Lellinger: The way I love you - Part 10 /10
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With a soft sigh. Past exhaustion and frustration and despair, like it’s the only good thing left. Sometimes it is.| 1.1k
April 2020, Weißbach
Der Himmel über seiner Heimat ist strahlend blau. Die Sonne scheint, der Wind gleicht einer lauen Brise – für April ist es ungewöhnlich warm. Der Garten seines Elternhauses erstreckt sich vor ihm, gepflegt sieht er aus. Die ländliche Idylle wird von Vogelgezwitscher begleitet, während Andreas auf dem hölzernen Balkon sitzt und missmutig die Augen schließt. Eigentlich sollte er die Ruhe und das gute Wetter genießen – unter normalen Umständen würde er das vermutlich auch tun. Von der gewohnten Normalität ist derzeit allerdings nicht mehr viel übrig, auch wenn die malerische Szenerie, in der er sich befindet, etwas anderes vermuten lässt.
Die Welt befindet sich seit einigen Wochen in einem Ausnahmezustand, Corona hat die Nachrichten und das Leben aller fest im Griff. Das Virus grassiert und hat alles bis dato Gekannte auf den Kopf gestellt. Kontaktbeschränkungen, überfüllte Krankenhäuser, leere Straßen – nichts ist mehr so, wie es vorher war. Er selbst wäre beinahe nicht mehr zurück nach Deutschland gekommen, als er seine Schwester im März in Australien besucht hat. Die Zeit dort war wunderschön und unbeschwert – zum ersten Mal seit langer Zeit hatte er dort das Gefühl, endlich wieder im Moment zu leben. Er konnte abschalten und seine eigene Verletzungsmisere des vergangenen Jahres ausblenden.
Zumindest so lange, bis Stephan Anfang März gestürzt ist und sich ebenfalls sein Kreuzband gerissen hat. Die Nachricht hat ihn jäh auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Er hat seinen Freund umgehend angerufen und war bereits dabei, seinen Rückflug vorzuverlegen, aber Stephan hat darauf bestanden, dass er in Down Under bleibt. So entspannt wie die letzten Tage hab’ ich dich lang nicht mehr gesehen, bleib'. Bitte. Dabei hat er ihn fast schon flehend angesehen, als sie gefacetimed haben. Hier kannst du eh nichts machen, bleib' so lang wie geplant – ich lauf' nicht weg hat er gesagt und Andreas musste tatsächlich schmunzeln. Andreas ist geblieben, auch wenn zu diesem Zeitpunkt bereits die ersten Reisewarnungen wegen des Coronavirus ausgesprochen wurden.
Ernst genommen hat er sie nicht, wie so viele andere auch. Was soll schon passieren, hat er zu seiner Schwester bei einem gemeinsamen Abendessen gesagt. Sie sehen sich ohnehin viel zu selten, seit Julia in Australien lebt. Er hat die nächsten zwei Wochen mit ihr mehr als genossen, die neu gewonnene Leichtigkeit hat ihm unfassbar gutgetan.
Vermutlich hätte er dennoch abreisen sollen, aber später ist man immer klüger, heißt es. Im Nachhinein betrachtet ist es auch nicht sonderlich klug gewesen, bei stärkerem Wellengang surfen zu gehen. Andreas hat es trotzdem getan und dafür die Quittung bekommen. Eine Welle hat ihn unvorbereitet erwischt und ihn von seinem Bord geworfen - dabei ist unglücklich mit seinem Schlüsselbein auf dem Bord aufgeprallt und hat es sich prompt gebrochen. Der heiße Schmerz hat ihm im ersten Moment den Atem geraubt, dann war er auch schon unter Wasser. Zum Glück war er bereits relativ nah am Strand, sodass er sich schnell aus dem Wasser begeben konnte – aber ihm ist in diesem Moment klar geworden, dass die Verletzung ernst sein muss.
Stunden später ist er bereits operiert worden. Als er später aus der Narkose wach geworden ist, war ihm zum Heulen zumute. Wieder ein Rückschlag, dabei wollte er diesen Sommer doch endlich wieder voll ins Mannschaftstraining einsteigen. Wieder Schmerzen, wieder Reha, alles wieder von vorne. Dazu noch Stephan, der ihn dieses Mal nicht mit seinem unerschütterlichen Glauben unterstützen können wird, weil der seinen ganz eigenen Leidensweg vor sich hat.
Hinzu kam, dass sein geplanter Rückflug wegen des Virus annulliert wurde und er deswegen beinahe nicht hatte ausreisen können. Ja, Andreas hätte seinem ersten Impuls nachgeben sollen. Dann würde er jetzt nicht mit geschientem Arm bei seinen Eltern auf dem Balkon sitzen, sondern fit bei Stephan sein und zur Abwechslung mal für ihn da sein können. Hätte ihm im Alltag helfen können, weil er weiß, was Stephan gerade durchmacht und an welcher Stelle er ihm das Leben leichter machen kann. Er hätte ihm Tag für Tag sagen können, dass er an ihn glaubt und dass das alles wieder wird, hätte Stephans Launen ausgehalten und ihm gezeigt, dass er sich auf ihn verlassen kann. Dass er ihn liebt – in guten wie in schlechten Zeiten, egal wie kitschig sich das anhört.
Andreas hätte so vieles tun können, aber die Realität sieht anders aus. In ihr hat er jedes Mal starke Schmerzen, wenn er seine rechte Schulter nur leicht bewegt und Stephan hat er seit über einem Monat nicht mehr persönlich gesehen – Andreas fühlt sich schlicht und ergreifend miserabel. Er ist erschöpft, kann nachts kaum schlafen, weil seine Schulter dumpf pocht und seine Gedanken rasen. Seine Laune ist unfassbar schlecht, er spricht mit seinen Eltern häufig nur das Nötigste, obwohl sie die Letzten sind, an denen er seinen Frust herauslassen sollte. Andreas weiß, wie privilegiert er eigentlich ist. Seine Eltern kümmern sich liebevoll um ihn – er ist nicht allein wie so viele andere Menschen in der aktuellen Situation. Er weiß das alles, aber es ändert nichts daran, dass er unglaublich enttäuscht und wütend ist. Auf sich selbst am meisten, was ihn nur noch frustrierter werden lässt. Dazu kommt, dass er Stephan wahnsinnig vermisst und ihm gegenüber ein unglaublich schlechtes Gewissen hat. Der wiederum hat ihm vorhin am Telefon gesagt, dass er das nicht haben muss, Unfälle passieren, Andi, und war wie immer unglaublich verständnisvoll.
Sie telefonieren oder facetimen täglich und Andreas ist unfassbar froh über diese Routine. Manchmal witzelt Stephan darüber, dass sie ab nächstem Jahr das Kreuzbandzimmer sein werden. Er plant voraus, glaubt an sie beide und lächelt wissend in die Kamera, wenn er davon spricht. Ohne Stephan würde er durchdrehen, da ist Andreas sich sicher. Andreas bewundert ihn für seine Stärke, seine Ruhe und seine Zuversicht – vorhin hat er ihm genau das auch gesagt. Stephan ist ein wenig rot geworden, während sich ein Strahlen auf sein Gesicht gelegt hat. Bei dem Anblick hat sich eine bekannte, wohlige Wärme in Andreas' Bauch ausgebreitet, während sein Herz etwas schneller geschlagen hat. Das leise geseufzte Ich liebe dich konnte und wollte er nicht zurückhalten, weil er es genau in diesem Moment überdeutlich gespürt hat. Ich liebe dich auch hat Stephan ohne zu zögern geantwortet, bevor sie sich kurz darauf voneinander verabschiedet haben.
Inzwischen hat sich ein leichtes Lächeln auf Andreas' Lippen gebildet. Er öffnet die Augen, blinzelt der Sonne entgegen, atmet tief ein und wieder aus. Zwischen all dem Frust glimmt zum ersten Mal seit seiner erneuten Verletzung ein wenig Zuversicht. Wenn alles um ihn herum zusammenbricht, nichts mehr so ist, wie es war, und alles schief zu laufen scheint, dann ist da immer noch Stephan. Stephan, den er liebt und der genau dasselbe für ihn fühlt.
Wenn das am Ende bleibt, ist alles mehr als okay.
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Überall in den deutschen Städten höre ich die russische Sprache. Es sind nicht nur Geflüchtete aus der Ostukraine, die Russisch sprechen. Nein, die meisten sind meine Landsleute, die aus Russland geflüchtet sind. Berlin ist in dieser Hinsicht ein besonders begehrenswertes Ziel dieser neuen Migranten. Im vorigen Jahrhundert flüchteten viele Russen vor der Revolution nach Berlin, vor allen die Kulturschaffenden ließen sich hier nieder. Die meisten Dichter und Denker siedelten sich damals in Charlottenburg und Tiergarten ein. Viele berühmte Bücher von russischen Autoren wurden damals in Berlin geschrieben und gedruckt. In den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts wurden in Berlin mehr Bücher und Zeitschriften in russischer Sprache gedruckt als in der Sprache der hiesigen Leserinnen und Leser. Mein Lieblingsbuch aus dieser Zeit heißt "Zoo. Briefe nicht über Liebe". Sein Autor lebte in Charlottenburg, in der Nähe des Zoos, er konnte nachts nicht schlafen, weil die Elefanten in ihrem Gehege zu laut schnarchten und nachtaktive Vögel wie verrückt schrien.
"Wir sind wie exotische Tiere in unserem Berliner Gehege, wir sitzen fest im goldenen Käfig des Auslands, aber unsere Gedanken sind in der Heimat“, schrieb er. Bald darauf gingen er und etliche andere Künstler zurück in die Sowjetunion, die meisten wurden verhaftet, ins Lager gesteckt, gefoltert und ermordet. Der Autor der "Zoo"-Geschichte hatte Glück, er überlebte Stalin und beinahe überlebte er die Sowjetunion, so steinalt wurde er. Sein Buch, das die Geschichte der damaligen Migration schildert, ist inzwischen hundert Jahre alt und was haben wir aus der Geschichte gelernt? fragen sich die Russen. Gar nichts. Die Geschichte der plötzlich erzwungenen Auswanderung wiederholt sich. Tausende Russen mussten ihre Heimat schnell, quasi über Nacht, verlassen, weil sie dem autoritären Staat zu gefährlich waren. Sie sind vor Putins Regime, vor Repressalien und Mobilisierung geflüchtet. Neben jungen Studenten, die nicht in die Armee eingezogen werden wollten, sind es politische Aktivisten, Wissenschaftler und Künstler, vor allem meine Kollegen, die Schriftsteller. Beinahe alle russischen Bestellerautoren sind in Europa gestrandet, nicht wenige in Berlin. Was machen sie? Diese Menschen schreiben weiter Bücher, sie veröffentlichen Anthologien und produzieren Zeitschriften, andere eröffnen Buchläden, veranstalten Lesungen und Kongresse ohne Zahl, doch Berlin bleibt für sie ein Zoo, in dem sie wie exotische Tiere in einem Käfig sitzen, ihre Gedanken sind in der Heimat. Die zwei Jahren des Krieges sind schnell vorüber gegangen, jeden Tag suchte man gute Nachrichten aus der Heimat, nach jeder kleinsten Protestaktion titelten die oppositionellen Blätter, die alle selbst längst im sicheren Ausland sitzen, Putins Regime sei am Ende. Es schien tatsächlich so: die plötzliche Faschisierung des Kremls kann sich nicht mehr lange halten, ob unter Sanktionen oder durch Sabotage würde das Regime bald nachgeben müssen und die Migranten könnten zurück nach Hause fahren. Schließlich wissen wir aus Hollywoodfilmen, dass das Gute am Ende immer über das Böse siegt, manchmal dauert es unerträglich lange, doch selbst der längste Film ist nach drei Stunden zu Ende.
Unser Kriegsfilm hat sich über zwei Jahre hingezogen und ein Ende ist noch immer nicht in Sicht. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Lange Zeit gehörte es zum schlechtem Ton in diesem Milieu, sich als „Migrant“ zu bezeichnen. Man hat sich „Relokant“ genannt, „Relokation“ bedeutet einen vorübergehenden Platzwechsel. Inzwischen packen immer mehr „Relokanten“ ihre Koffer aus und werden zu Migranten. Sie schauen sich um und versuchen einen Neuanfang, in ihren Gedanken bleiben sie trotzdem in der Heimat, ihr Tag beginnt mit Nachrichten aus der Heimat. Sie sind untröstlich. Letztes Jahr haben 195.500 LehrerInnen in Russland gekündigt, mehr als in zehn Jahren davor, sie werden durch neue „Erzieher“ ersetzt. Präsident Putin, der in der letzten Zeit gerne als Lehrer und Erzieher auftritt, Geschichtsunterricht oder Staatskunde zum Besten gibt, hat einen Wettbewerb für die neuen Erzieher ausgerufen unter dem Motto „Mehr sein als scheinen“. Dieser Wettbewerb soll laut Ankündigung „Breite Bevölkerungsschichten in patriotische Erziehungsmaßnahmen einbeziehen“. Die Tatsache, dass der Spruch von den nationalpolitischen Erziehungsanstalten des Dritten Reiches übernommen wurde, die im Nationalsozialismus Nachwuchskader für die SS ausbildeten, wird schlicht ausgeblendet. Die weggegangenen Relokanten, werden in der Heimat mittlerweile als Staatsfeinde gebrandmarkt, als Heimatverräter und „ausländische Agenten“ d.h. sie dürfen kein Geld mehr aus Russland beziehen, ihr Besitz wird enteignet, sie selbst werden mit einer Art Fatwa belegt, es sind Gesetzlose, zum Abschuss freigegebene, sollten sie jemals dem russischen Staat nahe kommen. Immer mehr erinnern mich die Russen an die Iraner, die ich in Deutschland kenne. Ich kenne sogar einige in Berlin, die noch vor islamischer Revolution geflüchtet sind und auch Jahre, gar jahrzehntelang mit dem Gedanken einer baldigen Rückkehr geliebäugelt hatten. Inzwischen sind sie sehr alt geworden, veranstalten trotzdem immer noch jedes Jahr ihren Kongress der „liberalen iranischen Kräfte“ im Mauerpark, grillen Würstchen und hören Musik. Von weitem sind sie leicht mit einer türkischen Hochzeitsgesellschaft zu verwechseln. Ihre Kinder kommen aus Höflichkeit zu den Kongressen mit.
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Chaos – oder in anderen Worten: Adam
Im Auftrag von @unknownselfstrugglefighter kommt hier die Fanfic für @bibastibootz mit dem folgenden Prompt: "Leo kommt nach Hause und Adam überrascht ihn mit selbstgemachtem Abendessen. Sie sind noch kein Paar, aber vielleicht ändert sich das an diesem Abend?" - für den Secret Spatort Prompt Exchange 2023.
Adam war langweilig. So scheiß langweilig.
Zwei Wochen war es nun her, dass er aus der Lerchesflur entlassen wurde und seitdem krankgeschrieben war. Mit gebrochenen Fingern war er ja auch nicht grade einsatzfähig.
Und so lag er nun, am Nachmittag, auf der Couch. Nicht irgendeiner Couch; Nein, Leo‘s Couch. Leo, der am Tor der JVA auf ihn zugekommen war, ihn in die Arme geschlossen und seit diesem Moment nicht den geringsten Gedanken daran verschwendet hatte, Adam zu dessen Wohnung zu fahren. Nein, Leo hatte Adam ohne jene Anmerkung, als wäre es ganz selbstverständlich, mit nach Hause genommen.
Und das war jetzt nun so. Eine schräge WG. Die ein noch schrägeres Gefühl in Adam auslöste; eines, welches er nicht beschreiben konnte, außer, dass es sich komisch anfühlte.
Leo hatte ewig mit Adam diskutiert, dass er Adam ganz sicher nicht in seiner Chaos-Bude vergammeln lassen würde und schließlich hatte Adam nachgeben müssen.
Seit zwei Wochen lag Adam auf der Couch und tat eigentlich nichts, außer grübeln und aus den Augenwinkeln die Leute im Fernsehen zu betrachten.
Er fühlte sich irgendwie unwohl, und das lag definitiv nicht an Leo‘s Wohnung, denn die war so perfekt wie er es noch nie gesehen hatte. Alles stand an seinem Platz, nichts lag im Weg, Chaos existierte nicht. Die Altbauwohnung war geradezu steril. Sie war gemütlich, und trotzdem war es die Umgebung, die Adam zeigte, dass er nicht hier hingehörte. In diese saubere und scheinbar perfekte Welt.
Vielleicht fühlte er sich aber auch nur so dreckig, weil er mal wieder eine Dusche hinauszögerte. Duschen, in seiner jetzigen Situation, war scheiße; deshalb hatte er sich auch erst dreimal, seit seinem verlassen der JVA, dazu durchringen können.
Die Langeweile drohte ihn zu erdrücken. Er sah sich verzweifelt um; schaute kurz zur Glotze, bevor er sie abschaltete, guckte aus dem Fenster, wo auch nichts spannendes passierte, und beäugte das hölzerne prall gefüllte Bücherregal.
Leo hatte zwar schon seit Adams vorübergehenden Einzug gesagt, er könne sich gerne alle durchlesen, insofern er das mochte, aber Adam traute sich nicht, sie auch nur einen Zentimeter aus ihrem Regal zu bewegen. Er traute sich irgendwie nicht, überhaupt etwas hier anzufassen. Er würde nur alles dreckig machen und Chaos in diese perfekte Wohnung bringen.
Aber irgendetwas musste er tun, sonst bekam er nur die Krise. Ein Vorteil an Ganztagsarbeit war, dass man verpasste, wie viel Scheiße so eigentlich im Fernsehen lief. Adam hatte es gerade so ausgehalten, wie er die letzte Zeit auch einfach nur ausgehalten hatte, aber jetzt drohte der seidene Faden der erzwungenen Entspannung zu reißen.
So viel hatte Leo für ihn getan.
Und Adam war sich nicht sicher, ob das so gut für ihn war. So langsam würde er nämlich alles zerstören.
Er, Adam, würde Leo langsam aber sicher zerstören.
Hatte er sich überhaupt mal bei Leo bedankt? Wenn ja, konnte er sich nicht erinnern. Na toll, da machte Leo immer so viel, und Adam bedankte sich, wenn überhaupt, kaum.
Sein Magen rumorte. Wie lange war es her, dass er etwas gegessen hatte?
Pling!
Die Idee kam ganz plötzlich. Adam würde etwas für Leo kochen! Hatte er schonmal etwas ohne die Hilfe einer Mikrowelle gekocht? Nein, aber wenn alle Idioten das schafften, konnte es doch wirklich nicht so schwer sein.
Schwermütig erhob er sich vom Sofa und schleifte sich in die Küche.
Er öffnete den Kühlschrank und beäugte ihn intensiv. Er war gut gefüllt, wie immer. Adam ließ seinen Blick etwas weiter streifen, auch durch andere Schränke. Und dann fand er es: eine Konservendose, dessen Beschriftung folgendes bildete: Tortellini.
Dosentortellini. Allzu schwer konnte das ja nicht sein!
Er fischte die Dose aus dem Regal und schloss es mit seiner Schulter. Dann suchte er nach einem passenden Topf. Er wusste, für Spaghetti brauchte man einen tiefen Topf, also konnte es bei anderen Nudeln ja nicht anders sein. Adam nahm nicht irgendeinen Topf. Nein, er holte einen Suppentopf hervor.
Obwohl das Schrankregal mit den Töpfen direkt auf seiner Augenhöhe war, hatte er Schwierigkeiten den Topf einhändig aus dem Schrank zu hieven.
Es gab ein lautes Scheppern, als der Topf auf den Boden aufschlug. Adam hatte ihn nicht mehr halten können. Dem Topf war nichts passiert, bis auf einen Kratzer. Na super, da würde Leo sich richtig drüber freuen.
Nicht drüber nachdenken, einfach weitermachen, als wäre nichts geschehen. Das war Adams Devise seit eh und je.
Er hievte den Suppentopf auf den Herd und schaltete ihn ein. 60 Grad, so hatte er es eben im Internet gelesen. Musste das Wasser in den Topf bevor oder nachdem die Tortellini drin waren? Er machte einfach mal. Mehr als schiefgehen, konnte es ja nicht. Er schnappte sich einen zweiten Topf und ließ das Wasser der Spüle hinein. Heißes Wasser; konnte doch nur behilflich sein, oder? Er stellte den Wasserhahn ab und kippte den Inhalt des zweiten Topfes in den Suppentopf. Dann stellte er den zweiten Topf in die Spüle und kramte einhändig nach einem Dosenöffner.
Adam blickte etwas verzweifelt den Dosenöffner an. Nur wenige Momente später saß er auf dem Fußboden, die Konservendose zwischen seinen Füßen eingeklemmt und versuchte einhändig den Öffner um die Dose zu drehen. Klappte aber natürlich nicht.
„Scheiße!“, murmelte Adam, als er beim ersten Mal abrutschte, „Fuck!“, brüllte er, als es zum 26. Mal passierte. Er war kurz davor die Dose durch die gesamte Wohnung zu pfeffern, damit sie endlich aufging. Das einzige, was Adam davon abhielt es auch wirklich zu tun, war die Vorstellung von Leos enttäuschtem Gesicht.
„Willst du das Messer zu spüren kriegen, du scheiß Blechdose, oder was?“, schnauzte er die Tortellini an. Adam stellte sich dabei sein Schweizer Taschenmesser vor, das, wie er schnell bemerkte, leider noch im Präsidium lag. Dann aber fiel ihm etwas auf, etwas, das er in seiner Rage ganz offensichtlich übersehen hatte: das Ding hatte so eine Metalllasche am Deckel. Damit man es einfacher öffnen konnte.
Nachdem er das begriffen und die Wut darüber, wie er hatte so blind sein können, wieder etwas abgenommen hatte, machte er sich daran sie zu öffnen. Und siehe da: es funktionierte. Adam erhob sich vom Küchenboden und war bereit die Tortellini in den Topf zu schütten, als er bemerkte, dass das Wasser im Topf brodelte. Oh, und wie das brodelte. Ein bisschen verängstigt schüttete er den Inhalt der Konservendose hinein, und prompt fiel die Blechdose gleich hinterher.
„Scheiße!“, zischte er, griff der Dose nach und fischte sie aus dem kochend heißen Wasser. „Fuck!“ Er lies die Nudeln in Ruhe kochen, hielt seine verbrannte Hand unter den Wasserhahn und bemerkte, dass das Wasser über den Topf schwappte. „Mist!“, schnell hüpfte er zum Herd hinüber und drehte den Schalter etwas hinunter. Wie lange mussten diese scheiß Nudeln eigentlich kochen? 10 bis 12 Minuten, so sagt das Internet. Wie lange lagen die Nudeln nun schon im Wasser? 6 Minuten? Zehn Minuten? Ein bisschen länger würde wohl kaum schaden.
Tortellini kann man nicht einfach so essen; das könnte ja jeder. Da musste noch etwas hinzu. Sowas grünes, was Leo immer rüber streut. Irgendsoein Gewürz. Adam fiel dieser scheiß-bescheuerte Name nicht ein. Aber mal wieder spuckte das Internet die Antwort aus: Parmesan. Und das fand Adam auch relativ schnell.
Die Tortellini waren nun wahrscheinlich fertig, und Adam schnappte sich eine Kelle (wenigstens eine durchlässige und keine Suppenkelle, so doof war Adam dann doch nicht) und schaufelte die Tortellini auf zwei Teller. Allerdings sahen sie weniger aus wie Tortellini, sondern eher wie eine wasserdurchtränkte Pampe. Nicht sehr appetitlich.
Aber dafür gab es ja Parmesan. Und Salz; damit wieder Geschmack hinein kam. Ein bisschen mehr, für mehr Geschmack; versteht sich.
Adam stellte den Herd aus und den Suppentopf in die Spüle. Der Salzsteuer stand auf dem Tisch, neben den zwei Tellern. Hatte er das Essen schon gesalzen? Oder noch nicht? Nun ja, ein bisschen mehr konnte ja nicht schaden. Die Pampe sah aber immer noch nicht sonderlich appetitlich aus.
Adam warf nochmal einen Blick in den Kühlschrank. Er holte ein rotes Gemüse hinaus und schnappte sich Messer und Schneidebrett. Es war keine Paprika, sondern eher länglich und ein wenig gekrümmt. Ah ja, Peperoni. Das war es.
Adam war schon ein bisschen stolz darauf, wie gut es ihm geglückt war, die Peperoni zu zerstückeln und sich dabei nicht in die Finger zu hacken. Nicht so anmutig wie erhofft „streute“ er das Gemüse über den Tortellini-Matsch, aber so, dass die Tortellini ein wenig verdeckt waren. Adam stellte die Teller zusammen mit Besteck auf den Esstisch und all seine Kochutensilien in die Spüle.
Da hörte er auch schon, wie der Schlüssel im Türschloss umgedreht wurde. Leo entledigte sich seiner Schuhe und hängte seine Jacke auf. Er ging durch die Wohnung, Adam suchend, und stoppte in der Küche. Mit skeptischen Blick inspizierte er seinen Mitbewohner und das Chaos in der Spüle.
„Ich hab gekocht“, erklärte Adam kurz. Leo war, milde gesagt, sprachlos. Ihm fehlten die Worte, und nicht nur, dass er sie nicht vernünftig formulieren konnte, sondern sein ganzes Gehirn hatte einen Kurzschluss.
Adam. hatte. gekocht. Was immer das auch werden sollte, Leo konnte sich nur schwer vorstellen, dass etwas Gutes dabei herausgekommen war. An Adams Gesicht konnte er ablesen, dass er ihn immer noch so skeptisch beäugte.
„Tschuldigung“, murmelte Leo. Er wand sich von Adam ab, und blickte zum Esstisch. Spärlich gedeckt. Zwei Teller und Besteck. Sonst nichts. „Daran müssen wir nochmal arbeiten“, sagte er zu Adam und holte zwei Gläser aus dem Schrank. „Was ist mit deiner Hand?“, er stellte die Gläser ab und griff nach Adams verbrannter Hand.
„Alles gut“, meinte Adam. Da war Leo aber auch schon losgeeilt, um Adam Sachen zum Verarzten zu holen. „Ah!“, zischte Adam und zog seine Hand weg.
„Adam“, Leo blickte ihn etwas genervt aus seinen wunderschönen Augen an. Adam streckte seine Hand wieder aus und Leo schmierte die Wundsalbe drauf. „Unglaublich, rechts und links. Hoffentlich dauert deine Genesung jetzt nicht noch länger. Du hast nämlich viel verpasst, mein Lieber.“
„Also, was gibt’s denn?“, Leo schaute auf seinen Teller. Das Auge isst ja bekanntlich mit, und Adam war jetzt auch nicht der Sterne-Koch, aber man durfte doch wohl noch hoffen.
„Ist vegan“, brummelte Adam und setzte sich, „Glaub ich“, schob er leise nach. Adam sah mindestens genauso verängstigt aus, wie Leo sich fühlte, bei dem Gedanken daran dieses Zeug, was auch immer das war, zu essen.
„Guten Appetit“, gleichzeitig begannen sie zu essen. Und gleichzeitig begannen sie zu husten.
„Sag mal, wie viel Salz hast du denn da bitte raufgetan?“
„Scheiße, wieso ist das so scharf?“
Adam trank in einem Zug sein Glas Wasser aus, aber das half auch nicht. Im Gegenteil, es machte es sogar schlimmer.
„Muss du doch selber wissen, hast du ja schließlich raufgetan.“
„Diese fucking Peperoni!“
„Peperoni? Das ist Chili!“ Leo wurde von einem weiteren Husten unterbrochen. „Und was ist das überhaupt?“ Leos Stimme war höher als gewöhnlich, wie immer, wenn er verwirrt war. Mit seiner Gabel hielt er den durchtränkten Matsch hoch.
„Das sind, waren, Tortellini“, sagte Adam kleinlaut.
„Aber die sind doch komplett durch?!“
„Sind sind ein bisschen zu lange im Wasser gewesen.“
„Das sind Tortellini, die kommen überhaupt nicht ins Wasser!“, aber Leo war nicht sauer.
„Aber das sind doch Nudeln, oder etwa nicht?“ Und das war der Punkt, an dem Leo nachgab. Er lachte. Nicht direkt über Adam, aber, dass man seine Verwirrung in seinem Gesicht ablesen konnte.
Und auch Adam weichte auf und fing an zu lachen. So oft, wie er heute auf seinem Handy nachgeschaut hatte, hätte er auch gleich mal „Wie kocht man Tortellini“ googeln können.
Adam nahm die Gabel wieder in die Hand und begann erneut zu essen.
Leo blickte ihn ungläubig an: „Adam, das kann man doch nicht essen!“
„Naja, ich schmeiße ganz sicher kein Essen weg!“, kam Adams Gegenantwort.
Und widerwillig nahm Leo wieder die Gabel und zwang sich aufzuessen. Wie hieß es noch, geteiltes Leid ist halbes Leid. Es machte es ein wenig besser, dass Adam genauso angeekelt aussah, wie er sich fühlte.
Außerdem half es auch, dass Adam es versucht hatte. Adam hatte versucht, etwas für sie beide zu kochen. Der Gedanke zählte, das würde Leo sich merken, denn nie wieder in seinem Leben würde er Adam wieder allein in seine Küche lassen. Und das nächste, was er ihm beibringen würde, war: den Unterschied zwischen Peperoni und Chili zu erkennen.
„Und schreib Milch auf die Einkaufsliste. Die ist jetzt nämlich leer“, sagte Adam und beobachtete, wie Leo ihn wieder angrinste. Da Adam nicht gewusst hatte, wohin mit den benutzten Kochutensilien, machten sie gemeinsam den Abwasch. Leo wusch, Adam trocknete. Gute Einteilung.
„Ach ja, und der Topf hat jetzt einen Kratzer“, sagte Adam, als Leo den Suppentopf genau ins Auge nahm.
„Ja, und der Boden, der ist auch nicht unbeschadet davongekommen“, Leo deutete auf die Stelle, wo der Topf aufgeschlagen war.
„Oh.“
Doch Leo war überhaupt nicht böse, sondern kicherte in sich hinein. „Ich werde es Erinnerung halten, als den Tag, an dem du für mich kochen wolltest!“
Adams Magen grummelte.
„Hast du immer noch Hunger? Oder rebelliert dein Magen nur?“
„Beides.“
Die beiden räumten alles zurück an seinen richtigen Platz und Leo schnappte sich sein Handy: „Na komm, ich bestell ‘ne Pizza und dann schmeißen wir uns vor den Fernseher. Was kommt eigentlich?“
Adam hatte die Fernsehzeitung in letzter Zeit sehr gut studiert: „Tatort“.
Leo verdrehte die Augen: „Ach, nö!“
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Er widersteht, sie besteht: Die Keuschheit eines Mannes gegenüber seiner dominanten Frau
Im komplexen Tanz von Liebe und Macht gibt es Situationen, in denen sich der eine entscheidet zu unterwerfen, während der andere die dominante Rolle übernimmt. Die Geschichte von John und Clara zeigt diese Dynamik mit einem besonderen Dreh: Keuschheit.
John, ein Mann von robuster Statur und entschlossenem Charakter, hätte sich nie vorstellen können, dass seine größte Herausforderung darin bestünde, den körperlichen Begierden zu widerstehen, die sein eigener Körper diktiert. Doch von Anfang ihrer Beziehung an legte Clara, eine Frau mit überwältigendem Charisma, eine Regel fest: Johns Keuschheit würde das Fundament ihrer Bindung sein.
Er widersteht. Jeder Tag ist ein Kampf gegen seine eigenen Instinkte. Versuchungen, Triebe, brennende Begierden – alle werden durch das Versprechen in Schach gehalten, das er Clara gegeben hat. Doch dieser Kampf ist nicht nur physisch. Er ist auch emotional und mental. Durch diesen Schleier der Zurückhaltung entdeckt John eine neue Seite an sich selbst. Er findet eine innere Stärke, von der er nie gewusst hatte, dass er sie besaß, und eine unerschütterliche Hingabe an die, die zu seiner Herrin geworden ist.
Clara hingegen besteht. Sie gibt ihren eigenen Wünschen, ihn nachgeben zu sehen, nie nach, denn sie versteht, dass die Kraft ihrer Beziehung in dieser ständigen Spannung liegt. Sie genießt es, John kämpfen zu sehen, nicht aus Grausamkeit, sondern weil dieser Kampf ihre Verbindung stärkt. Sie findet eine Art Reinheit in dieser auferlegten Keuschheit, eine greifbare Manifestation von gegenseitigem Vertrauen und Respekt.
Aber das ist kein Spiel für Zartbesaitete. Die Spannung zwischen ihnen fühlt sich manchmal fast greifbar an, wie eine Schnur, die kurz davor ist zu reißen. Jeder Blick, jede Berührung ist geladen mit einer Elektrizität, die einen Funken auslösen könnte. Doch sie bleiben standhaft. Denn in diesem Widerstand finden sie eine Tiefe der Verbindung und ein gegenseitiges Verständnis, das nur wenige Paare kennen.
Die Geschichte von John und Clara spricht von der Kraft des menschlichen Willens, der Intensität der Liebe und den Opfern, die man bringen kann, um ein Versprechen zu ehren. In einer Welt, in der alles flüchtig erscheint, steht ihr Engagement für Keuschheit als Erinnerung daran, dass bestimmte Bestrebungen, wenn sie mit Hingabe und Leidenschaft verfolgt werden, Zeit und Versuchung überdauern können.
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