Tumgik
#pessimisus
fabiansteinhauer · 5 months
Text
Tumblr media
Was wissen wir vom Mord?
Manchmal juckt es mich auch in den Fingern.
Die Leute teilen die Bildern von Kriegstoten auf tumblr, sie machen es immer wohl sortiert. Die einen zeigen solche Toten, von denen sie sagen, das seien keine Juden und keine Israelis, aber Palästinenser (man scheint auch im Tod noch einen Pass zu besitzen und nur vorsortierten Leuten anzugehören) und die anderen zeigen nur Tote, von denen sie sagen, das seien Juden und Israelis, aber keine Palästinenser (man scheint auch im Tod noch einen Pass zu besitzen und nur vorsortierten Leuten anzugehören). Die erstaunliche Sortiertheit der geteilten Bilder, die reinliche Mitteilung, die standfest-ständige Positionierung, die gleichzeitig über blutschverschmierte Körper und davon Abgetrenntes läuft, die ist begrifflich vielfältig fassbar, man kann da sehr viel zu sagen, abtun lässt es sich wohl nicht, die Leute wollen sortieren und tun es. Sie wollen sortiert vom Mord wissen und wissen lassen. Sie werden so recherchiert haben, wie das Leute eben tun.
Die Leute wissen auch was sie tun, wenn sie geradezu wie mit liniertem Millimeterpapier sortierte zerfetzte Körper nur von denen einen und niemals von den anderen zeigen. Es hilft nichts, dass man kotzen möchte. Die Leute wissen, dass man nicht über die Leichen kotzen möchte, sondern über das Milimeterpapier und die Sortiertheit, mit der das alles in den Netzwerken fein säuberlich distribuiert wird. Sie machen es trotzdem, nicht unbedingt weil sie regungsgeil sind. Gründe gibt es viele am Rheine und am Nile. Es sind ja auch soziale Netzwerke, die bestehen aus Linien und Knoten und sind the law/ the love of Sortiment. Die Leute teilen die Bilder der Toten, als wären das Unterschriftenlisten und hängen hochengagiert ihren Namen darunter. Die Leute wollen wissen, wer mordet.
Es gibt nicht einen Fitzlelchen Indiz dafür, optimistisch sein zu können, es gibt nur Indizien dafür, seinen Pessimisus organisieren zu müssen, oben drauf Sahnehäubchen: ihn irgendwie noch fröhlich zu organisieren.
Mich juckt nicht in den Fingern, an den sortierten Mitteilungen der Morde teilzunehmen, never! Ich brauche nicht einmal Jesuiten, die mir sagen, dass die Reproduktion des Mordes den Mord reproduziert. Mich juckt es statt dessen in den Fingern, den Sortierern einfach mal eine kräftige Ohrfeige zu geben. Ihr wisst doch, wie bekloppt die Sortierung ist, redet euch nicht damit raus, ihr wäret aber auf Seiten der größeren Opfer, ihr Idioten, und stündet tapfer den größeren Tätern entgegen. Ohrfeigen tue ich deswegen nicht, weil ich das nicht trainiert habe und das technisch gar nicht hinbekomme. Nur die körperlich mangelhafte Ressource hält mich zurück. Es juckt.
2.
Die Institution des Mordes lässt Antike nachleben. Zu seinem Text über Dürer und die Antike, den Tod des Orfeus und den Begriff der Pathosformel sammelt Warburg Zeitungsnachrichten von aktuellen Morden und kommentiert das mit seiner Sorge um kehrende Wesen, in dem Fall auch ein Wesen, das er Bestie, ewig wiederkehrend und Mensch nennt. Er hält diese Zettel in seinem Zettelkasten zurück.b1929 wird er sogar den Mord an Matteotti nur wie in einer Black Box versteckt zeigen.
In der Institution des Mordes lebt unter anderem segmentäre Differenzierung nach. Der Mörder und seine Richter differenzieren segmentär, wer segmentär tötet, darf von sich glauben, eine absolute und superlative Tat vollbracht zu haben. Der Mörder und seine Richter finden in der selben Institution ihre Worte und Bilder, ihre Orientierungen und Handlungen. Von wem festgestellt wird, dass er segmentär getötet hat, der darf als Mörder gelten und auch bestraft werden. Ich würde das gerne ändern, die Größe wenigstens kleiner stückeln, aber der Anspruch ist in gewisser Hinsicht lächerlich und närrisch.
6 notes · View notes