luch nahe Mochow. Fotosession mit dem slovakischen Fotografen Marek Kucera. Auf einer Wanderung, Wochen zuvor hatten Momo und ich den verwunschenen und abgelegenen Ort entdeckt. Ein renaturierter Sumpf, ein geflutetes Birkenwäldchen, das sich gerade in einen Urwald zurückverwandelt. Unweit davon gelegen ein kleiner Waldsee. Der perfekte Ort für unseren „Entfernte Welten“-Shoot. Zur Vorbereitung unserer Mangan-Papua-Expedition war ich viele Kilometer in meiner Umgebung gewandert und konnte überraschenderweise noch viel Wildnis entdecken. Das meiste, was wir Natur nennen, ist ja Plantage. Die deutsche Ordnung eines herkömmlichen Kiefernwaldes hat deshalb nur wenig Poesie. Hier aber lag sie betörend vor einem. Der von Chris angemischte Lehm verleiht uns ein bizarres Aussehen und wir brechen immer wieder in Lachen aus. Das ganze ist natürlich eine Reminiszenz an die legendären Lehmfotos von Peter Gruchot und wenn man eine lange Geschichte hinter sich hat, sind Selbstzitate oft ein probates Mittel der Autokontinuität. „Okay, seid ihr soweit?“ Mareks Hurvinek & Spejbl-Akzent soll den Sound des Tages angenehm prägen und wir gehen auf Position.
Die Nacktheit beginnt uns zunehmend zu verwandeln. Ein pathetisches Posing scheint sich von selbst zu verbieten. Wir sehen nicht nur aus wir Urmenschen, wir beginnen uns auch so zu bewegen, wie eine Jägerrotte. Darüber hatten wir gar nicht gesprochen, es entsteht wie von selbst. Wir fühlen uns wie eine verletzliche Horde, die auf der Nahrungssuche Obacht geben muß. Wilde Tiere, der menschenfressende Nachbarstamm, Geister im Luch – das wären unsere natürlichen Feinde. Und alles ist plötzlich sehr greibar! Das Habitat und die lehmige Nacktheit erinnern unsere Körper an ihre Herkunft. Es ist verblüffend, wie tief die archaische Erinnerung noch in einem steckt. Wir schleichen, pirschen, lauern und wittern. Wir sind eine geschlossene Gruppe, eine Einheit, eine Band. Niemand braucht uns zu sagen, was wir tun müssen, wir wissen es. Zulange schon sind wir zusammen und nicht gerade im Sternenhimmel, sondern kaum bezahlt, oft arg gelitten, Gefahren ausgewichen und selbst welche geschaffen. Die Band hat eine eigene Aura.
Die erste Staffel ist durch. Rena und Momo reichen uns unsere Decken zum Aufwärmen. Wie seltsam, wir haben alle gelbe Decken und weiße Laken mitgebracht. Was für ein Zufall. Wir schauen uns an und müssen erneut lachen. Jetzt schauen wir wie buddhistische Mönche aus. Marek lässt die Kamera rattern. Wir streunen durchs Unterholz zum kleinen Waldsee und haben by the way das nächste Motiv geschossen. Am See legen wir uns ins Wasser und der Lehm löst sich langsam von unseren Körpern. Auch dieses Motiv ein Reminder an ein anderes legendäres Peter Gruchot-Foto von 1998 zum Stachelhaut-Album. Nur ist hier alles rot, blutrot. Es wirkt, als schweben wir in einer blutigen Wolke. Die Heiden in Papua nannten vor hundert Jahren die ersten getauften Christen, die „Abgewaschenen“. Der Zusammenhang soll uns erst später gewahr werden. Marek klettert auf eine Leiter, damit er genau über uns zum Schuß kommt. Motiv drei ist im Kasten.
Dann geht es in die „Wüste“ von Mochlitz. Ein Hang wurde weggebaggert, um Bauland zu schaffen. Eine um 90 Grad hochgeklappte Miniaturlandschaft. Auch diesen Ort haben wir auf einer Wanderung entdeckt. Marek checkt die Perspektiven und wir albern etwas rum und führen, inzwischen in schwarzen Anzügen steckend, unser altes „Krank“-Tänzchen auf. Just for fun. Die beinahe 20 Jahre alte Choreo von Kai Grehn haben wir alle noch gut intus und Marek hält drauf. Ein weiteres Motiv entsteht. Als nächstes posen wir etwas herum und merken: das ist es nicht. Wir probieren es mit den Urmenschen-moves vom Vormittag. Schleichen, pirschen, auf der Hut sein und merken sofort, dass das ein Volltreffer ist.
Die Sonne ist längst untergegangen und wir haben den Grill angeschmissen und einiges mehr. Wir schauen die Fotos an. Jedes zweite ist ein Treffer. Eine unglaubliche Quote bei 500 Bildern. Wir meinen gar einen roten Pfaden zu erkennen. Eine Geschichte in der Geschichte, eine Mini-Evolution. Vom Urmensch, zum Mönch, zum zivilisierten Homo sapiens, in dem immer noch ein Raubtier steckt. Wir haben an einem Tag soviel geschafft, wofür andere aufwendig Setdesigner, Choreografen und Lichtcrews beschäftigen müßten. Wir waren zu siebent. Momo, Rena, Marek und wir vier Musiker. Uns wurde das nicht gerade her geschenkt, aber es ist wohl Erfahrung und Intuition, die uns auf die richtige Spur gebracht haben. Ein typischer Sandow-Tag geht gläserklirrend zu Ende. kuk     
0 notes
blogsandowofficial · 8 years
Video
Danke!!!!!
0 notes
blogsandowofficial · 8 years
Photo
Tumblr media
Danke!
0 notes
blogsandowofficial · 8 years
Text
Der Hammer
Jetzt läuft die Kampagne eine gute Woche und wir haben schon die Hälfte im Kasten. Es ist das Gefühl einer erneuten Wiederauferstehung. Aber auch das von einer bärigen Lässigkeit. Wir schmeißen die Giftküche wieder an mit der schönen und betörenden Gewißheit, dass diesmal nicht alleine zu tun. Nach 34 Jahren hat man natürlich allerlei auf dem Tacho und manchen Fight hinter sich. Aber vor allem hat man eine breite Schneise der Verfreundung und Begegnung hinter sich geschlagen; tausende Menschen, die diese Band mal gesehen, mal gut fanden, und wieder vergessen haben, dennoch etwas mit ihr verbinden. Die Diaspora der SANDOW-Community ist überall spürbar. Egal wo ich hinkomme, ob auf einen Filmset von Eoin Moore oder in das Goetheinstitut von Caracas, überall sitzt jemand und kennt SANDOW. Ach das war doch...cool...genau. Das gilt es jetzt zu mobilisieren. Aus dem war doch, ein ist jetzt zu formen. Oder wie Scharnegger sagt: „...es steht uns nicht an, einfach durch die Welt zu albern, wir haben hier etwas zu klären. Grundsätzlich.“ Weil diese Welt falsch organisiert ist, weil wir selbst falsch organisiert sind oder zulassen, dass das andere mit wenig ehrbaren Absichten seit Jahrhunderten übernommen haben. Manès Sperber schrieb „Auch wer gegen den Strom schwimmt, schwimmt im Strom“ und das war mir immer ein einleuchtender Wegweiser. Denn selbst wenn wir den Scheißladen knacken könnten, wenn wir einen Umturz auf den Weg bringen könnten, (denn meine Lieben es geht immer um Revolution), wir hätten nicht die geringste Ahnung, was wir an die Stelle des blutsaugenden, hirnverbrannten, konsumnotgeilen Kapitalismus setzen sollten. Uns erginge es wie Humboldt, den das 1848-Revolutionsvolk an die Führung wünschte, weil er der einzige war, dem sie diese anvertrauen wollten. Hum-Baby stieg auf den Balkon des Berliner Stadtschlosses und hatte keinen Text. Er verbeugte sich nur stumm vor den Helden des Märzes.
Mir geht es ähnlich. Ich habe auch keinerlei Idee für irgendeine Lösung, aber mich hat es stets gerufen, weit hinaus zu fahren in die Welt, um mich zumindest zu inspirieren, in irgendeiner Art von vorne anzufangen, mit dem eigenen Denken. Und so begegne ich im abgeschiedenen Hinterländ der Houn-Halbinsel in Papua lebendigen Gemeinden, die ein autarkes, mir gerecht erscheindes Gemeinwesen leben. Ihr Urwald-Dasein ist bescheiden, aber fröhlich, sie verhökern ihre Bodenschätze nicht und pflegen ihre eigene Stammesgerichtsbarkeit. Das sind Erfahrungen eines Reisenden und Schätze meiner selbstrecherchierten Gewißheiten. Oder wie Nietzsche sagte, man muß einen gehörigen Abstand zwischen sich und der Zivilisation schaffen, um sich überhaupt noch ein Urteil darüber bilden zu können. Wir werden mit „Entfernte Welten“ diesen Weg gehen. Mit vielen Freunden und Künstlern, die wir schätzen und mit Euch, die uns dafür auf die Reise schicken. Das fühlt sich gut an. Eine bärige Lässigkeit, wie ich schon schrob. Das alte Mutterschiff ist jederzeit gefechtsbereit. Wir bringen das jetzt.
Ich muß an unseren Hammer denken. Eines unserer Bandsymbole. Anfang der neunziger Jahre war es das prägende Zeichen des Plakates von Hans Scheuerecker für unsere Massenperformance „Ngoma“. Der Hammer stand immer für eine gemeinsame Energie, für die Tat. Für das Anschlag-Album-Cover hat es Chris Hinze zu einer Metall-Skultur nach einer Skizze von Hans geformt. Wir haben sie feierlich im Tagebau von Jänschwalde in Benzin getaucht und angefackelt. Später holten wir den Hammer für die Tour auf die Bühne und Chris übergoß ihn jedesmal mit Benzin und der Hammer brannte lichterloh. Im Potsdamer Waschhaus 1994 bemächtigte sich unsere Vorband des Benzinkanisters (sie hatte die Wirkung bei den vorangegangenen gemeinsamen Shows studiert) und kippte den Treibstoff kurzerhand ins aufgeschreckte Publikum. Es war der Beginn einer beispiellosen Weltkarriere, aber nicht der unseren, sondern der von Rammstein. Den Hammer hingegen interressierte das nicht die Bohne. Er bereiste mit uns Deutschland und ließ sich Abend für Abend anzünden. Dann kam das Konzert in Bernau und danach wurde unser Bandbus ausgeraubt. Auch der Hammer war gestohlen. Gebildete Diebe.
Viele Jahre vergingen. Unser alter Manager besuchte einen Freund und sah in dessen Wohnung ein kaputtes Metallvehikel an dessen Schlafzimmerwand (sic!) als Wandlampe hängen. Der SANDOW-Hammer! „Wo...wo hast Du denn den her?“ - „Von der Müllkippe“. Von wegen gebildete Diebe. Der Hammer auf einer Deponie... Der ärmste war nur noch ein Schatten seiner selbst, von Rost zerfressen, die Schweißnähte aufgesprungen und notdürfig getaped. Aber er hatte überlebt, der Original-SANDOW-Hammer! Es war ein Wunder, eines das in uns ruht und natürlich unseren Episodenschatz und Pathos füttert. Bis heute. Wo diese Kampagne läuft und wir immer noch auf der Spur seiner Kraftlinie sind. Es ist so eine typische Geschichte um uns. Ich werde versuchen, ein paar der alten Perlen hier im Block auf eine Kette zu fädeln. Bleibt also dran...käptn kuk
0 notes