Ich hatte ja mal meine eher ungünstig gewählte Reiseroute von Transsilvanien nach Irland erwähnt. Aber ich glaube, dass diese absolute Odyssee a la "Jonathan Harker: Immobilienmakler auf Abwegen" trifft "In 80 Tagen um die Welt" einen etwas ausführlicheren Bericht verdient.
Ich hatte mich in Rumänien spontan entschieden einer Urlaubsbekanntschaft für ein Stellenangebot nach Irland zu folgen. Leider hatte ich mein komplettes Werkzeug zur Lederbearbeitung dabei, was Fliegen relativ teuer gemacht hätte. Also entschied ich mich für die archaischste aller Reisemethoden: den Flixbus.
Mit einer Bahn, die meistens Schrittgeschwindigkeit fuhr ging es nach Braşov, von Braşov mit dem Bus weiter gen Polen. Das ganze lief super, bis wir die rumänisch-ungarische Grenze erreichten. Man betritt mit dieser Grenze den Schengenraum, heißt: Passkontrolle. Jemand in einem halbwegs offiziell aussehendem Outfit, welches irgendwo zwischen Uniform und Tactical Gear fällt, sammelt deine Papiere ein, du bleibst brav sitzen und hoffst auf's beste. Und normalerweise bekommst du den ganzen Kram auch nach zwanzig Minuten wieder, wenn irgendein Grenzbeamter deinen Namen in einer phonetischen Neuinterpretation durch den Bus brüllt.
Leider holten uns hier, um Mitternacht, an der gottverdammten ungarischen Grenze die Geopolitik ein. Wir hatten ein paar Ukrainer an Bord die eventuell kriegspflichtig waren. Dank Martial Law müssten diese irgendwie nachweisen können, dass sie für den Dienst ungeeignet, alleinerziehende Väter, oder dauerhaft im Ausland ansässig sind. Da ein paar von ihnen scheinbar nicht auf Anhieb irgendwas dergleichen nachweisen konnten, verbrachte unsere komplette Flixbus-Besatzung mitsamt Bus die Nacht in Obhut einiger schlecht gelaunter Grenzbeamter. Der Stimmung nach hätten diese am liebsten den gesamten Bus gen Ukraine an die Front geschickt.
Gut, die Armen konnten irgendwann in den Morgenstunden doch noch ihre diversen Nachweise und Freistellungen auftreiben. Es ging weiter. Ich hatte alle meine Anschlüsse bereits seit Stunden verpasst.
Eine Reise umbuchen während man schon unterwegs ist, mit Flixbus-WLAN und wenig zuverlässigen Ankunftsinformationen ist wie Yoga für's Gehirn, by the way.
Ich kam in Warschau an einem Busbahnhof an, der vom vibe her eine Homage an Frankfurt Hbf war. Ich hatte mir unterwegs eine neue Busverbindung gebucht, mit einem polnischen Busreisenunternehmen: Sinbad.
Im Vergleich zu Sindbad wirkt Flixbus wie das Qatar Airways der Autobahnen, holy shit.
Die Sindbad-Busse hatten allesamt keine Bus- oder Fahrtnummer. Stattdessen hing der Busfahrer halb aus der Tür gelehnt über der sich versammelnden Menschentraube aus potenziellen Fahrgästen, und brüllte alle Stopps der Busroute in die Menge. Nur die polnischen Ortsnamen, versteht sich. Es war stressig, verwirrend, und ich hatte seit Beginn der Reise nicht mehr geschlafen. Ich wäre wahrscheinlich aus Versehen nach Pardubitz gefahren, hätte ein polnisches Mütterchen nicht Mitleid mit mir bekommen und mich am Ärmel zum richtigen Bus gezogen.
Es ging von Warschau Busbahnhof aus gen Brüssel. Auf der Reise musste ich feststellen, dass die Durchsagen ausschließlich auf polnisch erfolgten. Ich tauschte bei jedem Stopp verwirrte Blicke mit meiner ukrainischen Sitznachbarin aus. Der Sindbad-Bus war gleichzeitig der engste, vollste und stickigste Bus, mit dem ich jemals gefahren bin. Es war meine persönliche Vorhölle.
Um 3 Uhr morgens wurden wir an einer Tankstelle ausgeladen, der Bus fuhr davon, ich war zum Glück zu müde um Panik zu schieben. Es hätte mich nicht überrascht, jetzt auch noch an der deutsch-polnischen Grenze ausgesetzt zu werden. Ich beschloss, mir einen Volleyball als Gesprächspartner zu suchen und ihm ein Gesicht aufzumalen.
Der Bus kehrte nach 20 Minuten jedoch tatsächlich zurück, sammelte uns ein und fuhr weiter.
Merke: Es ist hier bereits die Nacht von Donnerstag auf Freitag. Ich habe seit Beginn der Reise nicht mehr wirklich geschlafen. Mein Gesicht besteht nur noch aus Augenringen.
Mit dem Sindbad-Bus schaffte ich es von Warschau irgendwie nach Brüssel. In Brüssel hatte ich 15 Minuten Umsteigezeit, stellte dann fest dass ich zudem von einem Busbahnhof zum nächsten laufen musste. Mit zwei Koffern. Ja abfahrt I guess. Ich sprintete übermüdet, desorientiert und von jeglicher Würde befreit durch Brüssel, bekam meinen Bus gen London noch gerade so und- fand heraus dass Morgen alle Bus- und Zugfahrer in England streiken. cool cool cool warum hätte ich nicht zuhause bleiben können. BWL studieren oder so. Vielleicht ein nettes Wochenende auf dem Sofa verbringen. Fick mich in's Knie.
Der Flixbus spuckte mich in der nächsten Nacht in London aus. Ich nahm den Bus nach Stansted Airport, schlief vor Erschöpfung ausnahmsweise tatsächlich in einem Bus ein (egal, was ich behaupte wenn ich wieder die geniale Idee habe, über Nacht irgendwo hin zu reisen: ich kann nicht in Bussen schlafen), und wurde dann von einer freundlichen Busfahrerin am Flughafen praktisch aus dem Fahrzeug geworfen.
Ich hatte irgendwann in London einen Flug nach Shannon in Irland gebucht (RyanAir, der Flug kostete 10 Euro, das schlechte Gewissen kostete mir drei Jahre meiner Lebenszeit). Die Frau am Check In fragt "Hi honey, are you travelling alone?". Das Ehepaar hinter mir lachte, ich erklärte ihr dass ich total volljährig und maximal selbstständig bin. Die Situation ist nicht zu retten.
In Irland angekommen bin ich psychisch und physisch tot. Leider wollen die irischen Busfahrer nichts davon wissen. Stattdessen erklären sie mir immer wieder, wie ich am besten, schnellsten und billigsten das Land per Bus durchqueren kann. Ich möchte weder billig noch schnell reisen, ich möchte schlafen. Leider hat jeder Busfahrer einen neuen Vorschlag. Ich sterbe, insofern möglich, noch mehr.
Ich kann mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern wie ich an's Ziel gekommen bin. Ich traf auf jeden Fall irgendwann meinen italienischen Mitbewohner, duschte (kalt, unfreiwillig), und schlief dann vier Stunden bevor meine Mitbewohner mich wieder weckten, um feiern zu gehen.
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Wir, endlich (auf AO3, 2469 Wörter)
eine Tatort Stuttgart Fanfic für den 2023 Tatort & Polizeiruf 110 Adventskalender
Es ist Freitagabend im Dezember und Sebastian ist traurig, weil eigentlich Maja und Henri vorbeikommen wollten für ein gemütliches Adventswochenende, aber ihr Zug fährt nicht wegen heftigem Schneefall (Deutsche Bahn halt). Was Sebastian nicht weiß: Das ist alles nur ein Plan, um ihren Vater zu überraschen. Thorsten ist eingeweiht und auch etwas aufgeregt, weil es der erste Besuch der beiden ist, seit er und Sebastian ein Paar sind.
Sebastian seufzt. Er vergräbt sich so tief wie möglich in der Couch und zieht sich die Decke über die Schultern. So hat er sich diesen Freitagabend definitiv nicht vorgestellt.
Als Thorsten ins Wohnzimmer kommt, fällt sein Blick auf den eingerollten Sebastian, dessen Beine viel zu lang für die Couch sind. In seinen Händen hält er zwei Tassen heißen Kakao, die er vorsichtig auf dem Couchtisch abstellt. Auf der Höhe von Sebastians Bauch findet er genügend Platz, sich auf die Kante zu setzen. Einen kurzen Moment beobachtet er Sebastian nur, dann legt er schließlich eine Hand auf dessen Schulter.
„Tut mir leid, dass nichts aus den Plänen mit Maja und Henri wird.“
Sebastian bleibt in Richtung Rückenlehne gedreht. „Das ist doch einfach nur scheiße. Scheiß Schneechaos“, zischt er die Kissen an, die absolut nichts für das eisige Dezemberwetter können.
Thorsten presst die Lippen zusammen. „Wenn die Züge nicht fahren, dann fahren sie nicht.“
„Dieser blöde Schnee“, flucht Sebastian.
Thorsten drückt seine Schulter und fährt mit der Hand über die Wolldecke, immer Sebastians Arm auf und ab. Es fühlt sich ganz weich und warm an. „Dann holen wir das eben nächstes oder übernächstes Wochenende nach. Bis dahin hat’s aufgehört zu schneien und alles ist aufgetaut.“
„Aber ich hab mich doch schon so gefreut.“
Bei der gebrochenen Stimme, die so völlig untypisch für Sebastian ist, zerbricht es Thorsten ein wenig das Herz. Die ganze Woche über schon hat Sebastian die komplette Wohnung aufgeräumt, von oben bis unten, so als würden Maja und Henri hinter jeden Schrank und auf jedes Regal gucken und nach Staub suchen. Dass die zwei einfach nur ihren Vater wiedersehen wollen nach so vielen Monaten und ihnen der Zustand der Wohnung sowas von egal ist, kann Thorsten Sebastian so oft sagen, wie er will. Für seine Kinder sollte dieses Wochenende eben alles perfekt sein.
Insgeheim hat sich Thorsten schon Sorgen gemacht, ob Sebastians Aufregung und Unruhe mit der Tatsache zusammenhängt, dass sie seit kurzer Zeit zusammenwohnen und das Majas und Henris erster Besuch in der gemeinsamen Wohnung sein sollte. Wie genau Sebastian den beiden gegenüber seine Beziehung zu Thorsten definiert, steht auch noch in der Schwebe. Vielleicht wissen die zwei ja nicht einmal etwas davon.
Vielleicht ist dieses fieberhafte Aufräumen also Sebastians Art, wenigstens diesen Teil seines Lebens zu kontrollieren, sodass niemand etwas dran aussetzen kann. Vielleicht hat er ein kleines bisschen Angst davor, seine Kinder in einem Zuhause willkommen zu heißen, das er sich mit einem Mann teilt. Dass seine Kinder diesen Mann schon seit über fünfzehn Jahren kennen, die Mehrheit davon sogar als den besten Freund ihres Vaters, hilft wohl nicht wirklich bei der nagenden Stimme im Kopf, über die Sebastian viel zu selten mit Thorsten spricht.
Diese blöde Stimme, die öfter in Sebastians Kopf ertönt als er zugibt und die sich manchmal den Weg von seinem Gehirn durch seinen Mund und über seine Lippen bahnt. Thorsten möchte diese Stimme am liebsten zum Schweigen bringen und viel lieber Sebastians Lippen küssen als Ängsten und Zweifeln ausgesetzt zu sein.
Gerade als Thorsten überlegt, ob er kurz tiefgründig werden soll, dreht sich Sebastian auf der Couch um und greift nach seiner Hand. Er legt seine Finger darum und platziert sie auf seiner Brust, direkt über seinem Herz.
„Dann machen wir zwei uns eben ein schönes Wochenende, auch wenn ich gerade am liebsten bis Montag im Bett verkriechen würde“, sagt Sebastian.
„Wäre das nicht langweilig?“
„Ach“, antwortet Sebastian und grinst Thorsten mit erhobener Augenbraue an. „Uns würde da schon was einfallen, um Spaß zu haben, oder nicht?“
Thorsten verdreht mit gespielter Genervtheit seine Augen und atmet laut aus. Dass Sebastian über fünfzehn Jahre jünger als er ist, hat so seine Vor- und Nachteile. Aber um dieses verschmitzte Lächeln auf dem heute so trüben Gesicht zu sehen, würde Thorsten zu allem zustimmen. „Du weißt aber schon, dass ich ein paar Jahre älter bin als du.“
„Dann bleibst du eben auf dem Rücken.“
„Das hättest du wohl gerne.“
Wenn Sebastian nur wüsste, dass aus diesem Plan B gar nichts wird. Thorsten hat nämlich ein Geheimnis – und er versucht es zu ignorieren, dass er Sebastian gerade quasi zum allerersten Mal anlügt.
Als Maja nämlich am Vormittag anrief und ihrem Vater erklärte, dass gerade alle Züge nach Stuttgart ausfallen wegen des Wetters, schrieb sie Thorsten kurz darauf eine Nachricht, die mit Nicht Papa sagen!!! begann. Henri und sie planten nämlich einen Überraschungsbesuch und mussten deshalb für ein paar Stunden ihrem Vater das Herz brechen. Denn die Züge fahren sehr wohl, und Maja hat Thorsten darum gebeten, sie heute Abend heimlich vom Bahnhof abzuholen.
Thorsten spürt, wie Sebastians Daumen immer wieder über seine Hand streift. Dann greift Sebastian mit seiner anderen Hand nach Thorstens Ärmel und zieht ihn zu sich herunter, sodass ihre Oberkörper aufeinander liegen. Thorsten spürt, wie sich Sebastians Brustkorb mit jedem Atemzug hebt und senkt.
„Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe?“, fragt Sebastian, kaum mehr als ein Flüstern. Sein heißer Atem streicht Thorsten dabei über die Lippen und bringt Gänsehaut auf seine Arme.
Thorsten beugt sich vor und küsst Sebastian. „Ja, das weiß ich“, murmelt er. Sebastians Bart kitzelt auf seiner Haut. Daran muss er sich erst noch gewöhnen, nicht nur an den Bart, sondern auch daran, wieder mit jemandem zusammenzuleben, der einem einfach alles bedeutet.
Wenn Thorsten seinem 45-jährigen Ich sagen würde, dass er später einmal mit seinem neuen Arbeitskollegen zusammenlebt und ihn küssen kann, wann immer er will, dann würde der ihn wahrscheinlich für vollkommen bekloppt halten.
Und für den wohl glücklisten Mann der Welt.
„Ich liebe dich auch“, antwortet Thorsten deshalb, und es wundert ihn nicht einmal mehr, wie einfach ihm diese Worte über die Lippen kommen.
Sebastian kneift seine Augen zusammen. „Ich dich mehr.“
„Das ist kein Wettbewerb, Sebastian.“
Dieses Mal ist es Sebastian, der sich vorbeugt, um Thorsten einen Kuss zu geben. „Ich gewinne aber trotzdem.“
Als Sebastians Magen plötzlich laut knurrt, treffen sich die Blicke der beiden Männer.
„Du hast Hunger“, sagt Thorsten mit einem Blick auf Sebastians Bauch.
„Gute Feststellung, Herr Kommissar“, antwortet Sebastian trocken und lächelt.
Thorsten nimmt sein Handy vom Tisch und winkt damit in der Luft. Irgendwie muss er einen Weg finden, die Wohnung für eine halbe Stunde zu verlassen, um zum Bahnhof zu fahren. „Bestellen wir was?“, fragt er also und ruft die Seite des kleinen Restaurants ein paar Straßen weiter auf, bei dem sie öfter mal Essen bestellen.
„Gerne“, sagt Sebastian, während sein Lieblingsgericht schon längst im Warenkorb bei Thorsten ist.
Thorsten tippt noch ein paar Mal auf seinem Handy rum, dann steht er auf. „So, dann geh ich mal los und hol das Essen gleich ab.“
Sebastian runzelt die Stirn. „Wie, abholen?“
„Das Restaurant ist nicht weit und ich hätte nichts gegen etwas frische Luft.“
Sebastian schiebt seine Unterlippe vor. „Bleib hier bei mir.“
Thorsten seufzt. „Möchtest du mitkommen?“, fragt er und hofft auf ein Nein.
Sebastian zieht sich demonstrativ die Decke über den Kopf. „Ich bleibe auf dem Sofa, bis du zurückkommst.“
„Na gut.“ Thorsten gibt ihm einen Abschiedskuss auf den Wolldecken-Kopf und geht dann Richtung Flur, um sich warm anzuziehen. Als er ins Wohnzimmer zurückblickt, sieht er nur den Wolldeckenberg.
Draußen lässt der kalte Wind Thorsten seinen Schal enger um den Hals wickeln. Er macht sich nicht wie angekündigt auf den Weg Richtung Restaurant, sondern setzt sich ins Auto und fährt zum Bahnhof. Zum Glück dauert es nicht lange, Maja und Henri dort abzuholen, denn ihr Zug ist sogar pünktlich. Als die zwei Thorsten am Bahngleis entdecken, winken sie ihm schon von Weitem zu. Thorsten wird ganz warm ums Herz, als er ihre glücklichen Gesichter sieht. Ein bisschen erschlägt es ihn, wie groß und erwachsen beide geworden sind.
Auf dem Rückweg zur Wohnung halten sie noch schnell bei dem Restaurant an, um die Bestellung abzuholen. Thorsten hat extra die doppelte Menge geordert, wovon Sebastian zum Glück nichts mitbekommen hat.
„Das riecht so gut“, sagt Maja und nimmt Thorsten die zwei Tüten ab und stellt sie auf ihren Schoß. „Wir sind auch schon am Verhungern.“
„Dann wird’s ja doppelt so gut schmecken“, antwortet Thorsten und grinst. Es ist nicht allzu viel los auf den Straßen, also kommen sie zum Glück schnell voran. Aus dem Radio erklingt irgendein Lied aus den 90ern.
„Du, Thorsten?“, fragt Henri, der auf der Rückbank sitzt.
Thorsten trifft seinen Blick für einen kurzen Moment im Rückspiegel, bevor er wieder nach vorne schaut. „Ja?“
Henri legt seinen Kopf schief. „Sind Papa und du jetzt eigentlich zusammen?“
Oh. Die Frage kommt sehr überraschend und Thorsten verfestigt instinktiv den Griff ins Lenkrad. In seinem Nacken kribbelt es und ihm ist auf einmal sehr, sehr warm. Er kann so gar nicht einschätzen, wie dieses Gespräch weitergeht.
„Also“, beginnt er und schluckt einmal kräftig. „Am besten fragt ihr euren Papa.“
„Aber wir wollen das doch von dir wissen, Thorsten“, sagt Maja neben ihm, die ihm von der Seite zulächelt. „Papa ist da immer so verschlossen und verrät uns doch sowieso nie etwas.“
„Okay“, antwortet Thorsten und schaut einmal etwas nervös zu Maja und dann zu Henri. Als sein Blick wieder auf der Straße vor ihm landet, fasst er all seinen Mut zusammen und sagt einfach die Wahrheit. Was soll’s. „Ja, wir sind zusammen.“
Aus dem Augenwinkel heraus sieht er, wie Maja zu grinsen anfängt.
„Cool“, kommt Henris Stimme von der Rückbank.
„Freut mich für euch“, fügt Maja hinzu.
„Ja?“ Thorsten spürt, wie ihm das Blut in die Wangen schießt. Er hat nicht damit gerechnet, heute Abend über dieses Thema zu sprechen und noch dabei so eine positive und liebevolle Reaktion zu bekommen.
„Na klar“, antwortet Maja, laut und sogar etwas vorwurfsvoll. „Das wurde aber auch Zeit, dass ihr euch mal zusammenreißt. Meine Güte.“
Da muss Thorsten lachen. Genau sowas hat er Sebastian vor ein paar Monaten auch gesagt, als sie zum ersten Mal im selben Bett aufgewacht sind. Endlich.
Der Rest der Fahrt verläuft relativ ruhig, alle drei sind in ihren eigenen Köpfen versunken. Als Thorsten vor der Wohnung das Auto parkt, hat er das stärkste Gefühl von Nach-Hause-Kommen, das er seit Jahren hatte. Ihm war gar nicht klar, wie sehr er dieses Gefühl vermisst hat.
Der Schlüssel klirrt, als er die Haustür aufschließt und noch einmal seine Schuhsohlen durch Stampfen von Schnee befreit. Maja und Henri zischen sich hinter ihm ständig an, im Treppenhaus nicht so viel verräterischen Lärm zu machen. Thorsten schaut amüsiert dabei zu, wie sie ihre Taschen zur Wohnung hochtragen und auf Zehnspitzen gehen, so als würde ihr Vater sie allein schon anhand der Schritte erkennen.
Die Wohnungstür quietscht, als Thorsten sie öffnet und seinen Kopf in den Flur steckt, um zu schauen, ob die Luft rein ist.
„Na endlich!“, ruft eine Stimme aus dem Wohnzimmer. „Ich hab dich schon vermisst. Dachte schon, du bist jetzt auch irgendwo eingeschneit.“
Thorsten wird ein bisschen rot, weil Sebastian nicht weiß, dass seine Kinder gerade mithören. Schnell zieht er sich die Schuhe und Jacke aus und trägt die Tüten mit dem Essen ins Wohnzimmer, wo Sebastian ihn schon in der Tür mit einem breiten Grinsen und einem Kuss empfängt.
Dann kann Thorsten nicht anders und er fängt zu grinsen an. Er schaut Sebastian in die Augen. „Ich hab dir etwas mitgebracht.“
Sebastians Blick wandert von Thorsten runter zu den Tüten Takeout, dann wieder hoch zu Thorstens Augen. „Essen?“
„Nein.“
„Hä?“
Da ertönen zwei junge, laute Stimmen von dem Flur her und schallen durch die ganze Wohnung. „Überraschung!“
Wie zwei Wirbelstürme rennen Maja und Henri den Flur entlang und überfallen ihren Vater mit einer Gruppenumarmung. Sebastian fällt beinahe um.
„Was–“ Dass Sebastian überrumpelt ist, ist eine Untertreibung. Seine Haare sind zerzaust von der Wolldecke, und in der Kombi aus Kapuzenpullover und Jogginghose sieht er noch überrumpelter aus. Dann schlingt er seine Arme um Maja und Henri und drückt ganz fest zu.
Über die Köpfe seiner Kinder hinweg trifft er schließlich Thorstens Blick. Für einen Moment wird er zurückkatapultiert an einen längst vergessenen Tag vor vielen Jahren, an dem er auch eine glucksende Maja und einen grinsenden Henri in den Armen hielt, während Thorsten den dreien zuguckte.
Es hat sich alles und nichts geändert.
Als Maja und Henri sich von ihrem Papa lösen und ihre Jacken aufhängen und die Taschen aus dem Weg räumen, geht Sebastian auf Thorsten zu und legt seine Hand auf Thorstens unteren Rücken, da, wo sein Hemd in der Hose verschwindet.
„Du wusstest davon?“
Thorsten zuckt mit den Schultern und verzieht den Mund – die Unschuld in Person. „Irgendjemand musste die beiden ja heimlich vom Bahnhof abholen.“
Sebastian presst die Lippen zusammen und verengt seine Augen. „Das grenzt ja an Quälerei, mein Lieber. Das werde ich dir heimzahlen.“
„Mach das. Aber erst, wenn die zwei wieder weg sind.“
In Thorstens Händen und Füßen kribbelt es jedes Mal, wenn sich Sebastian zu ihm runterbeugt und ihn küsst. Auch wenn das hier nur ein kurzer Kuss ist, sagt er so vieles aus. Dann stößt Sebastian sachte mit seinem Kopf an Thorstens Stirn.
„Danke“, flüstert er.
Thorsten lächelt. „Vielleicht lieb ich dich doch mehr als du mich.“
Sebastian hebt eine Augenbraue. „Das ist umstritten.“
Thorsten legt seine Hand in Sebastians Nacken und gibt ihm noch einen schnellen letzten Kuss. Er würde am liebsten dahinschmelzen, so unsagbar glücklich ist er gerade. Als Maja und Henri dann zurück ins Wohnzimmer kommen, löst er sich von Sebastian und holt Geschirr aus der Küche, damit sie endlich essen können.
Zu viert quetschen sie sich an den Couchtisch, weil es hier einfach am gemütlichsten ist mit all den Kerzen und Lichterketten, die Sebastian vor zwei Tagen ausgekramt hat. Henri hat irgendeine Weihnachtsplaylist angemacht, die nun den Raum mit Musik und einer Stimmung füllt, die nach Tanne und Schnee riecht. Es wird gegessen, geredet und gelacht. Alle strahlen um die Wette.
Gesättigt und zufrieden räumen sie später zusammen auf und versammeln sich dann um das Sofa, um einen Film zu gucken. Thorsten macht für alle eine Tasse heißen Kakao (mit extra Schokostreusel oben drauf) und holt noch eine Packung Lebkuchen dazu, die nicht lange überlebt. Maja und Henri haben sich ein kleines Kissen- und Deckenparadies vor dem Sofa aufgebaut, was sie schon als Kinder immer gerne getan haben. Thorsten und Sebastian teilen sich die Couch, und Sebastian rückt immer näher an Thorstens Seite, bis er schließlich vor ihm liegt und seinen Kopf auf Thorstens Oberkörper legen kann.
Der Abend wird lang und die Augenlider schwerer, doch keiner möchte so wirklich ins Bett gehen und somit die schöne Zeit für heute beenden. Niemand bemerkt es, als Sebastian die Augen zufallen.
Bis er plötzlich schnarcht. Maja und Henri fahren etwas erschrocken herum und schauen von ihrem schlafendem Vater zu Thorsten hoch, der sie ebenso erschrocken anguckt. Er hat Sebastian noch nie schnarchen gehört.
„Da war wohl jemand müde“, flüstert Henri und lächelt Thorsten an. Er lächelt zurück.
Maja muss auch lächeln. „Du tust Papa gut, Thorsten. Das merkt man.“
Thorstens Herz war noch nie so voll.
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Namibia 2023/24 - Tag 25
Herrschaften und Oukies!!!
Die Otjohotozu Gästefarm ist ein Vogelparadies und Oase der Ruhe am Rande des Erongo-Gebirges und am Omaruru River gelegen.
Der Omaruru ist ein Trockenfluss (Rivier) und er erstreckt sich über 330 km vom Mount Etjo bis zum Atlantik. Der Name Omaruru leitet sich aus dem Otjiherero ab für 'bittere Milch' und bezieht sich auf einen Busch (Stinkbusch), der im Flussbett des Omaruru anzutreffen ist und bei dessen Genuss die Milch von Weidevieh bitter wird.
Die Niederschläge fallen nur sporadisch. Bei Okombahe tritt Grundwasser aus und bildet damit die Grundlage für Land- und Weidewirtschaft.
Die relativ hohen Niederschläge im oberen Einzugsbereich sorgen dafür, dass der Omaruru von allen Trockenflüssen Namibias am häufigsten „abkommt“ („Abkommen“ ist ein deutsch-namibischer Ausdruck für das Wasserführen eines Flusses).
Das Hauptgebäude der Farm wurde mit Natursteinen gebaut und mit Reet gedeckt. Das Licht im inneren ist gedämpft. Es gibt eine Lounge mit Sofas und Sitzgelegenheiten. Des Weiteren gibt es das Restaurant mit Kamin, eine Bar, einen Feuerplatz im Freien.
Die geräumigen, im afrikanischen Stil eingerichteten fünf Zimmer und die modernen neuen Suiten sind mit viel Liebe zum Detail dekoriert.
Sehr schöne familiäre Farm in ruhiger Landschaft am Fuße des Erongo-Gebirges. In beschaulicher Umgebung genießt man namibische Gastfreundschaft, wie man es von früher kennt - herzlich und ohne viel Tamtam mit hohem Wohlfühlfaktor. Oft kommt das Fleisch, das es zum Mittag- oder Abendtisch gibt, auch direkt von der Farm.
Die Farm ist ein Bestandteil des Erongo Mountain Rhino Sanctuary Trust, der ca. 200.000 ha umschließt und sich im privaten Besitz von 24 Familien befindet.
Viele seltene, endemische und besondere Tier-, Vogel- und Pflanzenarten leben hier, was dieses Gebiet zu einem der vielfältigsten und wildreichsten Gebiete Namibias macht.
Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts kam sämtliches Großwild im Erongo Gebirge und entlang der großen Trockenflüsse vor. Doch bereits vor Ende des 19. Jahrhunderts waren Elefanten und Büffel durch die Tätigkeit einer Reihe von damaligen Großwildjägern (die die Bestände unkontrolliert und nicht nachhaltig bejagten), die sich im Ort Omaruru niedergelassen hatten, dezimiert und schließlich nach Norden verdrängt worden.
Gemeinsames Ziel ist es, die Natur in ihrer ursprünglichen Vegetation zu erhalten, sowie die endemischen Wildarten zu schützen.
Schon in den ersten Jahren konnte eines der Ziele verwirklicht werden: Es wurden die endemischen Schwarzgesichtimpala wieder eingebürgert. Für ein weiteres Ziel, der Wiedereinbürgerung von Spitzmaulnashörnern, musste aber zuerst ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden.
Dies fand im Jahre 2008 mit der Gründung des Erongo Mountain Rhino Sanctuary Trust of Namibia statt. Im gleichen Jahr schon konnten die ersten Nashörner im Erongo Gebirge ausgesetzt werden.
Die neue Inhaberin führt die Gästefarm seit März 2023 mit viel Herzblut. Ihren Koch Michael hat sie sogar der Onguma Lodge abwerben können.
Entsprechend gut ist die Küche, die wir genießen dürfen.
Wir sind heute Abend die einzigen Gäste. Es wird noch eine Fotogruppe erwartet, die aber der elendigen, ständigen Verschiebungen der Eurowings Fluglinie zum Opfer fallen.
Die neuen Zimmer sind der Hammer! Sehr, sehr großzügig! Soweit auch barrierefrei angelegt. Großer, massiver Schreibtisch, an dem es sich bestens am Computer arbeiten lässt, während man das Wasserloch im Auge behält. Top Internet Verbindung!
Große Terrassen mit Blick auf das Wasserloch, an dem natürlich immer etwas los ist. Allerdings ist das Wild, bedingt durch die Nähe zu Jagdfarmen, sehr sensibel und haut beim geringsten Geräusch sofort ab.
Ein Badezimmer in dem man tanzen kann. Gut gelöst, die separate Toilette. Alle Fenster, die zu öffnen sind, haben Mückengitter.
Achtung Tierhaarallergiker! Wer nicht auf so viel Nähe zu Haustieren steht, für den ist diese Unterkunft möglicherweise nicht geeignet! Alle anderen werden von den 3 Jack-Russels und Kater Findus bestens betreut.
Der einzige Wehrmutstropfen ist: keine Klimaanlage! Und das macht unseren Aufenthalt bei diesen Temperaturen leider zum Alptraum. Zu einer anderen Jahreszeit sicherlich kein Problem, aber jetzt, im Sommer, zählen wir die Stunden bis zur Abreise.
Lekker Slaap!
Angie, Micha, Mama und der Hasenbär
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